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224 Z - 4/89 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 20.03.1989
Numéro de référence: 224 Z - 4/89
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Zur Würdigung von Aussagen bei Begegnungskollisionen im Bereich der vorgeschriebenen geregelten Begegnung.

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt


Urteil

vom 20. März 1989

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 22. März 1988 - 5 C 62/87 BSch -)

Tatbestand:

Am 2.10.1986 befand sich das bei der Klägerin versicherte Motorschiff  "T" im Raume Götterswickerhamm des Rheines auf Talfahrt. Ihm kam eine Schiffseinheit entgegen, die aus dem Motorschiff "G" der Beklagten und dem vorgespannten Leichter "E" bestand. Es herrschte nebliges Wetter mit entsprechend schlechter Sicht. Bei der Begegnung stießen die genannten Schiffe zusammen, wobei an beiden erheblicher Schaden entstand.
Jede Partei wirft der anderen vor, ihr Schiff habe seinen Kurs in den das anderen hinein verlegt und dadurch den Unfall herbeigeführt. Jede Partei behauptet weiter, ihr Schiff habe über Sprechfunk auf sich und seinen Kurs aufmerksam gemacht und sich erfolglos bemüht, den entgegenkommenden Schiffe auszuweichen.
Die Klägerin hat den auf MS "T" entstandenen Schaden ersetzt und verlangt nun Ersatz von der Beklagten, die ihren Verband nach dem Unfall auf neue Reisen geschickt hat.

Es haben beantragt,

1. Die Klägerin,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 340.438,91 hfl. bzw. den Gegenwert in DM im Umrechnungskurs am Zahlungstage nebst 4% Zinsen von 255.886,29 hfl. und 8% Zinsen von 84.552,52 hfl. jeweils ab 15.4.1987 zu bezahlen und auszusprechen, dass die Beklagte sowohl dinglich mit dem MS "G" als auch persönlich im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes hafte.

2. Die Beklagte,

die Klage abzuweisen.
 
Das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort hat die Akten des aus Anlass des Unfalls entstandenen Verklarungsverfahrens 5 II 10/86 und die aus dem gleichen Anlass entstandenen Ermittlungsakten beigezogen und sodann die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Nach seiner Ansicht werden die Aussagen der Besatzung des Schiffes der Klägerin über die Ursache des Unfalles in einem wesentlichen Punkte durch die Aussagen neutraler Zeugen bestätigt. Diese hätten erklärt, das Schiff der Klägerin habe sich vor dem Zusammenstoss wiederholt über Sprechfunk gemeldet und das Schiff der Beklagten aufgefordert, Steuerbordkurs zu halten, weil man selbst mit Rücksicht auf die Fahrwasserbegrenzungstonnen nicht weiter nach Steuerbord ausweichen könne. Dagegen habe sich das Schiff der Beklagten nicht über Sprechfunk gemeldet. Diese Bestätigung gebe den Aussagen der Besatzung des Schiffes der Klägerin über die Ursache des Unfalles so viel Gewicht, dass das Gericht sie zur Grundlage seiner Entscheidung mache.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt.
Die Parteien wiederholen und ergänzen ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszuge und nehmen zu den Darlegungen des Rheinschifffahrtsgerichts Stellung.

Es beantragen:

Die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

ie Klägerin,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist formell nicht zu beanstanden.

In der Sache hat sie aber keinen Erfolg.

Im Einzelnen hat die Berufungskammer erwogen:

1. Die Ereignisse, die zum umstrittenen Unfall geführt haben, sind im Verklarungsverfahren 5 II 10/86 nur von Mitgliedern der Besatzungen der beteiligten Schiffe geschildert worden. Weitere Personen haben sie nicht gesehen. Die Aussagen der Besatzungsmitglieder sind miteinander unvereinbar. Jede Besatzung schildert die Ereignisse wie folgt. Das andere Schiff oder der andere Schiffsverband habe seinen Kurs in den des eigenen Schiffes bzw. Verbandes verlegt. Die Aussagen weichen nur insoweit von einander ab, als nach den Bekundungen der Besatzung von "T" die Kursverlegung der Schubeinheit über einen gewissen Zeitraum hinweg erfolgt sein soll, während deren Besatzung von einer plötzlichen Kursverlegung des MS "T" gesprochen hat. Unvereinbar sind auch die Aussagen über den Funkverkehr vor dem Unfall. Jede Einheit will sich über Sprechfunk gemeldet, ihre Position und ihren Kurs genannt haben. Auf "T" hat man solche Durchsagen der Schubeinheit nicht gehört. Deren Schiffsführer Ga. hat nur gleichzeitig mit der von ihm behaupteten plötzlichen Kursveränderung von "T" dessen Durchsage gehört: "Ich bin ein Talfahrer, Backbord an Backbord".
 
2. In sich enthalten diese Aussagen keine zureichenden Elemente, die es rechtfertigten, einer Gruppe von ihnen vor der anderen den Vorzug zu geben.
Eine solche Folgerung kann aber aus den Aussagen einer ganzen Gruppe von Zeugen gezogen werden, die den Sprechfunkverkehr vor dem Unfall betreffen. Alle diese Zeugen - Ehepaar K., Ta., S., Ehepaar V. sind Besatzungsmitglieder von am Unfall nicht beteiligten Schiffen. Sie sind deshalb neutral, sodass von ihren Aussagen erwartet werden können, die objektiv und subjektiv richtig sind. Für die objektive Richtigkeit spricht insbesondere, dass die Aussagen völlig übereinstimmen, wenn man Formulierungsunterschiede außer Betracht lässt. Ihr Inhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen. Die zu Berg fahrende Schubeinheit hat sich überhaupt nicht über Sprechfunk gemeldet. Das MS "T" dagegen hat wiederholt darauf hingewiesen, es könne dem Bergfahrer nicht weiter nach Steuerbord ausweichen, weil es schon in der Nähe der roten Fahrwasserbegrenzungstonnen fahre. Der Bergfahrer müsse Kurs nach Steuerbord nehmen. Auf alle diese Durchsagen hat die Besatzung der Schubeinheit nicht geantwortet, obwohl sie nach den Aussagen der genannten Zeugen teilweise "in Panik" erfolgten.

3. Sind diese Aussagen richtig, woraus die Berufungskammer aus den unter Ziffer 2 dargelegten Gründen nicht zweifelt, so spiegeln sie der Ereignisse vor dem Unfall so, dass dieser nur dem Bergfahrer zur Last gelegt werden kann. Es steht dann fest, dass das zu Tal fahrende MS "T" die Fahrwasserbegrenzungstonnen des rechtsrheinischen Ufers hart anhielt, und zwar bis zur Kollision. In diesen Kurs muss die zu Berg fahrende Schubeinheit gefahren sein. Die Beklagte versucht vergebens, eine solche Schlussfolgerung durch den Hinweis darauf unmöglich zu machen, die Zeugen hätten nur die Sprechfunkdurchsagen als solche bestätigt. Sie könnten aber nicht bestätigen, dass die Angaben des Talfahrers über seinen Kurs und seine Positionen auch richtig gewesen seien, da sie die Ereignisse nicht gesehen hätten. Die Annahme, der Talfahrer habe seinen Kurs und seine Positionen über Sprechfunk bewusst falsch angegeben, wäre widersinnig, denn für sie fehlt jeder Anhalt.
Hätte der Schiffsführer von "T" gelogen, so hätte er sich nach den Zeugenaussagen bis zur Vortäuschung einer Panik verstellt, eine Annahme, die fern liegt. Außerdem war es der Sinn der Kursdurchsage, den Entgegenkommer zu veranlassen, seinen eigenen Kurs darauf abzustellen.
Dieses Ziel wäre durch eine falsche Kursdurchsage verfehlt worden.
Die Annahme, der Betroffene habe durch eine falsche Kursangabe seine von ihm vorausgesehene Schuld an einer kommenden Kollision verdecken wollen, ist so fernliegend, um nicht zu sagen unmöglich, dass sie nur zurückgewiesen werden kann. Für die weitere Ansicht der Beklagten, das Schiff der Klägerin wäre, wenn die Sprechfunkdurchsage über seinen Kurs richtig gewesen wäre, unter der Wucht des Zusammenstosses mit seiner ganzen Länge auf die rechtsrheinische Uferböschung gedrückt worden und nicht aus eigener Kraft wieder frei geworden, spricht nichts.

4. Eine Mitschuld des Schiffes der Klägerin an dem Unfall ist nicht zu sehen. Sie liegt vor allem nicht darin, dass das Schiff seinen Kurs unverändert beibehalten hat, obschon derjenige des Bergfahrers auf ihn zuführte. Die Führung des Schiffes der Klägerin dürfte bis zum letzten Augenblick darauf vertrauen, die Einheit der Beklagten werde es sehen, seine Durchsagen hören und dann ihren Kurs entsprechend korrigieren. Dieses Vertrauen verbot sogar die Verlegung des eigenen Kurses nach Backbord, da das Schiff der Klägerin auch dann in den Kurs der Einheit der Beklagten, wenn dieser wie notwendig nach Steuerbord verlegt wurde, hineingefahren wäre.

Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 22.3.1988 wird zurückgewiesen. Das genannte Urteil wird bestätigt.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Deren Festsetzung gemäß Artikel 37 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.
 

Der Stellvertretende Gerichtskanzler
 
Der Vorsitzende

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1990 - Nr.5 (Sammlung Seite 1296 f.); ZfB 1990, 1296