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V Ns 36b Js 503/79 - Landgericht (Große Strafkammer)
Decision Date: 02.11.1983
File Reference: V Ns 36b Js 503/79
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Landgericht Duisburg
Department: Große Strafkammer

Leitsatz:

Zu den Voraussetzungen der Strafbarkeit eines Subventionsbetruges und der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung zwecks Erlangung einer Abwrackprämie.

Urteil des Landgerichts Duisburg

vom 2. November 1983

Zum Sachverhalt:

Dem Angeklagten X. wurde zur Last gelegt, mit dem früheren Mitangeklagten Y. einen Subventionsbetrug und tateinheitlich eine schwere mittelbare Falschbeurkundung begangen zu haben. Das gegen Y. eingeleitete Strafverfahren ist inzwischen eingestellt worden. Der Angeklagte X. wurde vom Amtsgericht - Schöffengericht - im Urteil vom 13. Juli 1981 freigesprochen, dagegen im Berufungsverfahren vom Landgericht - XVIII. große Strafkammer/Wirtschaftskammer - durch Urteil vom 10. Mai 1982 unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils wegen Anstiftung zur falschen Versicherung an Eides Statt zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen ä 100,- DM, verurteilt. Die Strafbarkeit wegen Subventionsbetruges wurde auch von der Strafkammer des Landgerichts verneint. Auf Revision des Angeklagten hat das Oberlandesgericht mit Urteil vom 11. November 1982 das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die V. Strafkammer des Landgerichts hat mit Urteil vom 2. November 1983 die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 13. Juli 1981 verworfen und sämtliche Kosten der Staatskasse auferlegt, im Ergebnis also erneut auf Freispruch erkannt.
Nach den im Urteil getroffenen Feststellungen leitete der nicht vorbestrafte Angeklagte X. die väterliche Schiffswerft mit Generalvollmacht seines Vaters. Ihm zur Seite stand der ursprünglich mitangeklagte Y. als technischer Leiter. Im Jahre 1979 wurde das Tankmotorschiff „A" des Eigners E. auf der Werft des X. in 2 Teile geteilt. Das Hinterschiff wurde für 80000,- DM an den Eigner S. des MS „B" verkauft und an dessen Vorderschiff angebaut. Das Vorderschiff des bisherigen TMS „A" und das Hinterschiff von MS „B" fanden keine Verwendung mehr.
Auf Anweisung des Angeklagten X. stellte Y am 23. August 1979 namens der Werft eine Abwrackbescheinigung folgenden Wortlauts aus:

„Hiermit versichern wir an Eides Statt, dass das TMS „A" ...... auf unserer Werft in der Zeit vom 16. 7. 79 bis zum 3. B. 79 in allen seinen Teilen verschrottet worden ist. Diese Bescheinigung gilt zur Erlangung der Abwrackprämie."
Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion verweigerte der Volksbank, der die von E. bzw. dessen Ehefrau beantragte Abwrackprämie abgetreten war, die Auszahlung, weil das Hinterschiff des TMS „A" nicht verschrottet, sondern zum Umbau des MS „B" verwendet worden sei. Die Ehefrau des 1980 verstorbenen Schiffseigners E. hat beim Verwaltungsgericht auf Zahlung der Prämie geklagt. Die Klage wurde in 1. Instanz abgewiesen; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Unter Berücksichtigung der getroffenen Feststellungen hat das Landgericht in seinem Urteil vom 2. November 1983 die Strafbarkeit des Angeklagten des ihm vorgeworfenen Subventionsbetruges und der Anstiftung zur Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt verneint.
Die gegen dieses Urteil des Landgerichts von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision wurde inzwischen zurückgenommen, so dass das freisprechende Urteil des Landgerichts rechtskräftig ist.

Aus den Gründen:
„...

1. Es ist schon fraglich, ob die Tatsache, ob das Hinterschiff komplett weiterverwendet oder wie das Vorderschiff in seine Einzelteile zerlegt wurde oder nicht, zum Zeitpunkt der Ausstellung der Abwrackbescheinigung vom 23. August 1979 subventionserheblich im Sinne des § 264 Abs. 1 StGB war. Die Schifffahrtsbehörde machte damals die Prämiengewährung jedenfalls nicht davon abhängig, sondern zahlte die Prämie auch, wenn ihr ausdrücklich mitgeteilt wurde, dass das Hinterschiff zum Umbau eines anderen Schiffes weiterverwendet wurde, wie der Zeuge H. bekundet hat.
Streitig wurde die Prämiengewährung hinsichtlich der Weiterverwendung von gebrauchten Hinterschiffen beim Aufbau neuer Schiffe (Verbindung mit neu erstelltem Vorderschiff), aber auch für diesen Fall gerichtlich zu Gunsten des die Abwrackprämie beantragenden Schiffseigners entschieden.
Diese Übung war auch allgemein bekannt, wie der Zeuge E. bestätigt hat, der bekundete, auf seine Anfrage hinsichtlich der geplanten Abwrackung des TMS „A" sei ihm beim Wasser- und Schifffahrtsamt in Duisburg-Homberg gesagt worden, es käme für die Abwrackprämie nur darauf an, dass Laderaum vom Binnenschiffsmarkt verschwinde; es sei gleichgültig, was mit dem Achterschiff oder mit dem Motor geschehe.
Der Angeklagte hat sich unwiderlegt dahin eingelassen, er habe lediglich gewusst, dass es Abwrackprämien gab, um unwirtschaftlichen Frachtraum zu vernichten und dass eine Abwrackbescheinigung auf den Schiffseigner ausgestellt und bei der Schifffahrtsbehörde vorgelegt werden musste; auch habe er den Inhalt der Bescheinigung für richtig erachtet, weil das TMS „A" vollständig vernichtet worden sei.
Angesichts der festgestellten damaligen allgemeinen Übung bei der Prämiengewährung kann daher beim Angeklagten X. jedenfalls nicht der erforderliche Vorsatz im Sinne des § 264 StGB festgestellt werden, der eingeschlossen haben müsste, dass der Wortlaut der Abwrackbescheinigung hinsichtlich der Verwendung des Hinterschiffs für die Subventionsgewährung erheblich sei. Denn dass er es überhaupt sein könnte, ergab sich aus der allgemein bekannten damaligen Übung gerade nicht. Eine Verurteilung wegen Subventionsbetruges gemäß § 264 StGB kommt daher nicht in Betracht.
2. Eine Strafbarkeit des Angeklagten X. wegen Anstiftung zur Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt gemäß §§ 156, 26 StGB würde voraussetzen, dass die von Y abgegebene Erklärung, das TMS „A" sei „in allen seinen Teilen verschrottet worden" falsch wäre, und Y. und X. sich dessen bewusst gewesen wären. Bereits dies kann aber nach Ansicht der Kammer nicht festgestellt werden.
Der Große Brockhaus (16. Auflage, Wiesbaden 1957) definiert das Wort „verschrotten" als „das Zerschlagen von Metallgerät zu Schrott" und das Wort „Schrott" als „unbrauchbare metallische Gegenstände und Abfälle" und das Wort „Altmetall Schrott" als „unbrauchbar gewordene, meist zerstückelte Erzeugnisse der metallverarbeitenden Industrie, wie Geschirre, Maschinen- und Apparateteile, Rohre, auch unreine Späne, Schleifstaub, metallhaltige Schlacke usw."
Schon nach dieser Definition kann man zu der Auffassung gelangen, dass die zitierte Erklärung in der Abwrackbescheinigung zutrifft. Denn das TMS „A" ist „zerschlagen" worden, es existiert nicht mehr. Es ist auch zu „Schrott" im Sinne der Brockhausdefinition zerschlagen worden. Denn sein größter und wichtigster Bestandteil, das Vorderschiff, ist völlig zerstückelt worden und das Hinterschiff abgetrennt und ein - für sich allein gesehen - so unbrauchbarer Gegenstand.
Selbst wenn man aber das Hinterschiff, das nicht weiter zerstückelt wurde, nach dieser Definition nicht als „unbrauchbar" ansehen würde, weil es - so wie es war - durch Verbindung mit einem anderen Vorderschiff wieder seiner alten Bestimmung gemäß eingesetzt werden konnte, ist nach Ansicht der Kammer die Erklärung in der Abwrackbescheinigung gleichwohl nicht falsch im Sinne des § 156 StGB. Denn im allgemeinen Sprachgebrauch, der sich durch die jedermann bekannte übliche abschließende Verwertung von Automobilen entwickelt hat, schließt das Wort „verschrotten" nicht aus, dass Einzelteile (wie z. B. Kotflügel, Stoßstange etc.) oder Teilgefüge (wie z. B. komplette Türen, Chassis usw.) ausgebaut und zur Reparatur eines anderen Fahrzeugs benutzt werden. Selbst wenn ein Auto nicht in allen Teilen unbrauchbar gemacht, z. B. zusammengepresst, sondern in wesentlichen Teilen „ausgeschlachtet" wird, spricht der normale Bürger von „verschrotten". Dieses Wort ist demnach im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch letztlich nunmehr ein Synonym für die Vernichtung eines im wesentlichen aus Metall bestehenden zusammengesetzten Gegenstandes in dem Sinne, dass dieses Gesamtgefüge zerstört wird - ohne Rücksicht darauf, ob auch alle Einzelteile unbrauchbar gemacht werden oder Einzelteile und Teilgefüge in anderer Verbindung weiter benutzt werden.
Dieser Sprachgebrauch ist nach Auffassung der Kammer dem Angeklagten zugute zu halten. Gerade im Bereich der Schifffahrt, insbesondere bei der Verwertung alter Schiffe, spielen sich im Wesentlichen die gleichen Vorgänge wie in der Automobilverwertung ab. Vom Angeklagten, für den die Ausstellung einer Abwrackbescheinigung nur ein unwesentliches Beiwerk seiner Schiffsreparaturarbeit war, ist deshalb bei der Wahl seiner Worte nicht mehr zu verlangen als von jedem vernünftigen, sprachlich nicht besonders geschulten Bürger. Letzterer aber fasst unter „Verschrottung" eine die Existenz eines zusammengesetzten Gegenstandes beendende Unbrauchbarmachung auch bei Weiterverwendung von Einzelteilen oder Teilgefügen.
Gerade eine solche Unbrauchbarmachung des TMS „A" lag hier vor. Der Hauptteil des Tankmotorschiffs war nicht nur nach seiner Größe, sondern auch nach seinem Wert das Vorderschiff mit seinen Laderäumen und -vorrichtungen. Das kleine Hinterschiff mit dem Maschinenraum und der Wohnung war insgesamt kaum mehr wert als der darin befindliche Motor, auf den es dem Kunden S. ankam. Das Hinterschiff stellte also lediglich ein untergeordnetes Teilgefüge des gesamten TMS „A" dar.
Nach alledem ist nach allgemeinem Sprachgebrauch die Abwrackbescheinigung nicht falsch. Der Angeklagte war daher freizusprechen.
....“