Decision Database

8 K 2830/74 - Verwaltungsgericht (-)
Decision Date: 04.12.1975
File Reference: 8 K 2830/74
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Verwaltungsgericht Düsseldorf
Department: -

Leitsätze:

1) Für den Beginn der 3jährigen Karenzzeit des Reinvestitionsverbotes gemäß § 32 b BSchVG ist nicht der Prämien- oder Vorbescheid, sondern nur der Tag der Auszahlung bzw. der Auszahlungsanordnung entscheidend.

2) Das Reinvestitionsverbot findet Anwendung, auch wenn zwischen Prämienempfang und Neuerwerb eines Schiffes kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Es gilt ferner für die gesamte Binnenschiffahrt, also nicht nur für die Partikulierschiffahrt, und trotz § 42 BSchVG selbst dann, wenn sämtliche Schiffe einer Reederei ausschließlich im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt sind.

Urteil des Verwaltungsgericht Düsseldorf

vom 4. Dezember 1975

(rechtskräftig)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin hatte im Jahre 1972 eine Reihe von Abwrackprämien erhalten. Nachdem die zuständige Wasser- und Schiffahrtsdirektion erfahren hatte, dass die Klägerin etwa in der gleichen Zeit 1 Schubboot und mehrere Schubleichter gebaut hatte, forderte sie durch einen Bescheid unter Berufung auf § 32 b BSchVG die Rückzahlung der gesamten Abwrackprämien von etwa 350 000,- DM. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der jedoch zurückgewiesen wurde. Erst im Laufe des Beweisverfahrens der daraufhin von der Klägerin angestrengten verwaltungsgerichtlichen Klage stellte sich heraus, dass nur 3 Schubleichter innerhalb der 3-jährigen Karenzzeit nach Auszahlung der ersten Prämie, das Schubboot und die anderen Schubleichter dagegen schon vor diesem Zeitpunkt gebaut worden waren. Unter Berücksichtigung des Anschaffungswertes der 3 Schubleichter wurde daher der Rückforderungsbetrag von der WSD auf 93 750,- DM reduziert.

Die Klägerin verlangt mit der Klage Aufhebung auch dieses Bescheides. Die Abwrackprämien seien nicht für den Neuerwerb von Schiffen eingesetzt, sondern an die Muttergesellschaft der Klägerin als außerordentlicher Ertrag abgeführt worden. Es fehle daher die Unmittelbarkeit zwischen Empfang der Prämien und dem Erwerb der Schiffe, die aufgrund viel früherer, langfristiger Investitionspläne gebaut worden seien. § 32 b BSchVG erfordere diese enge restriktive Auslegung, da sonst die freie Berufsausübung der Binnenschifffahrt im Sinne des Art. 12 GG beeinträchtigt werde. Die Bestimmungen der §§ 32 a und 32 b BSchVG seien nach der Absicht des Gesetzgebers offensichtlich nur auf Partikuliere zugeschnitten, die aus dem Beruf ausscheiden wollten. Eine weite Auslegung des Gesetzes würde praktisch zu einem Investitionsverbot führen und die Wettbewerbstätigkeit in verfassungswidriger Weise einengen, zumal bei weiter Auslegung erhebliche Umgehungsmöglichkeiten geboten würden. Schließlich gelte das Reinvestitionsverbot im vorliegenden Fall deshalb nicht, weil alle hier fraglichen Schiffe nur im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt würden, auf den das Gesetz gemäß § 42 BSchVG aber keine Anwendung finde.

Die beklagte Bundesrepublik beantragt Abweisung der Klage und greift in erster Linie die Rechtsausführungen der Klägerin, u. a. bezüglich der Unmittelbarkeit zwischen Prämienempfang und Verwendung des erhaltenen Geldes zum Neuerwerb eines Schiffes an. Das Verbot des § 32 b BSchVG beziehe sich auf die ganze Binnenschifffahrt und nicht nur auf die Partikulierschifffahrt. Umgehungen seien wegen der Vorschrift des § 42 a BSchVG unbeachtlich.

Bezüglich des Differenzbetrages zwischen ursprünglichem Rückforderungsanspruch und der reduzierten Rückforderung wurde die Hauptsache für erledigt erklärt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und der Klägerin sämtliche Kosten des Verfahrens auferlegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Gemäß § 32 b BSchVG ist zur Rückzahlung von Abwrackprämien verpflichtet, wer eine Prämie aus dem Abwrackfond erhalten hat und innerhalb von drei Jahren nach Auszahlung der Prämie das Eigentum oder Miteigentum an einem Binnenschiff erwirbt, das nach dem 1. Januar 1969 erstmalig in ein Schiffsregister eingetragen worden ist. Die Höhe des Rückzahlungsbetrages ist entweder 5 °% des Anschaffungswertes, höchstens jedoch die Höhe der gewährten Abwrackprämie. Nach dieser Vorschrift ist die Klägerin verpflichtet, 93 750,- DM an die Beklagte zurückzuzahlen.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32 BSchVG beginnt die Karenzzeit, innerhalb derer der Neuerwerb von Schiffseigentum oder Miteigentum eine Rückzahlungsverpflichtung auslöst, mit der Auszahlung des gewährten Abwrackprämienbetrages. Ob damit die Auszahlung selbst oder aber die Auszahlungsanordnung gemeint ist, kann vorliegend dahinstehen, da es für die Entscheidung dieses Rechtsstreites auf diesen Zeitraum nicht ankommt. Der Erlass des Bewilligungsbescheides ist allerdings nicht maßgebend für den Beginn der Karenzzeit. Das ergibt sich einmal bereits aus dem Wortlaut des § 32 b BSchVG sowie andererseits daraus, dass es bei der finanziellen Situation des häufig defizitären Abwrackfonds ungewiss ist, ob auch die bewilligte Abwrackprämie tatsächlich innerhalb eines zumutbaren Zeitraumes ausgezahlt wird.

Die Anwendung des § 32 b BSchVG, aufgrund dessen sich vorliegend die Rückzahlungspflicht der Klägerin ergibt, ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Abwrackprämie nach den Angaben der Klägerin nicht unmittelbar für die Wiederbeschaffung der Binnenschiffe A 1, A 2 und A 3 verwendet worden ist. Schon vom Wortlaut her ist solch eine einschränkende Auslegung der Vorschrift nicht geboten. Darüber hinaus ergeben Sinn und Zweck der Norm, dass allein der Eigentums- oder Miteigentumserwerb des Prämienempfängers, unabhängig davon, welche Geldmittel für den Neuerwerb verwandt wurden, die Rückzahlungsverpflichtung auslöst. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Prämienbeträge unmittelbar oder mittelbar für den Erwerb des neuen Schiffsraumes verwendet worden sind.

Abwrackprämien werden nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes gewährt, um das übergroße Angebot an Schiffsraum auf dem Binnenschifffahrtsmarkt zu beseitigen, damit der verbleibende Schiffsraum marktwirtschaftlich sinnvoll und möglichst kostendeckend eingesetzt werden kann. „Mit der Abwrackaktion soll der Markt bereinigt werden. Verkäufe führen nicht zu diesem Ziel, da die langlebigen Fahrzeuge auf dem Markt bleiben." (Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr, Drucksache V/3414, Bericht des Abgeordneten Müser, II. letzter Absatz). „Im einzelnen soll mit der Novelle bezweckt werden, veralteten und technisch überholten unwirtschaftlichen Schiffsraum abzuwracken", „ .. dass der Schwerpunkt - des Gesetzes - fraglos die Abwrackaktion ist" (Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, S. 10507). „In dem Umfang, in dem die z. Z. laufenden Unter-suchungen das Vorhandensein einer ständigen, echten Überkapazität von Schiffsraum bestätigen, wird durch eine Abwrackaktion der Binnenschifffahrt der Markt bereinigt" (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr, Drucksache V/2494, 3. b) II.).

Neben diesem Hauptzweck der Änderung des Binnenschiffsverkehrsgesetzes spielen auch andere Gründe eine Rolle, z. B. dass den Kleinschifffahrttreibenden, den sogenannten Partikulieren, das Ausscheiden aus dem Beruf unter Beseitigung ihrer Schiffskapazität erleichtert werden soll. „Zugleich soll aus sozialen Gründen den Kleinbetrieben mit unwirtschaftlichem Schiffsraum das Ausscheiden aus dem Beruf ermöglicht werden" (Drucksache V/3414 a.a.O.). „Der unwirtschaftliche Schiffsraum soll entfernt und den nicht mehr lebensfähigen Betrieben soll die Möglichkeit gegeben werden, aus dem Geschäft auszuscheiden." „Die Abwrackprämien sollen auch für die Altersversorgung der ausscheidenden Partikuliere verwandt werden." (Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode a.a.O.).

Die Antragsteller für Abwrackprämien sollten verpflichtet werden, die gesamte Abwrackprämie innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht zur Reinvestition zu verwenden. Wird diese Verpflichtung nicht eingehalten, muss der Antragsteller einen Betrag in der ihm gewährten Höhe an den Abwrackfonds zurückzahlen. Die Abwrackprämie soll nicht eine mittelbare Investitionshilfe darstellen. Derjenige, der eine Abwrackprämie in Anspruch nimmt, muss sich verpflichten, mit der abgewrackten Tonnage aus dem Markt auszuscheiden (vgl. Kurzprotokoll der 56. Sitzung des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages vom 27. 6. 1968).

Die Motive und der Sinn des Gesetzes gebieten demnach die von der Kammer vorgenommene weite Auslegung des § 32 b BSchVG. Das bedeutet, dass jede neue Investition eines Prämienempfängers innerhalb der Dreijahresfrist den Rückzahlungstatbestand auslöst. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes. Eine restriktive Auslegung des § 32 b BSchVG würde im übrigen dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG widersprechen, da dann das Investitionsverbot in der Regel nur die Partikuliere treffen würde, die nicht ohne Einsatz der Abwrackprämie neuen Schiffsraum erwerben könnten. Dagegen könnten größere Reedereien oder schifffahrtbetreibende Firmen den Neubau ihrer Schiffe in der Regel aus Mitteln finanzieren, die nicht unmittelbar aus den Abwrackprämien stammen würden. Ihnen wäre es in der Regel auch leichter, durch neuzugründende Gesellschaften den neuen wirtschaftlichen Schiffsraum zu erwerben.

Die von der Kammer vorgenommene Auslegung des § 32 b BSchVG entspricht auch einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die im Subventionsrecht geboten ist. Ziel der Wirtschafts- und Subventionspolitik im Binnenschiffsverkehrsgesetz ist die Erhaltung bzw. Wiederherstellung eines gesunden Marktes auf dem Binnenschiffsverkehrssektor, auf dem ein Überangebot an Frachtraum bestand und teilweise, z. B. in der Tankschifffahrt, noch besteht. Daraus ergab und ergibt sich ein starker ruinöser Wettbewerb. Bei dieser Wirtschaftslage beabsichtigte die Neufassung des Binnenschiffsverkehrsgesetzes, möglichst viel Frachtraum zu beseitigen. Diesem Zweck dient die Vorschrift des § 32 b BSchVG.

Diese Auslegung verletzt auch nicht Art. 12 GG. Die Vorschrift enthält kein Investitionsverbot allgemeiner Art, da die Beschränkung des Neuerwerbs nur für den Zeitraum von drei Jahren gilt und nur bei Eigentums- oder Miteigentumserwerb eingreift. Gesellschaftsrechtliche Regelungen oder vertragliche Vereinbarungen lassen genügend Spielraum für Investitionen, die nicht die Rückzahlungsverpflichtung auslösen.

Die Rückzahlungsverpflichtung ist für die Klägerin nicht durch § 42 BSchVG ausgeschlossen, weil sie die neuerworbenen Schiffe auch im Auslandsverkehr einsetzt. § 42 BSchVG regelt, dass i m Verkehr von und nach dem Ausland das Binnenschiffsverkehrsgesetz keine Anwendung findet. Das bedeutet, dass nur die Normen nicht anwendbar sind, die an den Schiffsverkehr bzw. die eigentlichen Schiffsfahrten Rechtsfolgen knüpfen. Die Regelung des § 32 b BSchVG steht aber mit dem Schiffsverkehr im Sinne des § 42 BSchVG in keinem Zusammenhang, da die Rechtsfolge der Rückzahlungsverpflichtung an einmalige Akte:

Prämienerhalt und Schiffsneuerwerb, anknüpft und die Frage, ob das neuerworbene Schiff am In- oder Auslandsverkehr teilnimmt, für den Entstehungstatbestand der Rückzahlungsverpflichtung nicht maßgebend ist.

Nach alledem ist der Rückzahlungsbescheid in seiner Fassung vom 24. November 1975 zu Recht ergangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, soweit die Klägerin unterlegen ist, und auf § 161 Abs. 2 VwGO bezüglich des in der Hauptsache erledigten Teiles nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Die Erledigung ist hier vor allem deshalb eingetreten, weil die Klägerin zunächst den Standpunkt vertrat, eine Auskunftspflicht gemäß § 32 b BSchVG treffe sie nicht, da der Neuerwerb der Binnenschiffe nicht unter § 32 b BSchVG falle. Erst im Klageverfahren brachte sie aufgrund des gerichtlichen Beweisbeschlusses die Unterlagen über den Erwerb der streitigen Binnenschiffe bei. Daraufhin ermäßigte die Beklagte unverzüglich den Rückforderungsbetrag. Bei dieser Sachlage entspricht es billigem Ermessen, unabhängig vom mutmaßlichen Prozessausgang, der Klägerin auch die Kosten des erledigten Teiles aufzuerlegen."