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7 C 69/78 - Bundesverwaltungsgericht (-)
Decision Date: 25.03.1981
File Reference: 7 C 69/78
Decision Type: Urteil
Language: German
Norm: §§ 21 Abs. 1, 32a Abs. 2 BSchVG
Court: Bundesverwaltungsgericht Leipzig
Department: -

Leitsätze:

1) Die Vorschrift des § 21 Abs. 1 BSchVG gilt auch für Verkehrsleistungen der Schifffahrttreibenden untereinander. Ein Mietvertrag fällt in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, wenn ein Frachtführer Transportleistungen mit einem vom Schiffseigentümer zu Tagesmietsätzen überlassenen Schiff für einen Verlader Transporte durchführt; infolgedessen ist auch der Vermieter zur Zahlung von Abwrackbeiträgen gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 BSchVG verpflichtet.

2) In dem Falle, dass mehrere an der Erfüllung der Verkehrsleistung beteiligt sind, ist diese Verpflichtung gemäß § 32a Abs. 2 Satz 2 BSchVG jedoch - abgesehen von den Sonderfällen nach Satz 3 - nur von demjenigen zu erfüllen, dem das gesamte Entgelt zusteht. Letzterer hat ein Rückgriffsrecht, nämlich das Teilentgelt, das er an den anderen Beteiligten für dessen Verkehrsleistung weitergeben muss, um den Beitragsanteil zu kürzen, den der andere auf der Grundlage des Teilentgelts zu tragen hat.

3) Es ist rechtwidrig, wenn die zuständige Behörde bei Beteiligung mehrerer Schifffahrttreibender an einer Beförderungsleistung die Abwrackbeiträge für die einzelnen Verkehrsleistungen mehrfach erhebt.


Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

vom 25. März 1981

7 C 69/78

Aus den Gründen:

Das Binnenschifffahrtsunternehmen W. setzte im Jahre 1973 zur Durchführung von Binnenschifffahrtstransporten ein Binnenschiff ein, das Fa. W. von dem Eigentümer (Kläger) in ausgerüstetem und bemanntem Zustand für die Dauer eines Jahres zur Verwendung auf allen Wasserstraßen der Rheinuferstaaten gegen Tagesmietsätze angemietet hatte. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion (Beklagte) erhob sowohl von der Fa. W. als auch vom Kläger Überwachungsbeiträge nach § 31d BSchVG und Beiträge zum Abwrackfonds nach § 32a Abs. 2 BSchVG. Der Beitragsberechnung zu Lasten des Klägers wurden Transporte zugrunde gelegt, die mit seinem Schiff zwischen deutschen Lade- und Löschplätzen von der Fa. W. durchgeführt worden waren. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 9. 7. 1974 mit der Begründung zurück, dass der Kläger selbst durch die mietweise Überlassung des Schiffes an die Fa. W. Verkehrsleistungen im Sinne von § 21 Abs. 1 BSchVG erbracht und daher eigene Beitragspflichten im Sinne der §§ 31d und 32a Abs. 2 BSchVG ohne Rücksicht auf die Beitragspflichten der Fa. W. habe.
Der Anfechtungsklage des Klägers gaben das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht wegen Rechtswidrigkeit des Bescheides der Beklagten statt - letzteres Gericht mit der Maßgabe, dass der Kläger zur Zahlung des (geringen) Überwachungsbeitrages (im Jahre 1973 = 0,17%) verpflichtet sei. Dabei wurde vom OVG noch einschränkend festgestellt, dass als Bemessungsgrundlage für den Überwachungsbeitrag lediglich das tatsächlich vereinnahmte Entgelt, nicht das Entgelt in Betracht komme, das der Schifffahrttreibende bei tarifgerechter Bezahlung hätte erhalten müssen. Die von der Beklagten eingelegte Revision gegen das bezüglich des Beitrages zum Abwrackfonds ergangene Berufungsurteil wurde vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.


Aus den Entscheidungsgründen:


Zutreffend hat das Berufungsgericht diese Beitragsforderung für rechtswidrig gehalten.

1. Allerdings hat das Berufungsgericht die Beitragspflicht des Klägers zu Recht bejaht. Rechtsgrundlage ist § 32a Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Januar 1969 (BGBI. 1 S. 65) - BSchVG -. Danach hat derjenige, der sich verpflichtet hat, eine Verkehrsleistung im Sinne des § 21 Abs. 1 BSchG zu erbringen, von dem hierfür festgesetzten oder, soweit ein Entgelt nicht festgesetzt ist, vereinbarten Entgelt einen Beitrag in den Abwrackfonds zu leisten. Die vertragliche Überlassung des Schiffes des Klägers an die Firma W. ist eine solche Verkehrsleistung. § 21 Abs. 1 BSchVG, der die Entgelte für bestimmte Verkehrsleistungen der Schifffahrt und der Flößerei der Frachtenbildung (Tariffestsetzung) unterwirft, zählt in seinem Klammerzusatz neben den „Transportsätzen" und „Schiffsanteilfrachten" auch die „Schiffsmieten" auf. Dadurch ist ausdrücklich bestimmt, dass nicht nur die eigentliche Beförderungsleistung durch das Schiff (kraft Frachtvertrages), sondern auch die Leistung, die der Schiffsvermieter durch die Überlassung des Schiffs erbringt, zu den erfassten Verkehrsleistungen gehört. Damit fällt der Mietvertrag, kraft dessen der Kläger sein Schiff mit Besatzung der Firma W. für jeweils ein Jahr gegen feste Tagesmietsätze zur Verfügung gestellt hat, in den Anwendungsbereich des § 21 Abs. 1 BSchVG.


Denn derjenige, der einem anderen Unternehmer ein fahrtüchtig ausgerüstetes Schiff gegen Entgelt zu Beförderungszwecken überlässt, betreibt selber Erwerb durch Schifffahrt; er erbringt Leistungen mit wesentlichem miet- und (oder) frachtrechtlichen Inhalt, die § 21 Abs. 1 BSchVG zu Verkehrsleistungen im Sinne seiner Regelung erklärt hat. Demnach geht die Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts fehl, § 21 Abs. 1 BSchVG gelte nicht für Verkehrsleistungen der Schifffahrttreibenden untereinander. Das würde auch dem Sinn und Zweck des § 21 Abs. 1 BSchVG widersprechen.


Erforderlich ist allein, dass das Schiff zum Zwecke der Beförderung von Gütern in der Binnenschifffahrt, also nicht etwa zur Verwendung als festliegender Lagerraum oder dergl. überlassen worden ist. Der Vermieter erbringt seine Verkehrsleistung im Sinne des § 21 Abs. 1 BSchVG dadurch, dass er sein Schiff für Transportleistungen des Mieters zur Verfügung stellt oder jederzeit betriebsbereit hält. Fahrten des Schiffs ohne Ladung oder gar Liegetage infolge Fehlens von Ladung ändern an dem Vorliegen der Verkehrsleistung im Sinne des § 21 Abs. 1 BSchVG nichts.

Schließlich steht der Anwendung des § 21 Abs. 1 BSchVG nicht entgegen, dass der vorliegende Mietvertrag die Verwendung des Schiffs des Klägers auch im grenzüberschreitenden Verkehr oder im Ausland vorgesehen hat und nach § 42 Abs. 1 BSchVG die Vorschriften dieses Gesetzes im Verkehr von und nach dem Ausland nicht gelten. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 13. Oktober 19771) in LM BSchVG Nr. 7) hat für einen derartigen Fall des „gemischten" Mietschiffsverkehrs die Tarifpflicht und damit die Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 BSchVG insoweit bejaht, als der Mietvertrag - wie hier - auch für den innerdeutschen Verkehr gegolten und innerhalb dieses Verkehrs zu Fahrten des vermieteten Schiffs und damit zu Leitungen des Vermieters aus dem Vertrag geführt hat; er hat dies ebenfalls mit dem Sinn und Zweck der den Tarifzwang regelnden Vorschriften begründet, im gesamten Bereich der Binnenschifffahrt umfassende Geltung zu behalten. Dieser Ansicht des Bundesgerichtshofs ist zuzustimmen. Aus ihr ergibt sich die Pflicht des Klägers, nach § 32a Abs. 2 Satz 1 BSchVG jedenfalls Beiträge auf der Grundlage derjenigen tariflichen Tagesmietsätze zu leisten, die für die tatsächliche Dauer der innerdeutschen Fahrten des zu diesem Zweck vermieteten Schiffs zu bezahlen sind.


2. Dennoch ist die Beklagte nicht berechtigt, vom Kläger zu verlangen, den geforderten Beitrag in den Abwrackfonds zu zahlen. Die durch § 32a Abs. 2 Satz 1 BSchVG begründete Pflicht des Klägers, von dem für die Verkehrsleistung festgesetzten Entgelt den Beitrag zu leisten, ist nämlich nach Satz 2 der Vorschrift, wenn „an der Durchführung der Verkehrsleistung mehrere beteiligt" sind, von demjenigen Beteiligten zu erfüllen, „dem das gesamte Entgelt für die Verkehrsleistung geschuldet wird; dieser ist berechtigt, die den andern Beteiligten zustehenden Teilentgelte anteilmäßig zu kürzen". „Die anderen Beteiligten können" nach Satz 3 der Vorschrift „für die Beiträge, die auf die ihnen zustehenden Teilentgelte entfallen", von der Beklagten „nur dann unmittelbar in Anspruch genommen werden, wenn der volle Beitrag von dem nach Satz 2 Verpflichteten nicht beigetrieben werden kann, oder seine Beitreibung wesentlich erschwert ist". Das Berufungsgericht hat als den nach Satz 2 Erfüllungspflichtigen zutreffend die Firma W. angesehen und demgemäß mit Recht entschieden, dass der Kläger seine Beitragspflicht nicht durch Zahlung an die Beklagte zu erfüllen braucht.
Für die Auslegung des § 32a Abs. 2 Satz 2 BSchVG ist zwar der Revision zuzugeben, dass diese Vorschrift den Begriff „faktische Beförderungsleistung", den das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat, nicht kennt, sondern von der Beteiligung an der „Durchführung der Verkehrsleistung" spricht. Das Wort „Verkehrsleistung" hat hier aber - notwendig - eine weitergehende Bedeutung als das gleichlautende Wort in Satz 1 der Vorschrift. Satz 1, der das Entgelt jeder Verkehrsleistung im Sinne des § 21 Abs. 1 BSchVG der Beitragspflicht unterwirft, betrifft die einzelne Verkehrsleistung. Dagegen geht Satz 2, der für den Fall, in dem „an der Durchführung der Verkehrsleistung mehrere beteiligt" sind, die Beitragserfül¬lungspflicht regelt, auch und insbesondere von einer Verkehrsleistung aus, die sich aus mehreren beitragspflichtigen Verkehrsleistungen zusammensetzt. Das ergibt sich daraus, dass nach Satz 2 erfüllungspflichtig ist, wem „das gesamte Entgelt für die Verkehrsleistung geschuldet wird", und dass weiterhin Satz 2 (Halbsatz 2) und Satz 3 der Vorschrift die Erfüllungspflicht der „anderen Beteiligten" für die Beiträge klarstellt, die auf die „ihnen zustehenden Teilentgelte entfallen". Die „anderen Beteiligten" können nur dann anteilig Beitragsschuldner sein, wenn sie ihrerseits Verkehrsleistungen im Sinne des § 21 Abs. 1 BSchVG erbracht haben. § 32a Abs. 2 Satz 2 BSchVG regelt somit die häufigen Fälle, in denen eine beitragspflichtige Verkehrsleistung (z. B. die des Hauptfrachtführers an den Verlader) dadurch erbracht wird, dass der Leistende sich beitragspflichtiger Verkehrsleistungen anderer Personen (z.B. des Unterfrachtführers, Schleppschiffers, Vermieters) bedient, mit denen er selbständige Unterverträge abgeschlossen hat und an die er - bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise - einen Teil des ihm für seine Verkehrsleistung zustehenden Entgelts weitergeben muss. In diesem Sinne spricht auch die Begründung des § 32a Abs. 2 BSchVG (BT Drucks. V/3414 S. 3) davon, dass an der „Beförderung" mehrere beteiligt sind und dass die Behörde nicht mit jedem Beitragsschuldner abrechnen soll. Die Behörde muss in einem solchen Fall grundsätzlich den gesamten Beitrag von demjenigen (z. B. Hauptfrachtführer) fordern, der für seine Verkehrsleistung, die er mittels der Verkehrsleistung eines anderen Beteiligten durchgeführt hat, das Gesamtentgelt von seinem Auftraggeber verlangen kann. Das ist hier nicht der Kläger, sondern die Firma W. Diese Firma hat die Verkehrsleistung des Klägers - nämlich das an sie vermietete Schiff - dazu benutzt, um ihre eigenen Verkehrsleistung (aus Frachtvertrag) gegenüber ihrem Auftraggeber (Verlader) durchzuführen; sie hat aus dem ihr dafür zustehenden Entgelt die Mietpreisforderung des Klägers mit abzugelten. Das hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht ausgeführt.
Die Bedenken, die die Revision der Beklagten dagegen erhoben hat, sind unbegründet.
Der Einwand, § 32a Abs. 2 Satz 2 BSchVG greife nur ein, wenn mehrere Personen an der Durchführung derselben Verkehrsleistung beteiligt seien, verkennt, dass die Vorschrift nach dem Gesagten zumindest auch und insbesondere von mehreren Verkehrsleistungen ausgeht und immer dann anzu¬wenden ist, wenn der Beitrag für eine Verkehrsleistung im Sinne des § 21 Abs. 1 BSchVG zu zahlen ist, die mit Hilfe einer weiteren beitragspflichtigen Verkehrsleistung (oder mehreren) erbracht worden ist. Dabei ist entgegen der Meinung der Revision unerheblich, ob sich die Verkehrsleistung, die der Kläger durch Vermietung seines Schiffes an die Firma W. erbracht hat, von der eigentlichen Transportleistung (aus Frachtvertrag) wesentlich unterscheidet, die diese Firma für ihren Auftraggeber durchgeführt hat. § 32a Abs. 2 Satz 2 BSchVG lässt es für die Verschiebung der Beitragserfüllungspflicht genügen, dass die Vermietungsleistung des Klägers in eine eigene Verkehrsleistung des Mieters - hier der Firma W. - eingeflossen ist, für die der Mieter von seinem Auftraggeber das gesamte Entgelt zu fordern hat. Die tatsächliche oder rechtliche Gleichartigkeit der mehreren Verkehrsleistungen ist nicht vorausgesetzt. Der Kläger könnte sich gegenüber der Beitragsforderung der Beklagten lediglich insoweit nicht auf § 32a Abs. 2 Satz 2 BSchVG berufen, als die Firma W. das an sie vermietete Schiff nicht für Transportleistungen eingesetzt hat; denn insoweit wäre die Vermietungsleistung des Klägers nicht in eine eigene Transportleistung der Firma eingegangen; sie hätte nicht zu entsprechenden Entgeltforderungen der Firma geführt, so dass die Beitragserfüllungspflicht beim Kläger verblieben wäre. Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht.
Beiträge auf der Grundlage des Gesamtentgelts entrichtet, das sie - wirtschaftlich gesehen - von ihrem Auftraggeber sowohl für ihre Beförderungsleistung als auch für die darin eingegangene Vermietungsleistung des Klägers zu fordern hat, erfüllt sie zugleich die Beitragspflicht des Klägers, die diesen auf der Grundlage des ihm zustehenden Teilentgelts trifft. Das hat das Berufungsgericht ebenfalls richtig erkannt. Auch die Begründung zu § 32a Abs. 2 BSchVG (a.a.O.) bestätigt dies. Sie sagt ausdrücklich, dass derjenige, dem bei Beteiligung mehrerer an der Beförderung das gesamte Entgelt zusteht, den gesamten Beitrag in den Abwrackfonds zu leisten hat; sie sieht, wie ihre weiteren Ausführungen zeigen, in dem „gesamten Beitrag" die Summe der „Teilbeträge" der anderen Beteiligten, so dass deren Beiträge bereits in dem gesamten Beitrag enthalten sind, den der Gläubiger des Gesamtentgelts an die Beklagte zu zahlen hat. Die Pflicht der „anderen Beteiligten" - hier des Klägers -, den Beitrag zu zahlen, stellt das Gesetz dadurch sicher, dass es demjenigen, der nach § 32a Abs. 2 Satz 2 BSchVG gegenüber der Beklagten erfüllungspflichtig ist, einen Rückgriffsanspruch gibt: Er hat nach Halbsatz 2 der Vorschrift das Recht, das Teilentgelt, das er an den andern Beteiligten für dessen erbrachte Verkehrsleistung weitergeben muss, um den Beitragsanteil zu kürzen, den der andere auf der Grundlage dieses Teilentgelts zu tragen hat. Dürfte dennoch die Beklagte entsprechend ihrer Ansicht auch den Kläger zu Beiträgen auf der Grundlage der Mietsätze für die Tage heranziehen, an denen das vermietete Schiff von der Firma W. eingesetzt worden ist, so würde die Beklagte einen Beitrag verlangen, der bereits von einem anderen zu zahlen ist. Dies würde bedeuten, dass bei Beteiligung mehrerer Schifffahrttreibender an einer Beförderungsleistung die Abwrackbeiträge für die einzelnen Verkehrsleistungen mehrfach erhoben werden könnten mit der Folge, dass bei Beförderungen unter Einschaltung von Unterfrachtführern oder Vermietern insgesamt höhere Beiträge entstehen als bei Beförderungen, die von einem einzigen Schifffahrttreibenden durchgeführt werden. Das ist, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, vom Gesetz erkennbar nicht gewollt.