Banque de données de juriprudence

234 Z - 14/89 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 15.01.1990
Numéro de référence: 234 Z - 14/89
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Im Erkenntnisverfahren nicht diskutierte Fragen zur Umrechnung von Fremdwährungsschulden bleiben dem Vollstreckungsverfahren überlassen. Es besteht daher auch kein Formmangel, wenn im Klageantrag kein Umrechnungskurs genannt wird.

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 15. Januar 1990

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim
vom 20. Dezember 1988 - C 102/88 RhSch -)

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin - zumindest Ausrüsterin - des Koppelverbandes "J1" und "J2". Dieser Koppelverband fuhr am 9. Juni 1986 zu Berg. In Höhe von Rheinstrom-km 390,2 (Philippsburg) fand um circa 17.30 Uhr eine Kollision statt: das ebenfalls zu Berg fahrende MS "K" fuhr in das Achterschiff von MTS "J1" hinein und beschädigte dieses.
Es ist unstreitig, dass für den entstandenen Schaden der Schiffseigner und der Schiffsführer von MS "K" Ersatz zu leisten haben. Streitig ist jedoch, wer Eigentümer und Ausrüster des MS "K" ist und welcher Betrag als Schadenersatz zu vergüten ist.

Die Klägerin hat behauptet:

Der Beklagte zu 1) sei Eigner - zumindest Ausrüster - des MS "K", welches zur Zeit des Unfalls vom Beklagten zu 2) verantwortlich geführt worden sei.

Als Schaden sei entstanden:

- Der Kaskoschaden laut kontradiktorischer Taxe in Höhe von 32’106. — hfl.
- Der Nutzungsverlust von 7’647.07 hfl. im Tag für die Dauer von 24 Tagen 183’529.68 hfl.
215’635.68 hfl.
- Die Expertisekosten in Höhe von 1’490.— DM

Dieser Schaden sei von der Gegenseite teilweise anerkannt worden: Der Kaskoschaden und die Expertisekosten seien bereits vollumfänglich bezahlt. Hingegen sei die Schadensposition des Nutzungsverlustes von der Beklagten bisher nur in Höhe von 47’426.40 DM anerkannt und bezahlt worden. Der Rest sei streitig geblieben. Es sei einzuräumen, dass zwischen der geltend gemachten Summe für Nutzungsverlust und für Kaskoschaden eine Diskrepanz bestehe ; diese erkläre sich aber dadurch, dass wegen des entstandenen Schadens an "J1" auch der Tankschubleichter "J2" nicht habe eingesetzt werden können.
 
Es haben beantragt:

Die Klägerin,

"die Beklagten gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, und zwar den Beklagten zu 1) außer dinglich mit dem MS "K" im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes auch persönlich haftend an die Klägerin 215’635.68 hfl. - evtl. den entsprechenden Betrag in Deutscher Mark nach dem am Zahlungstage gültigen Kurs - + 1’490.— DM, beide Beträge nebst 4%  Zinsen seit dem 15. April 1987 zu zahlen abzüglich eines am 18. Mai 1987 gezahlten Betrages von 77’203.62 DM."

Die Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen, der Beklagte zu 1) sei zwar früher - bis Ende 1985 - Eigentümer des MS "K" gewesen. Seit anfangs 1986 jedoch sei das Eigentum am Schiff vom Beklagten 1 auf dessen Sohn, den Beklagten 2, übergegangen. Demgemäß sei die Klage gegenüber dem Beklagten zu 1) wegen mangelnder Legitimation abzuweisen. Ein Nutzungsausfall könne nicht für die Dauer von 24 Tagen geltend gemacht werden; in Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht sei der maßgebliche Zeitraum um 3 bis 5 Tage zu reduzieren.
Der von der Klägerin verlangte Tagesansatz von je 3’823.54 hfl. für "J1" und für "J2" sei übersetzt. Als Nutzungsausfall könne höchsten ein Betrag von 80% des FTB-Satzes (DM 2’823. —), somit DM 2’258.40 pro Tag für das MTS "J1" verlangt werden. Der Schubleichter "J2" sei durch den Unfall nicht beschädigt worden; für dieses Schiff könne daher auch kein Nutzungsausfall verlangt werden.
Der Klägerin seien von der Beklagten bereits DM 47’426.40 als Ersatz für den Nutzungsausfall ausbezahlt worden, was einem Ausfall von 2’258.40 DM für 21 Tage entspreche. Damit sei der zu ersetzende Schaden vollumfänglich bezahlt worden.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Antrag der Klägerin nicht die erforderliche Bestimmtheit aufweise. Die Klägerin habe in ihrem Klagantrag die Zahlung von 215’635.68 hfl. und 1’490. — DM abzüglich 77’203.62 DM verlangt. Da ein Umrechnungskurs für den anzurechnenden DM-Betrag im Klagbegehren nicht angegeben sei, bleibe unklar, welchen Restbetrag in niederländischen Gulden die Klägerin noch ersetzt haben wolle. Ein derart unbestimmter Antrag sei unzulässig. Die Klage sei auch aus einem weiteren Grund unbegründet: Die Klägerin habe in ihrer Klage den behaupteten Schaden aus Nutzungsverlust als Fremdwährungsanspruch in niederländischen Gulden geltend gemacht. Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre handle es sich bei Schadensersatzansprüchen aber nicht um Fremdwährungsansprüche, sondern um Ansprüche, die nur in inländischer Währung, somit in Deutscher Mark, entstehen und eingeklagt werden könnten.
Die Klägerin hat Berufung eingelegt.
 
In der Berufungsbegründung wird geltend gemacht, die Formulierung des Klagantrags entspreche dem in Rheinschifffahrts-Prozessen üblichen. Die niederländische Klägerin habe einen Schaden erlitten, der in niederländischer Währung entstanden sei. Dies gelte sowohl für die Reparaturkosten, die aufgrund der Rechnung der niederländischen Werft entstanden seien, als auch für den Nutzungsausfall, welcher aufgrund der in niederländischer Währung geführten Buchhaltung der Klägerin zu errechnen sei. Die Klägerin habe daher zu Recht einen Guldenbetrag eingeklagt, allerdings mit der Möglichkeit für die beklagte Partei, zu gegebener Zeit auch den entsprechenden Betrag in Deutscher Mark nach dem am Zahlungstage gültigen Kurs zu zahlen. Damit sei eine richtige und praktikable Erledigung des Prozesses in die Wege geleitet worden: Die Überprüfung und Beurteilung der Klagforderung im Prozessverfahren in der maßgeblichen niederländischen Währung und die nach dem Urteil am Zahlungstage vorzunehmende einmalige Umrechnung des Urteilsbetrages in Deutsche Mark mit Berücksichtigung des bereits früher bezahlten Betrages. Dieses Vorgehen der Klägerin und insbesondere ihre Formulierung des Klagantrages seien von der Beklagten im Prozess auch in keiner Weise beanstandet worden.

Die Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Anträgen der Berufungsklägerin zu erkennen.

Die Berufungsbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Ansicht mangelt es dem in der Klage gestellten Antrag an Bestimmtheit, weil ein Umrechnungskurs für die anzurechnende DM-Zahlung nicht angegeben sei. Die Berufungsbeklagten bezeichnen es als unverständlich, dass die Klägerin ihren von Anfang an zuwenig bestimmten Antrag im Verfahren vor dem Rheinschifffahrtsgericht und selbst noch im Berufungsverfahren nicht richtig gestellt habe. Im Übrigen sei die Klage aus den im Verfahren vor erster Instanz vorgebrachten und in der Berufungsantwort erneut dargelegten Gründen (wegen mangelnder Legitimation des Beklagten zu 1) und wegen mangelnden Nachweises eines den bezahlten Betrag übersteigenden Schadens) abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat aus folgenden Gründen Erfolg.
Der Vorinstanz ist an sich beizupflichten, dass Geldforderungen in einem Klagantrag zu beziffern sind. Eine derartige Bezifferung ist jedoch im vorliegenden Fall durchaus vorgenommen worden: Im Klagantrag wird eine genau bezifferte Forderung in niederländischen Gulden geltend gemacht und es wird die Berücksichtigung einer erfolgten und genau bezifferten Teilzahlung in Deutscher Mark verlangt.
 
Das Rheinschifffahrtsgericht meint nun allerdings, es gehe nicht an, in einem Gerichtsurteil eine Urteilssumme in niederländischen Gulden mit Anrechnung einer Teilzahlung in Deutscher Mark festzulegen, wenn der Umrechnungskurs für die Teilzahlung nicht genau angegeben sei. Die Vorinstanz ist der Meinung, ein solches Urteil verstösse gegen das Gebot, dass "die Grenzen der Rechtskraft" klar zu erkennen seien und dass "in der Zwangsvollstreckung der zu vollstreckende Betrag klar" sein müsse. Diese Überlegungen leuchten nicht ein. Bei der urteilsmäßigen Festsetzung von Fremdwährungsschulden verbleiben nämlich in fast allen Fällen gewisse Unklarheiten. So ist es nach deutscher Lehre und Praxis nicht einmal nötig, die Ersetzungsbefugnis (d.h. die Befugnis des Schuldners, die Fremdwährungsschuld in Heimwährung zu bezahlen) im Erkenntnisverfahren zu prüfen. Anderes gilt nur, wenn diese Frage von den Parteien zu einem Streitpunkt im Prozess gemacht worden ist (vgl. Staudinger - Karsten Schmidt, 12. Auflage, Anmerkung 108 zu § 244 BGB). Aber auch bei der Erwähnung dieser Befugnis im Urteil können Unklarheiten weiter bestehen, die den Zeitpunkt (Fälligkeit?, Zahlung?), den Ort (Wohnsitz des Schuldners?, des Gläubigers?) oder die Berechnungsart (welchen Kurs?) der Umrechnung betreffen können. Solche Fragen dürfen und sollen - soweit sie von den Parteien im Prozess nicht diskutiert werden - im Urteil offen bleiben. "De minimis non curat praetor". Es geht daher auch nicht an, der Klagpartei einen Formmangel anzulasten, wenn sie in ihrem Antrag die Ersetzungsbefugnis für eine bereits geleistete Teilzahlung anerkennt, ohne den hierfür maßgeblichen Kurs anzugeben und wenn diese Frage von der Gegenpartei im Verfahren überhaupt nicht diskutiert wird. Allfällige später auftauchende Fragen zur Umrechnung können und sollen dem Vollstreckungs¬verfahren überlassen bleiben, das - jedenfalls in Deutschland - hierfür ein geeignetes Verfahren zur Verfügung stellt (Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 20. Auflage, 1986, Rdnr. 162 vor § 704).
Auch der Eventualbegründung des Rheinschifffahrtsgerichts kann nicht gefolgt werden. Dabei kann zur Zeit noch offen gelassen werden, ob die von der Vorinstanz als herrschend bezeichnete Meinung richtig ist, wonach Schadenersatzforderungen stets als Heimwährungsansprüche zu behandeln sind (in Rheinschifffahrtssachen kann diese Meinung jedenfalls nicht als die Übliche bezeichnet werden ; vgl. zum Beispiel das Urteil der Berufungs-kammer in der Sache 160 Z - 3/84 vom 22. März 1984 Verenigung "Oranje" Onderlinge Verzekering van Schepen - Fluwemare Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co., Reederei KG). Denn selbst unter der Annahme eines Heimwährungs¬anspruches hätte von der Vorinstanz berücksichtigt werden müssen, dass das Klagbegehren auf"....evtl. den entsprechenden Betrag in Deutscher Mark ..." gerichtet ist. Das Rheinschiffahrtsgericht hatte keinen Grund, diesen Eventualantrag einfach unberücksichtigt zu lassen, auch wenn der Rechtsvertreter der Berufungsklägerin in der Berufungsbegründung die Meinung vertritt, es habe damit lediglich auf die Möglichkeit des Schuldners, gemäß § 244 BGB in Deutscher Mark zu bezahlen, hingewiesen werden sollen. Die Gerichte haben sich bei der Auslegung derartiger Klagbegehren großzügig zu verhalten, wie dies auch der bisherigen deutschen Praxis entspricht (vgl. Staudinger - Karsten Schmidt, Anmerkung 106 zu § 244 BGB).
Die obigen Überlegungen führen zur grundsätzlichen Gutheißung der Berufung. Das Rheinschifffahrtsgericht hat zu Unrecht die Klage aus rein formellen Gründen abgewiesen; die zwischen den Parteien bestehenden Streitfragen sind vielmehr materiell zu prüfen. Da sich die Vorinstanz mit diesen Fragen noch gar nicht befasst hat, rechtfertigt es sich, in Ausübung der in Artikel 24 Abs. 3 der Verfahrensordnung vorgesehenen Wahlmöglichkeit die Sache ohne materielles Urteil der Berufungskammer an die Vorinstanz zur Beurteilung zurückzuweisen.
 
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichtes Mannheim vom 20. Dezember 1988 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Rheinschifffahrtsgericht zurückgewiesen.

2. Die Festsetzung der Kosten erfolgt gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte durch das Rheinschifffahrtsgericht Mannheim.