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3 U 144/01 Bsch - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Date du jugement: 15.01.2002
Numéro de référence: 3 U 144/01 Bsch
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Règle du droit: § 412 Abs. 3 HGB; § 4 BinSchLV
Juridiction: Oberlandesgericht Köln
Section: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Der Nutzungsverlust eines beschädigten Schiffes kann auch nach der Neuregelung des Liegegeldes gemäß § 412 Abs. 3 HGB, § 4 Lade- und Löschzeitenverordnung im Wege der abstrakten Schadensberechnung nach den gesetzlichen Liegegeldsätzen berechnet werden.

 

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschifffahrtsobergericht) Köln

vom 15.01.2002

3 U 144/01 Bsch

(Vorinstanz: AG Duisburg-Ruhrort, Rheinschifffahrtsgericht, Urt. v. 11.06.2001 - 5 C 19/00 Bsch)

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Versicherer des MS A. Sie macht aus übergegangenem bzw. abgetretenem Recht wegen der Anfahrung des MS A durch das TMS S gegen deren Eigner und Schiffsführer als Gesamtschuldner einen Schadensersatzanspruch wegen Nutzungsverlust für die Dauer des zur Schadensbehebung erforderlichen Werftaufenthaltes geltend.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben und den Nutzungsausfall nach § 4 der Verordnung über die Lade- und Löschzeiten sowie das Liegegeld in der Binnenschifffahrt (BinSchLV) in der Weise berechnet, daß es - ausgehend von einem Nutzungsausfall für zwei Tage - pro Tag 24 Stunden angesetzt hat. Es ist somit bei einer Tragfähigkeit des MS A auf einen Betrag von 889 t x 0,05 = 44,45 EUR/Std. x 48 Std. = 2.133,60 EUR bzw. 4.172,05 DM gekommen.
Mit der Berufung wenden sich die Beklagten insbesondere gegen die erstinstanzliche Entscheidung tragende Rechtsauffassung, dass sich die Höhe des Nutzungsverlustes bei der Trockenschifffahrt nach dem gesetzlichen Liegegeld richtet.

Das Berufungsgericht hat die vom Rheinschifffahrtsgericht vorgenommene angewandte Berechnung bestätigt und an dem von der Rechtsprechung seit Jahrzehnten angewandten Grundsatz ausdrücklich festgehalten, die Liegegeldbeträge für die Überschreitung der Lade- und Löschzeit als vermuteten Mindestschaden in abstrakter Schadensberechnung zugrunde zu legen. Im einzelnen führt es dazu folgendes aus:

„Nach früherem Recht wurden die Liegegelder allerdings nach Kalendertagen berechnet. Es ist auch nicht zu verkennen, daß die jetzige Regelung nach § 4 BinSchLV, wenn man rund um die Uhr rechnet, zu wesentlich höheren Beträgen als nach altem Recht führt. Es ist aber davon auszugehen, daß der Verordnungsgeber mit der Erhöhung der Liegegeldsätze den derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung getragen und nicht etwa einen alleinigen Einsatz der Schiffe in Continuefahrt zugrunde gelegt hat. Nach altem Recht wurde ebenso wenig wie in der Lade- und Löschzeitenverordnung danach unterschieden, in welcher Betriebsform die Schiffe fahren. Gem. §§ 114, 115 BinSchUO darf in der Betriebsform A - Tagesfahrt - höchstens 16 Stunden gefahren werden und es muß in der Nacht eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens acht Stunden eingehalten werden. In der Betriebsform D - ständige Fahrt - sind von den Besatzungsmitgliedern entsprechende Ruhezeiten einzuhalten.

Ähnliche Regelungen enthalten die §§ 23.05, 23.06 RhSchUO für die Rheinschifffahrt. Im Hinblick auf die vorgeschriebenen Ruhezeiten benötigen die in der Betriebsform D fahrenden Schiffe eine größere Anzahl von Besatzungsmitgliedern, was zu entsprechenden Kosten führt. Von daher erscheint nicht zwingend, daß der Nutzungsverlust eines in Continuefahrt eingesetzten Schiffes höher als derjenige eines Schiffes sein müßte, das grundsätzlich in der Betriebsform A fährt. In der Vergangenheit wurden die Liegegeldsätze gem. §§ 21, 27, 28 BschVG durch die Frachtenausschüsse der Binnenschifffahrt festgesetzt und nach § 29 BschVG durch den Bundesminister für Verkehr im Wege der Rechtsverordnung genehmigt. Nach § 21 Abs. 2 BschVG sollten die Entgelte marktgerecht sein und den wirtschaftlichen Verhältnissen der Unternehmer der Schifffahrt Rechnung tragen. Der Senat geht davon aus, daß die Höhe der Liegegelder auch nach § 32 BschG in der Fassung des Gesetzes vom 26.04.1994 und nunmehr gem. § 4 BinSchLV gemäß diesen Grundsätzen festgesetzt worden ist. Die Liegegeldsätze nach altem und neuem Recht dürften wohl auf einer Mischkalkulation unter Einbeziehung sämtlicher Betriebsformen beruhen. Die jetzige Berechnung nach Stunden ist lediglich etwas genauer als diejenige nach Kalendertagen. Der Senat sieht nach alledem keinen Anlaß, im Hinblick auf die Neuregelung des Liegegeldes durch die Lade- und Löschzeitverordnung von der jahrzehntelangen Praxis, wonach der Nutzungsverlust eines beschädigten Schiffes während der Reparaturzeit abstrakt entsprechend dem gesetzlichen Liegegeld berechnet werden kann, abzuweichen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Geschädigten bei der abstrakten Berechnung der Nutzungsentschädigung für sein Schiff nach den Liegegeldsätzen nur eine widerlegliche Vermutung im Sinne von § 252 Satz 2 BGB zugute kommt, dass während der Ausfallzeit ein entsprechender Gewinn erzielt worden wäre. Dem Schädiger steht also der Gegenbeweis offen. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, den Nachweis zu führen, dass der Verdienstausfall des Schiffers hier tatsächlich geringer als das gem. § 4 BinSchLV festgelegte Liegegeld war (vgl. Vortisch/Bemm, a.a.O., § 92 b Rn. 30; Bemm/v. Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl., Einführung, Rn. 53, Einführung Rn. 47; Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Auflage, § 252 Rn. 5). Hierzu fehlt es jedoch an jeglichem Vortrag der Beklagten, obwohl diese als Schifffahrtstreibende hätten in der Lage sein müssen, Angaben zu den Betriebskosten eines Schiffes und den zur Reparaturzeit durchschnittlich gezahlten Frachten zu machen."

ZfB 2002, September, S. 56

Der Nutzungsverlust eines beschädigten Schiffes kann auch nach der Neuregelung des Liegegeldes gemäß § 412 Abs. 3 HGB, § 4 Lade- und Löschzeitenverordnung im Wege der abstrakten Schadensberechnung nach den gesetzlichen Liegegeldsätzen berechnet werden.

(Leitsatz übernommen aus: Transportrecht Nr. 6/2002, Seite 244)

 

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschifffahrtsobergericht) Köln

vom 15.01.2002

- 3 U 144/01 Bsch -

(Vorinstanz: AG Duisburg-Ruhrort, Rheinschifffahrtsgericht, Urt. v. 11.06.2001 - 5 C 19/00 Bsch)

Stichworte: Nutzungsverlust; abstrakte Schadensrechnung; gesetzliche Liegegeldsätze.

Vorschriften: § 412 Abs. 3 HGB; § 4 BinSchLV


Anmerkung:
Die Entscheidung des Rheinschifffahrtsobergerichts Köln gibt im Hinblick auf die Berechnung der Höhe des Nutzungshaushalts Anlass zur kritischen Diskussion.
Nach Inkrafttreten der Lade- und Löschzeitenverordnung (BinSchLV) vom 23.11.1999 (BGBI. 12389) ist die Berechnung des Nutzungsverlustes für Trockenschiffe zu überdenken. Für die Trockenschifffahrt hat es in einer sehr langen Tradition, die in die Vorkriegszeit zurückgeht, einem Schifffahrts- und Handelsbrauch entsprochen, die - je nach Schiffsgröße - sehr differenzierten Liegegeldsätze in abstrakter Schadensberechnung für die Berechnung des Nutzungsverlustes zugrunde zu legen. Inzwischen hat sich die Struktur der Liegegeldberechnung durch Festlegung größerer Maßeinheiten grundlegend geändert. Die BinSchLV ermöglicht die Berechnung von Liegegeld nach angefangenen Stunden (1 bis 24), in denen der Frachtführer nach Ablauf der Lade- und Löschzeit auf die Beendigung des Ladens oder des Löschens wartet. In der Summierung ergeben sich dabei Beträge, die zur Berechnung des Schadens nicht mehr herangezogen werden können, weil sie den bei der Trockenschifffahrt nur selten vorkommenden Einsatz rund um die Uhr unterstellen.

Die moderaten Tagessätze nach den früheren Tabellen (zuletzt VO vom 25.06.1986, FTB A 101/22; VO vom 01.09.1991, FTB A 101/23) stellten in Stufen von nur 50 ts auf die Schiffsgröße ab und waren schon aus diesem Grunde geeignet, als Bemessungsgrundlage für den Nutzungsverlust herangezogen zu werden. Bei der Regelung aufgrund des Gesetzes vom 26.04.1994 (BGBI. 1 886) waren wegen der größeren Stufen erste Zweifel angebracht. Jedenfalls wurde das Liegegeld nach Tagen berechnet und entsprach damit der gängigen Betriebsform. Das neue „Standgeld" gewährt dem Frachtführer ein nach Stunden bemessenes Entgelt für die besondere Inanspruchnahme des Schiffes, wobei Tag und Nacht mit 24 Stunden zusammengezählt werden. In dieser Berechnungsform verliert das Liegegeld seinen Aussagewert für die Verdienstmöglichkeiten. Von Ausnahmen abgesehen verkehren Trockenschiffe in der Basis-Betriebsform (§ 23.05 Nr. 1 RheinSchUO - Betriebsform A1: max. 14 Stunden; § 114 Abs. 2 BinSchUO - Betriebsform A: max. 16 Stunden) und halten die vorgeschriebene Nachtruhe ein. Das Standgeld wird hingegen rund um die Uhr berechnet. Weil sich die Geschäfts- und Berechnungsgrundlagen geändert haben, besteht kein Grund, die abstrakte Schadensberechnung nach Maßgabe der neuen Liegegelder aufrechtzuerhalten. Es käme sonst wie bei einer wunderbaren Brotvermehrung schlagartig zu einer Gewinnsteigerung, die jeden Schadensfall für den Geschädigten in wirtschaftlicher Hinsicht als Glückstreffer erscheinen ließe.

Bei dem zu ersetzenden Schaden des Schiffseigners handelt es sich grundsätzlich um den entgangenen Gewinn nach § 252 BGB (Vortisch/Bemm, BinSchR, 4. Aufl., § 92 b BinSchG Rn. 30). Der Frachtführer ist freiberuflich tätiger Unternehmer. Wenn dieser einen entgangenen Gewinn geltend macht, muss er generell seinen Verdienstausfallschaden nachvollziehbar belegen, wie es beispielsweise auch einem Lkw-Frachtunternehmer zugemutet wird (OLG Köln, VersR 1980, 240; VersR 1997, 506). Dies gilt für alle Gewerbetreibenden oder Freiberufler, die mindestens die entgangenen Roherlöse abzüglich der ersparten Betriebskosten nachzuweisen haben (Palandt-Heinrichs, 61. Aufl., § 252 BGB Rn. 16; Baumgärtl/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl., § 252 BGB Rn. 21.
Auch in der Schifffahrt ist es üblich, den Nachweis zu erbringen, durch Darlegung der Frachteinnahmen für die letzten drei Monate vor dem Unfall und die ersten drei Monate nach dem Ereignis (vgl. Bemm/v. Waldstein, RheinSchPV, 3. Aufl., einf., Anm. 43). Dabei wird vermutet, dass der Geschädigte das Schiff auch während der Reparaturzeit nutzbringend hätte verwenden können (vgl. a.a.O., Anm. 53). Es ist ein geringer Aufwand, derartige Frachtenübersichten zu fertigen. Für den Ersatzpflichtigen ist es hingegen in der Regel unmöglich, den Gegenbeweis für einen geringeren Verdienstausfall zu führen. Einfahrergebnisse vergleichbarer Schiffe sind in den seltensten Fällen verfügbar. Beruft sich der Ersatzpflichtige auf die vorzulegenden Einfahrergebnisse des Geschädigten bezogen auf einen repräsentativen Zeitraum, wird dem regelmäßig entgegengehalten, dass es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handele.

Ein Lösungsansatz könnte darin liegen, dass die Gerichte künftig in vergleichbaren Fällen zumindest von der Vorschrift des § 142 Abs. 1 ZPO neuer Fassung Gebrauch machen werden. Hiernach kann das Gericht anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter in ihrem oder seinem Besitz befindliche Urkunden und sonstige Unterlagen vorlegt. Voraussetzung ist lediglich, dass sich eine Partei - dies kann seit der Änderung des § 142 ZPO durch das ZPO-RG vom 27.07.2001 auch der Prozeßgegner sein oder ein Streithelfer auf die betreffenden Unterlagen bezogen hat (vgl. hierzu Zöller/Greger, 23. Aufl., § 142 ZPO Rn. 2).

In Betracht ziehen ließe sich ferner eine modifizierte abstrakte Schadenberechnung, die von der max. Stundenzahl der jeweils maßgeblichen Basisbetriebsform nach RheinSchUO oder BinSchUO auszugehen hätte. Damit würde das von den beteiligten Schifffahrtskreisen für den Normalfall geschätzte Interesse des Schiffseigners an der Benutzbarkeit seines Schiffes angemessen zur Geltung kommen; er erhielte den Durchschnittssatz, der unter gewöhnlichen Verhältnissen mit einem solchen Schiff täglich vereinnahmt wird. Im Falle eines höheren Einnahmeausfalls müßte es in dieser Variante dem Geschädigten überlassen bleiben, den Nachweis zu erbringen, daß sein Schiff regelmäßig bzw. überwiegend in einer höheren Betriebsform mit mehr Stunden zum Einsatz kommt.

Im Ergebnis bleiben angesichts der veränderten Verhältnisse erhebliche Zweifel, ob der Auffassung des Rheinschifffahrtsobergerichts Köln gefolgt werden kann, das Liegegeld in der Trockenschifffahrt undifferenziert als Maßstab des entgangenen Gewinns heranzuziehen. Es würde nicht überraschen, wenn die beteiligten Wirtschaftskreise einschließlich der Versicherer das Festhalten an der in Rede stehenden abstrakten Schadensberechnung als nicht sachgerecht betrachteten.

G.Dütemeyer

 

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2002 - Nr.9 (Sammlung Seite 1873 f.); ZfB 2002, 1873 f.