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62 P - 14/76 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 21.10.1976
File Reference: 62 P - 14/76
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsätze:

1) Zulässigkeit der Berufung bei der Rheinzentralkommission trotz Überschreitung der 4-Wochen-Frist für die Berufungsbegründung in bestimmten Fällen.

2) Zur Obhutspflicht hinsichtlich einer ausreichenden Sicherung von Schubleichtern auf Schubschiffsliegeplätzen.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 21. Oktober 1976 

62 P - 14/76

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Sachverhalt:

Der Betroffene war durch Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts vom 14. 11. 1975 - zugestellt am 5. 12. 1975 - wegen Ordnungswidrigkeit gegen §§ 1.04 und 7.02 RhSchPVO zu einer Geldbuße von 100,- DM verurteilt worden. Die Berufungsschrift des Verteidigers war am 20. 11. 1975, dessen Berufungsbegründung am 5. 1. 1976 beim erstinstanzlichen Gericht eingegangen. Der Betroffene hatte als Schiffsführer des Schubbootes R vom Schubschiffliegeplatz „Homberger Ort" den Schubleichter Rh abzuholen, der dort in einem vor Anker liegenden Schubleichter-Päckchen, längsseits mit N (steuerbords) und L (backbords) gekoppelt war. Hinter letzterem befand sich noch Rh auf 2. Länge. Auf den 3 nebeneinanderliegenden beladenen Schubleichtern war jeweils 1 Buganker mit je ca. 50 m Kette gesetzt. Nach Herausholen des Schubleichters Rh drückte der Betroffene mit seinem Schubboot die hintereinander liegenden Leichter L und Rh auf die Seite von N; letzterer wurde mit 3 Drähten an L seitlich angekoppelt und dessen Ankerkette ca. 5 m durchgeholt, damit die Ketten beider Leichter rack standen. Danach fuhr der Betroffene mit Schubboot R und Leichter Rh gegen 17.00 Uhr zu Berg. Nachdem sich der Wachmann auf dem in der Nähe liegenden Wachschiff letztmalig gegen 22.00 Uhr von dem Ruhigliegen der Schubleichterformation überzeugt hatte, geriet diese später ins Treiben und stieß mit bei der Baerler Brücke vor Anker liegenden Arbeitsgeräten zusammen, die erheblich beschädigt wurden.
Der Betroffene wurde von der Berufungskammer freigesprochen.

Aus den Gründen:
„...
Die Berufung des Betroffenen gegen das seinen Verteidigern ausweislich des schriftlichen Empfangsbekenntnisses am 8. Dezember 1975 zugestellte Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 14. November 1975 ist form- und fristgerecht eingelegt.
Zwar waren im Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Berufungsbegründung (5. 1. 1976) mehr als 4 Wochen seit Anmeldung der Berufung (20. 11. 1975) verstrichen; jedoch erfolgte die Berufungsbegründung noch innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Urteilszustellung. Die Berufungskammer erachtet deshalb die Berufungsbegründung als eine zulässige und gemäß Artikel 37 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte fristgerechte Wiederholung der bereits vor Zustellung eingereichten Berufungsanmeldung, mit der zugleich auch deren schriftliche Rechtfertigung erfolgte.

... Aufgrund des festgestellten Sachverhalts sieht die Berufungskammer im Gegensatz zu dem erstinstanzlichen Rheinschiffahrtsgericht eine Zuwiderhandlung gegen §§ 1.04 und 7.02 RhSchPVO nicht als gegeben an. Zwar bestehen für den Schiffsführer eines Schubbootes, wie die Berufungskammer in ihrem Urteil vom 18. 3. 1971 (8 S 1/71) ausgesprochen hat, Obhutspflichten auch gegenüber solchen Leichtern, die er nicht selbst an diesem Liegeplatz vor Anker gelegt hat, wenn er durch eigenes Handeln in deren Liegeweise und damit in deren nautischen Bereich verändernd eingegriffen hat. Dies gilt aber nach dem Wortlaut der inzwischen in Kraft getretenen Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1970 uneingeschränkt nur dann, wenn die Leichter nicht gemäß § 7.06 Abs. 2 RhSchPVO unter der Aufsicht einer Person stehen, die in der Lage ist, im Bedarfsfall rasch einzugreifen und die damit an die Stelle eines Schiffsführers dieser Leichter getreten ist (§ 1.02 Abs. 6 RhSchPVO). Dies traf in dem zur Entscheidung stehenden Falle zu, da in nur wenigen Metern Entfernung von den später abgetriebenen Leichtern sich an Bord des Wachschiffes ein Wachmann aufhielt, dem die Aufsicht über diese Leichter oblag und der auch das Wegholen eines Leichters beobachtet hat. Dieser Wachmann hatte die Möglichkeit, die Situation der zurückgebliebenen Leichter, insbesondere deren Verankerung, zu überblicken und, falls es ihm notwendig erschien, zu korrigieren. Dies gilt insbesondere für das zusätzliche Setzen eines Heckankers auf dem Leichter Rh, das ohne weiteres von dem Wachmann hätte vorgenommen werden können.
...“