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85 P - 8/78 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 31.05.1978
File Reference: 85 P - 8/78
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 31. Mai 1978

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vorn 18.8.1977 - 5 OWi 215/77 - )

Die Berufungskammer hat erwogen:

I.

Die Berufung des Betroffenen gegen das ihm bisher noch nicht zugestellte Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 18.8.1978 ist form- und fristgerecht eingelegt. Durch persönliche Anwesenheit des Betroffenen bei der Verkündung des Urteils in der Hauptverhandlung am 18.8.1978 ist die Berufungsfrist noch nicht in Lauf gesetzt worden, da nach Art. 37 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte diese Frist erst mit der Insinuation des Urteils, also mit dessen Zustellung, beginnt. Die eingelegte Berufung ist somit zulässig.

II.

Die Berufungskammer vermochte nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit festzustellen, dass der Betroffene schuldhaft eine Anweisung, die ihm von der Wasserschutzpolizei zum Aufdrehen oberhalb einer Nebelbank gegeben worden war, missachtet und in Verletzung seiner allgemeinen Sorgfaltspflicht die Fahrt bis in den unmittelbaren Bereich der Nebelwand fortgesetzt hat. Der in der Hauptverhandlung als Zeugen gehörte Polizeibeamte M. von der Wasserschutzpolizei-Station Düsseldorf hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass der Betroffene mit seinem leeren Motorschiff gerade ein Überholmanöver ausführte, als ihm die Anweisung zum Aufdrehen mittels Lautsprecher zugerufen wurde. Nach Meinung des Zeugen M. hätte der Betroffene von seinem Überholmanöver nicht mehr Abstand nehmen können; allerdings hätte er nach Beendigung der Überholung seine Fahrstufe verringern können. Der zweite als Zeuge vernommene Polizeibeamte (Polizeihaupt Wachtmeister Me.) hatte an den Vorfall keine konkrete Erinnerung sehr und vermochte nur die allgemeine Vermutung auszusprechen, dass man dem Betroffenen die Anweisung zum Aufdrehen sicherlich nicht gegeben hätte, wenn dieser nicht in der Lage gewesen wäre, dieser Aufforderung nachzukommen. Da nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts die polizeiliche Anweisung zum Aufdrehen dem Betroffenen etwa 800 m oberhalb der Nebelwand gegeben wurde und aufgrund  der Aussage des Zeugen M. davon auszugehen ist, dass zu diesem Zeitpunkt der Betroffene gerade dabei  war,  ein anderes Schiff  zu überholen,  erscheint  es  zweifelhaft, ob  der Betroffene ohne Gefährdung  in der  Lage war,  früher,  als von  ihm vorgenommen, ein Aufdrehmanöver auszuführen.  Der  Betroffene musste nicht  nur  die begonnene Überholung  beenden,  was  erfahrungsgemäß eine Strecke von mehreren Schiffslängen  in Anspruch  nahm,  sondern durfte auch ohne  Schuldvorwurf noch durch unverminderten Fahrt  eine  gewisse  Sicherheitsdistanz  zwischen  seinem Schiff und  dem gerade überholten Fahrzeug  schaffen,  um ohne dieses  zu beeinträchtigen,  sein Drehmanöver ausführen zu können.  Berücksichtigt man,  dass  einschließlich des  für  das  eigene Drehmanöver  in Anspruch  genommenen Raumes insgesamt  nur eine  Strecke von 800 m bis  zur Nebelwand  zur  Verfügung  stand, so kann hieraus nicht  zwingend  auf ein schuldhaftes Verhalten des Betroffenen geschlossen werden. Da er  unwiderlegt vorbrachte,  dass  im Augenblick der  Lautsprecherdurchsage die  Nebelwand  für  ihn  noch nicht  sichtbar war, durfte  er ohne  Schuldvorwurf  solange  in Fahrt bleiben,  bis  er der polizeilichen Anweisung ohne Gefahr  nachkommen konnte.  Dass  er hierbei  in Missachtung der polizeilichen Weisung  und unter Außerachtlassung  seiner Sorgfaltspflicht  gehandelt  hat,  ist  in der Hauptverhandlung  nicht  ausreichend bewiesen worden. Soweit der Betroffene  somit wegen  einer Zuwiderhandlung  gegen §§  1.04  und  1.19 RhSchiffpolVO verurteilt wurde,  kann diese Verurteilung nach dem Grundsatz,  dass  im Zweifelsfalle  zugunsten des Betroffenen zu entscheiden  ist,  nicht aufrechterhalten werden.  Dagegen besteht die Verurteilung  zurecht,  soweit diese wegen eines  Verstoßes gegen §  1.08 RhSchiffPolVO erfolgte,  da der Betroffene  in  der Hauptverhandlung  selbst einräumte,  dass an der  im Schiffsattest vorgeschriebenen Mindestbemannung  ein Matrose  gefehlt hat.

Es war deshalb unter Bezugnahme auf die Kostenbestimmungen des § 46 des deutschen Ordnungswidrigkeitengesetzes in Verbindung mit §§ 465, 467 der deutschen Strafprozessordnung  für Recht  zu erkennen:

Auf die Berufung  des Betroffenen wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 18.08.1977 wie folgt abgeändert:

Der Betroffene wird wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §  1,08 RhSchiffPolVO zu einer Geldbusse von DM 100,-  (Einhundert)  verurteilt.

Im Übrigen wird der Betroffene freigesprochen.

Soweit  der  Betroffene verurteilt wurde, fallen  ihm die Kosten des Verfahrens einschließlich des Berufungsverfahrens  zur  Last.  Soweit  Freispruch erfolgte,  bleibt  er ohne Kosten und  sind  ihm  seine notwendigen Auslagen  zu ersetzen.  Die Kostenfestsetzung  unter Beachtung  des Artikels  39  der Revidierten Rheinschifffahrtsakte wird  vom Rheinschifffahrtsgericht  Duisburg-Ruhrort  vorgenommen.

Der Stellvertretende Gerichtskanzler:            Der Vorsitzende:
 
(gez.)  A. BOUR                           (gez.)  L.  SPECHT