Decision Database

445 P - 4/88 - Berufungskammer der Zentralkommission (-)
Decision Date: 09.05.1988
File Reference: 445 P - 4/88
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: -

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Tatbestand und Prozessablauf:

In der Nacht vom 31. Mai 1977 ankerte ein Verband, bestehend aus dem MTS „V“ unter der Führung des Herrn D und dem einstrahlig gekuppelten Leichter „V I“, der wiederum das MTS „P“ unter Führung des Herrn VD angekuppelt hatte, oberhalb der Schleusen der Wasserkraftanlage Gerstheim außerhalb des dafür vorgesehenen Schiffsliegeplatzes. Gegen 22.30 Uhr trieb der gesamte Verband vor Anker und wurde durch die Strömung in den Werkskanal des Wasserkraftwerks getrieben, in dem jeder Schiffsverkehr formell verboten ist, stieß gegen die den Kanal überquerende Brücke, die von E im Rahmen der ihr vom französischen Staat gemäß Dekret vom 10. Mai 1971 erteilten Konzession erbaut wurde, und beschädigte sie dabei.

In der Folge dieses Schiffsunfalls wurde seitens des Präfekten des Departement Bas-Rhin vor dem Verwaltungsgericht Strassburg ein Bußgeldverfahren wegen Beschädigung der öffentlichen Verkehrswege eingeleitet. E trat in diesem Verfahren gemäß Antrag vom 24. Mai 1978, der der Gesellschaft VI über den Staatsanwalt beim Tribunal de Grande Instance (entspr. Landgericht) Strassburg am 30. Mai 1978 zugestellt wurde, als Streithelfer bei.

Dieses Verfahren war Gegenstand eines Unzuständigkeitsurteils vom 14. Mai 1980, gegen das das Verkehrsministerium und das Industrieministerium vor dem Conseil d’Etat (Oberstes fr. Verwaltungsgericht) Berufung eingelegt haben. E ist in diesem Verfahren ebenfalls als Streithelfer beigetreten.

Mit Urteil vom 30. November 1983 erklärte der Conseil d’Etat, dass für die Klage, mit der der Präfekt des Dep. Bas-Rhin einen Bußgeldbescheid wegen Beschädigung der öffentlichen Verkehrswege vom 2. Juni 1977gegen die Direktoren der Gesellschaft VI dahingehend, dass diese der E die Reparaturkosten für eine Brücke über den Einlaufkanal des Wasserkraftwerks Gerstheim, die von einem Schiff dieser Gesellschaft während eines Navigationsmanövers auf dem Rhein gerammt worden war, zu ersetzen habe, an das Verwaltungsgericht Strassburg verwiesen habe, gemäß Bestimmungen Artikel 33  Mannheimer Akte ausschließlich das Rheinschifffahrtsgericht zuständig sei. 

E hat daraufhin mit Klageschrift vom 15. Februar 1984 das Rheinschifffahrtsgericht angerufen, um die Verurteilung der Gesellschaft VI zur Zahlung der durch den Schaden entstandenen Kosten, die von E im Oktober 1981 mit 11.775.514,41 F plus Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz ab 1. November 1981 angegeben wurden, zu erreichen.

E hat darüber hinaus beantragt, die VI dazu zu verurteilen, ihr unter Berufung auf Artikel 700 Neue ZPO eine zusätzliche Entschädigung von 100.000 F plus gesetzliche Zinsen zu zahlen, sowie sämtliche Prozesskosten zu übernehmen. Und schließlich hat sie beantragt, dass das zu fällende Urteil für vorläufig und ohne Kaution vollstreckbar erklärt wird.

In ihren Anträgen vom 10. September 1984 hat die VI zunächst geltend gemacht, der Klageantrag sei unzulässig und zwar mit der Begründung, dass das beschädigte Strombauwerk nicht EDF gehöre sondern dem französischen Staat, und EDF folglich keinerlei Anspruch auf Schadensersatz für das Bauwerk habe sondern ausschließlich der französische Staat.

Als zweites bestreitet sie die Zulässigkeit des Antrags mit der Begründung, dass er gegen sie gestellt ist, sie aber nicht Eigner/Ausrüster der Schiffe sei und folglich nicht für Schäden, die der Kapitän D verursacht habe, hafte. Nach ihrer eigenen Auffassung ist V, obwohl die Fahrzeuge auf ihren Namen registriert sind, nicht haftpflichtig für von der Besatzung begangene Fehler, da die Schadenshaftung ausschließlich dem Auftraggeber der Besatzung, der Eigentümer im Sinne von Artikel 2 des Gesetzes vom 15. Juni 1895 ist, obliegt, d.h., demjenigen, der ein Fahrzeug, das ihm nicht gehört, betreibt und mit dessen Führung er einen Kapitän betraut. Laut V handele es sich um die Gesellschaft N mit Firmensitz in Dordrecht, Merwekade 14.

Hilfsweise hat V darauf hingewiesen, dass der Schaden ausschließlich auf Mängel am Bauwerk, d.h., dem Kanal, auf Grund schwerwiegenden Verschuldens von EDF, nämlich dass die Anker nicht greifen konnten, zurück zu führen sei. Zu diesem Zweck nimmt V Bezug auf den Bericht des Sachverständigen S, der auf Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts Illkerch vom 13. Juni 1977 benannt wurde, und aus dem hervor geht, dass das Gewicht der geworfenen Anker höher war als in der Rheinschiffsuntersuchungsverordnung angegeben, und sie dennoch, aus unbekanntem Grund abgetrieben seien, wie der die gebührenpflichtige Verwarnung ausstellende Polizeibeamte nachdrücklich feststellt. Nach Auffassung von V wurden die Anker infolge schweren Verschuldens der EDF über Grund geschleppt.

Laut V heißt es in Artikel 6 des Leistungsverzeichnisses, dass „ die Schiffe die Möglichkeit haben müssen, im Kanal wirksam zu ankern, und dass dafür die nötigen Voraussetzungen geschaffen sein müssen. Vor allem an den Stellen, wo eine Betonierung der Sohle anerkanntermaßen erforderlich ist, muss der Beton mit einer ausreichend dicken Sand- oder Kiesschicht bedeckt sein, damit die Anker greifen können. Wenn sich im Laufe des Betriebs herausstellt, dass die gewählte Dicke der Sand- oder Kiesschicht nicht ausreicht, muss der Konzessionsinhaber diese entsprechend erhöhen“. Laut V ergibt sich aus den Querschnitten der von EDF erstellten Staustufenanlage, dass die Kiesschicht in dem Wendebecken des Einlaufkanals nicht die für ein wirksames Greifen der Anker erforderliche Dicke aufwies. Bei der im Zusammenhang mit dem oben genannten Gutachten durchgeführten Untersuchung der Kanalsohle durch Taucher, war es an der Stelle, wo der Verband mutmaßlich geankert hat, nicht möglich, das Boot der Taucher mit Ankern zu halten, da diese trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wegrutschten.

V hat letztlich darauf hin gewiesen, dass EDF sich nicht unter Bezugnahme auf Artikel 9.01.7 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung entlasten könne, demzufolge das Liegen und Anlegen außerhalb der Vorhäfen, der Schleusen und des unterstromigen Auslaufkanals der letzten Schleusen untersagt ist, da dieser Artikel die Überschrift „Grand-Canal d’Alsace und staugeregelter Rhein“ trägt und sich mangels präziser Angaben nicht auf die Seitenkanäle des kanalisierten Rheins bezieht, und als solche sind insbesondere die Zuleitungskanäle anzusehen.

Außerdem hat V bestritten, dass der Kapitän D Fehler begangen habe. Für eine Bezugnahme auf das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts vom 17. Mai 1978, demzufolge Kapitän D verurteilt worden ist, bestehe kein Anlass, da dieses Urteil von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt mit Urteil vom 24. Januar 1979 aufgehoben worden sei. EDF gäbe laut V keinerlei präzises fehlerhaftes Verhalten als Ursache für den von ihr erlittenen Schaden an. 

Äußerst hilfsweise hat V die Verjährung der Klage gemäß Gesetz vom 15. Juni 1895 angeführt. In jedem Fall sei es gegebenenfalls Sache des Rheinschifffahrtsgerichts, die Streitsache auszusetzen, bis dass das Verwaltungsgericht über die Gültigkeit der Anrufung entscheidet.

Verstärkt hilfsweise hat V darauf hingewiesen, dass die Klage der EDF unter die Haftungsbeschränkung laut Gesetz vom 15. Juni 1895 falle, demzufolge die Haftung auf den Wert des Fahrzeuges beschränkt ist, d.h., 2.131.391 Gulden für die „V“, 488.151,90 Gulden für die „P“ und 154.894,55 Gulden für die „VI“.  Nach Auffassung von V darf bei der Verurteilung der Betrag des Wertes des Fahrzeuges, durch dessen Verschulden der Schaden verursacht wurde, auf keinen Fall überschritten werden.

Schließlich hat V schlichtweg den von EDF geltend gemachten Schaden bestritten und darauf hingewiesen, dass sich die Umstände, Auslagen und nicht erstattungsfähigen Unkosten auf 100.000 F beliefen, und verlangt, dass EDF dazu verurteilt wird, diese zu zahlen.

EDF hat mit ihrem Antrag vom 18. Dezember 1984 die von V angeführte Verjährung bestritten. Gemäß Artikel 2244 Code Civil (BGB) ist sie berechtigt, die zugestellte Beschlagnahmeentscheidung der drei Schiffe geltend zu machen.

Gestützt auf Artikel 2246 Code Civil EDF das Recht, sich auf ihren Streithilfeantrag in dem Verfahren wegen Beschädigung der Verkehrswege, der nach Panama zugestellt wurde, zu berufen, da die Verjährung durch die Vorladung vor ein Gericht, auch wenn dieses unzuständig ist, unterbrochen wird.

EDF hat bestritten, dass das Gesetz vom 15. Juni 1895 zur Anwendung kommt, da darin lediglich die privatrechtlichen Beziehungen in der Binnenschifffahrt geregelt werden, EDF jedoch ein staatliches, öffentlich rechtliches Unternehmen ist, das in diesem Fall eine hoheitliche Aufgabe wahrnehme, nämlich für die Schifffahrt, und der beschädigte Baukörper Teil des staatlichem Eigentums sei und damit unverjährbar.

Die Brücke überspanne übrigens nicht die Schifffahrtsstraße sondern überquert den Werkskanal, der nicht für die Schifffahrt bestimmt ist und in den keine Schiffe einzufahren haben.

Hinsichtlich der Passivlegitimation von V bezieht sich EDF auf die Lehrmeinung von RA Romain GARNON in Jurisclasseur Commercial (Sammlung von Handelsrechtsprechungslitteratur), Anhang 4, Artikel 190a 436, Heft 1, V. Rheinschifffahrt, wonach der Eigentümer sich generell den Forderungen, die Dritte gegenüber seinem Fahrzeug stellen mit der Begründung des Eigners/Ausrüsters, nicht widersetzen könne. Die verschiedenen gegen V erhobenen Sicherungs- und Hauptklagen stützten sich auf die eigenen Aussagen der Kapitäne. In ihrer Einspruchsschrift gegen die Zwangsvollstreckung, die dem Amtsgericht Illkirch vorgelegt wurde, hat V dargelegt, dass die Fahrzeuge „Eigentum der Klägerin“ seien und sogar von „täglichen Verlusten von V“ gesprochen. Es ergäbe sich auch aus dem Gutachten des H. S, dass der Eigentümer der Schiffe die VI sei.

Als der Gerichtsvollzieher vorstellig wurde, um die Schiffe zu pfänden, erklärte der Kapitän, er warte auf Anweisungen von V Zürich.

Das Argument, wonach das Verfahren unzulässig gegenüber V sei, ist von verschiedenen Rechtssprechungsorganen verworfen worden, insbesondere vom Amtsgericht Illkirch, dem Berufungsgericht Colmar, dem Kassationshof, dem Berufungsgericht Metz mit Zurückverweisungsbeschluss, und ein zweites Mal vom Kassationshof.

Bezüglich der Begründung der Klage hält EDF daran fest, dass V die volle Verschuldenshaftung treffe und zwar infolge von vier nautischen Fehlern, die zugleich Zuwiderhandlungen gegen die Rheinschifffahrtspolizeiverordnung darstellten, wie aus dem Protokoll der Wasserschutzpolizei ersichtlich sei (s. Ladungsschrift)

Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht: Artikel 1-04 Polizeiverordnung; Stillliegen im kanalisierten Rhein außerhalb eines Schiffsliegeplatzes: Artikel 9.01, Absatz 7 Polizeiverordnung;
Umherfahren und Eindringen in den Einlaufkanal des Kraftwerks: Artikel 9.001, Absatz 5 Polizeiverordnung;
Fehlende Ankerungssicherung: Artikel 4.02 Polizeiverordnung

EDF nahm anschließend Bezug auf das Schreiben des Chefingenieurs des Schifffahrtsamtes Strassburg vom 5. Oktober 1977, wonach das Halte- und Anlegeverbot außerhalb der Schleusenliegeplätze des Auslaufkanals unterhalb der letzten Schleusen ebenfalls für den Eilaufkanal gilt, der die Wehranlage des Rheins mit dem Wendebecken verbindet.

In ihrem Antrag vom 11. April 1985 hat die Gesellschaft V verlangt, dass jedweder Bezug auf das Zweigunternehmen in Zürich fallen gelassen wird.

Anschließend hat V das Urteil des Berufungsgerichts Colmar vom 17. Dezember 1984 angefochten, wonach anerkannt wurde, dass die Forderung von EDF nicht verjährt ist. Da dieses Urteil Gegenstand eines Revisionsverfahrens ist, hat V eine Vertagung des Gerichts bis zum Urteilsspruch des Kassationshofs beantragt.

Überdies hat V eingewendet, dass die Klage aus dem Grunde nicht zulässig sei, weil EDF selbst behauptet, dass V nicht existent sei und dass eine nicht existierende juristische Person nicht verklagt werden könne.

In ihrem Antrag vom 15. April 1985 hat V ihre sämtlichen vorhergehenden Anträge abgeändert, ergänzt und wieder aufgenommen und das Gericht gebeten, zu Protokoll zu nehmen, dass sie vor jedweder Verteidigung in der Sache geltend macht, dass EDF keine Aktivlegitimation habe.

Außerdem hat sie beantragt, dass V im Falle einer Anfechtung durch EDF bestätigt wird, dass sie beantragt hat, die Beschlussfassung über die Eigentumsverhältnisse der Brücke auszusetzen, bis das von der im Erstzug handelnden Partei angerufene Verwaltungsgericht beschlossen habe, für Recht zu erkennen, dass EDF verpflichtet war, die Voraussetzung der Zulässigkeit ihrer Klage gegen V zu belegen, und anzuordnen, dass die Bezugnahme auf die Verurteilung des Kapitäns D aus der Klageschrift herausgestrichen wird.

Außerdem hat V beantragt, das Rheinschifffahrtsgericht möge den Antrag für unzulässig und in jedem Fall für schlecht begründeten erklären, für Recht erkennen, dass die Streithilfe von EDF am 25. Mai 1978 vor dem Verwaltungsgericht wegen Nichtzulässigkeit der vom französischen Staat angestrengten Liegenschaftsklage null und nichtig ist, und hilfsweise die Entscheidung auszusetzen und die Parteien aufzufordern, Rechtsmittel vor dem zuständigen Verwaltungsgericht einzulegen, damit dieses entscheidet, ob das staatliche Bauwerk in Gerstheim den Vorschriften in Artikel 6 des Leistungsverzeichnis entspricht, und die Parteien an das zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen, damit dieses darüber urteilt, ob das von dem Präfekten des Departement Bas-Rhein eingelegte Rechtmittel vom 17. Juni 1977 eine ordnungsgemäße Anrufung des Verwaltungsgerichts wegen Zuwiderhandlung in Sachen Verkehrswegebeschädigung, festgestellt mit Protokoll vom 2. Juni 1977, darstellt, da der Klageantrag vom 17. Juni 1977 nicht von dem Präfekten unterzeichnet war sondern an seiner Stelle von seinem Hauptmitarbeiter, dem Leiter der Rechtsabteilung, und äußerst hilfsweise zu erkennen und zu urteilen, dass die Verurteilung den Wert der Schiffe und der nötigenfalls durch einen Sachverständigen festzustellenden Kosten, errechnet in FF zum Umrechnungskurs Datum  31. Mai 1977, Tag des Schadensfalls, nicht übersteigen dürfe, und noch äußerst hilfsweise, die Beschlussfassung auszusetzen, bis dass das Urteil des Kassationshofs auf Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts Colmar vom 17. Dezember 1984 ergangen ist.

Nach der Verhandlung am 15. April hat V mit seinem Antrag im Kurzverfahren vom 10.Mai 1985 seinen Antrag auf Aussetzung der Beschlussfassung wiederholt.

In einem neuen Antrag im Kurzverfahren vom 12. Juli 1985 hat V die Beweise bezüglich der Klage von EDF vom 20. Juni 1985 auf Revision des Urteils des Berufungsgerichts Colmar vom 17. Dezember 1984 beigebracht und die Wiederaufnahme der Verhandlungen verlangt.

In ihrer Schrift vom 19. Juli 1985 hat EDF behauptet, dass das Urteil des Berufungsgerichts Colmar keine Relevanz für das laufende Verfahren habe.

In ihrer Erwiderungsschrift vom 29. Juli 1985 hat V an ihrer Meinung festgehalten und den Beschluss des ersten Vorsitzenden des Kassationshofs vom 7. Juni 1985 vorgelegt, worin ein Dringlichkeitsverfahren für die Revisionseinlegung bezüglich der Revisionsklage gegen das Urteil des Berufungsgerichts Colmar vom 17. Dezember 1984 angeordnet wird.

In seinem Urteil vom 26. August 1985 hat das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg die Wiederaufnahme der Verhandlungen angeordnet und EDF aufgefordert, Dokumente beizubringen, aus denen eine eventuelle Auflösung der Gesellschaft V hervorgeht, mit der Begründung, dass die Klage auf Revision des Urteils des Berufungsgerichts Colmar von der Erwägung ausgehe, dass V juristisch nicht mehr existent sei und folglich keine Aktivlegitimation habe, und dass dieses Problem eine Auswirkung auf die vor das Rheinschifffahrtsgericht gebrachte Streitsache haben könne.

Mit Antrag vom 11. September 1985 beantragte V, dass das Rheinschifffahrtsgericht, bevor es in der Sache entscheidet, den Antrag der EDF für unzulässig erklärt, und hilfsweise die Beschlussfassung aussetzt, bis die Urteile des Kassationshofs über das Sicherungsbeschlagnahmeverfahren und des Berufungsgerichts Colmar über die Wiederaufnahmeklage vorliegen.

V hat sich in ihrem Antrag auf das Verfahren bezogen, das das Urteil des Berufungsgerichts Colmar vom 17. Dezember 1984 zum Ergebnis hatte, und auf das Revisionsverfahren, das gegen dieses Urteil angestrengt wurde, Verfahren, die sich allesamt auf die Nichtexistenz der Gesellschaft V stützten. V hat daraus gefolgert, dass sich aus den Behauptungen von EDF selbst und den von ihr gegen die Gesellschaft V vorgebrachten Begründungen ergibt, dass bereits vor der Klageerhebung von EDF vor dem Rheinschifffahrtsgericht Strassburg am 15. Februar 1984 V nicht mehr existiert habe. Ohne die Begründetheit der Behauptungen von EDF hinsichtlich ihrer Nichtexistenz anzuerkennen, bestreitet V nicht, dass in der öffentlichen Bekanntmachung vom 24. Mai 1982 die Auflösung dieser Gesellschaft erwähnt wird und dass in Artikel 85 des Gesellschaftsrechts von Panama festgelegt ist, dass eine Gesellschaft, deren Existenz mit der satzungsgemäßen Frist oder durch Auflösung endet, ungeachtet dessen noch drei Jahre ab dem Ende ihrer Existenz als Rechtsperson weiter bestehen kann, ausdrücklich zu dem Zweck notwendiger Abwicklungen. V hat hinzugefügt, dass sich aus dem vorher Gesagten und den eigenen Behauptungen von EDF ergibt, dass ihr Klageantrag, der Gegenstand dieses Verfahrens ist, gegen eine Person ohne Aktivlegitimation gerichtet  und folglich unzulässig ist. Äußerst hilfsweise hat V beantragt, dass die Beschlussfassung über das Problem der Existenz, mit dem sowohl der Kassationshof durch Anrufung von EDF wie auch das Berufungsgericht durch ihren Revisionsantrag befasst sind, gemäß Artikel 110 Neue ZPO bis zur Verkündung dieser Urteile ausgesetzt wird.

Die Verhandlung fand am 16. September 1985 statt und das Rheinschifffahrtsgericht hat mit Urteil vom 30. September 1985 die Beschlussfassung ausgesetzt und die betreibende Partei aufgefordert, das Verwaltungsgericht anzurufen, um einen Beschluss herbeizuführen, wem am Tag des Unfalls die Pflicht oblag, das beschädigte Bauwerk zu unterhalten, des weiteren sagt es, dass der Termin für die Weiterverhandlung durch einfache Verfügung und auf Vorlage eines endgültigen Beschlusses über die Vorabentscheidungsfrage durch eine der beiden Parteien festgelegt wird.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat sich die Frage gestellt, ob das am 31. Mai 1977 beschädigte Bauwerk Bestandteil der konzessionierten Liegenschaft im Sinne von Artikel 2 des  Leistungsverzeichnisses, das dem Erlass vom 10. Mai 1971, in dem der EDF die Konzession für den Bau und den Betrieb der Staustufenanlage Gerstheim erteilt wurde, beigefügt ist, darstellt, oder ob es ein Bauwerk ist, zu dessen Errichtung EDF laut Artikel 12 Leistungsverzeichnis verpflichtet war, um die durch die Bauarbeiten unterbrochenen Verkehrswege wieder herzustellen.

Geht man von der ersten Annahme aus, dann wär EDF mit seiner Klage zulässig, denn sie ist auf Grund Artikel 37 und 39 Leistungsverzeichnis verpflichtet, bei Ablauf der Konzession dem Staat sämtliche Bestandteile der konzessionierten Liegenschaft „in einem gut erhaltenen Zustand“ zurück zu geben.

Geht man hingegen von der zweiten Annahme aus, dann wäre die Klage der EDF nicht zulässig, denn in Artikel 12, Abs. 8 Leistungsverzeichnis heißt es, dass „umgeleitete oder wiederhergestellte Straßen und Wege mit ihren Bauwerken nach ihrer Fertigstellung den Körperschaften zu übergeben sind, die für ihre Unterhaltung zu sorgen haben“. Da die Unterhaltung solcher Bauwerke nicht EDF obliegt, diese vielmehr nur den Auftrag hatte, sie ursprünglich zu errichten, hat diese auch nicht das Recht, von dem Schadensurheber die Übernahme der Kosten für die Reparaturarbeiten zu verlangen, auch wenn sie letztere an Stelle der mit der Unterhaltung betrauten Körperschaft hat ausführen lassen.

Nach Auffassung des Gerichts erfordert die Lösung des Problems eine Auslegung des dem Erlass vom 10. Mai 1971 beigefügten Leistungsverzeichnisses, wofür die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig ist. Es handelt sich um eine ernsthafte Schwierigkeit, die es rechtfertigt, dass das Gericht seine Beschlussfassung aussetzt und die Parteien auffordert, das Verwaltungsgericht anzurufen, um festzustellen, wer am Tage des Unfalls für die Unterhaltung des beschädigten Bauwerks zuständig war.

EDF ging gegen diese Urteil vor dem Berufungsgericht Colmar in Berufung. Dieses erklärte mit Urteil vom 22. Dezember 1986 die Berufung für zulässig und begründet und erklärte, es gebe keinen Anlass für eine Aussetzung der Beschlussfassung und verwies die Sache zurück an den ersten Richter zur Beschlussfassung über den Klagegrund selbst sowie über die Kosten und den von EDF gemäß Artikel 700 Neue ZPO gestellten Antrag, den von V mit dem gleichen Anspruch gestellten Antrag abzuweisen. EDF stützte sich mit ihrer Berufung auf die Meinung, dass überhaupt keine Auslegung des Leistungsverzeichnisses notwendig sei, da die beschädigte Brücke sehr wohl in die Beschreibung der Liegenschaftsbestandteile der Konzession in Artikel 2 hineingehöre und dass diese Interpretation sowohl durch den zwischen dem französischen Staat und EDF am 25. August 1971 geschlossenen Vertrag wie auch durch ein Schreiben des Ministeriums für Industrie, Handel und Handwerk vom 14. November 1977 bestätigt werde.

Das Berufungsgericht ist dieser Argumentation gefolgt und ist der Meinung, dass sich aus dem gesamten Dossier ergibt, dass der Erlass und das Leistungsverzeichnis keinerlei Interpretation bedürfen und dass die Brücke unbestreitbar Teil der EDF erteilten Konzession sei, auch wenn EDF sie vorübergehend für den Straßenverkehr freigegeben habe.

Mit Antrag vom 30. März 1987 hat EDF ihre ursprünglichen Anträge aufrecht erhalten hat jedoch darüber hinaus beantragt, dass das Rheinschifffahrtsgericht V verurteilt und zwar gemeinsam und gesamtschuldnerisch mit ihren Liquidatoren.

EDF stellt fest, dass V in ihrem Antrag vom 11. September 1985 nicht bestreitet, dass in der öffentlichen Bekanntmachung vom 24. Mai 1982 die Auflösung der Gesellschaft V erwähnt wird und dass in Artikel 85 des Gesellschaftsrechts von Panama festgelegt ist, dass eine Gesellschaft, deren Existenz mit der satzungsgemäßen Frist oder durch Auflösung endet, ungeachtet dessen noch drei Jahre ab dem Ende ihrer Existenz als Rechtsperson weiter bestehen kann.

EDF unterstreicht infolgedessen, dass V zugibt, am 24. Mai 1982 aufgelöst worden zu sein.

Jedoch existiert V nach Auffassung von EDF in der Person ihrer Liquidatoren weiter, die gesamtschuldnerisch zusammen mit der Gesellschaft mitverurteilt werden müssten.

Mit Erwiderungsantrag vom 11. Juni 1987 hat V beantragt, die Beschlussfassung bis zu der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auszusetzen, das von VI mit Datum vom 1. Dezember 1986 in der Absicht angerufenen wurde, feststellen zu lassen, dass das Departement Bas-Rhin Eigentümer der Brücke und mit deren Unterhaltung beauftragt ist, und folglich alleine rechtlich befähigt ist, die Schadensregulierung, die vor dem Rheinschifffahrtsgericht verhandelt wird, zu verlangen.

Darüber hinaus hat V betont, dass das Berufungsgericht Colmar mit seinem Urteil vom 22. Dezember 1986 gegen den Grundsatz verstoßen hat, wonach ordentliche Gerichte nicht über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes zu urteilen haben, und zwar mit der besonderen Begründung, dass die Verwaltungsakte, der Konzessionserlass und das Leistungsverzeichnis keiner Auslegung bedürfen. Laut V handelt es sich um eine Rechtsverletzung unter dem Vorwand, es gäbe keine Auslegungsschwierigkeiten.

18. Nach den Verhandlungen vom 17. Juni 1987 hat das Rheinschifffahrtsgericht ein Urteil folgenden Inhalts gefällt: es erkennt, dass die Klage von EDF gegen V zulässig ist, dass V für den nautischen Fehler der Kapitäne D und VD haftet, dass V verpflichtet ist, den erlittenen Schaden zu ersetzen; es stellt fest, dass V aufgelöst worden ist und fordert V auf, sich an die Bestimmungen Artikel 59 Neue ZPO zu halten und alle Zahlenangaben zu liefern, an Hand derer eine laut Gesetz vom 15. Juni vorgesehene Haftungsbeschränkung in Betracht gezogen werden kann; es verweist die Streitsache unter Vorbehalt der Rechte und des Vorbringens der Parteien die Streitsache auf Verhandlung am 12. Oktober 1987.

Das nautische Fehlverhalten wurde durch die Ermittlungen der Wasserschutzpolizei  vom 31. Mai 1977 festgestellt, denen zu folge der Führer des Verbandes hätte ausschließlich in den dafür vorgesehenen Bereichen liegen dürfen, d.h., in den Schleusenvorhäfen der Schleusen, und er sich zuvor hätte überzeugen müssen, ob das Stillliegen gesichert war, und dabei hätte beobachten können, dass das er in der Verlängerung des Werkskanals lag, in dem die Strömung besonders stark ist.

Darüber hinaus heißt es in Artikel 9.01.7 der RheinSchPVO, dass Stillliegen und Anlegen außerhalb der Schleusenvorhäfen und des Auslaufkanals unterhalb der letzten Schleusen untersagt ist, wobei der Werkskanal zwangsläufig Teil des Auslaufkanals unterhalb der letzten Schleusen des staugeregelten Rheins ist. Außerdem ist der nautische Fehler auf die fehlende Sorgfalt der Besatzung zurückzuführen, da für das Stillliegen unbedingt hätte untersucht werden müssen, ob das Ankern sicher ist, zumal feststand, dass die Kanalsohle am Liegeort betoniert war. Der EDF kann keine genaue Verpflichtung bezüglich der Ausführung dieser Sohle angelastet werden, da das Stillliegen per definitionem dort untersagt ist.

Das somit festgestellte nautische Fehlverhalten ist nach Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts die ausschließliche Ursache für den EDF zugefügten Schaden.

Hinsichtlich der Eigenschaft der Gesellschaft VI als Ausrüster/Eigner hält das Gericht fest, dass der Gerichtsvollzieher RA B auf Ersuchen des Kapitäns VD zu Protokoll genommen hat, dass die Flagge von N am Mast des Schiffs „P“ geweht habe und das achtern die Aufschrift „P ANTWERPEN – P“ gestanden habe. Der Kapitän hat dem Gerichtsvollzieher gegenüber erklärt, die Flagge von N sei die Fahne der Gesellschaft, die das Schiff gechartert habe.

Auf Ersuchen des Kapitäns D wurde von dem selben Gerichtsvollzieher aufgenommen, dass die „V“ die Aufschrift „V ROTTERDAM“ trug, die holländische Flagge, die Flagge mit Logo und Schriftzug N, ein Schild mit der Aufschrift Kpt. O. D Dort. MTS V“, und dass der längsseits der „V“ gekuppelte Leichter ebenfalls das Logo und den Schriftzug „N“ auf der Flagge führte und auf dem Schild die Aufschrift „V IR DAML 70PR 1105“.

Andererseits waren in dem Protokoll der Wasserschutzpolizei Name und Adresse des derzeitigen Ausrüsters des havarierten Schiffsverbandes in ganzer Länge angegeben mit der Gesellschaft „NS.“

Die beiden Kapitäne haben den Polizisten gegenüber bekundet, sie seien „Schiffsführende Kapitäne“ an Bord von MTS „VI Zürich.

Den Gendarmen fiel das verdächtige Verhalten der beiden Kapitäne auf, als es darum ging, den Namen des Versicherers des Fahrzeuges zu benennen. Bei der Sicherheitsbeschlagnahme erklärte der Kapitän VD: „Wir warten auf Anweisungen von V Zürich.

Im Gesetz von 1985 Artikel 2 wird ein Unterschied gemacht zwischen dem Schiffseigentümer (propriétaire) und dem Schiffseigner (armateur/Ausrüster).

Laut Artikel 2 dieses Gesetzes haftet nur der Schiffseigner für Fehler der Besatzung.

Laut Lehrmeinung von RA GARNON tritt normalerweise als Eigner der Betreiber in Erscheinung, der unmittelbare Rechte gegenüber dem Kapitän hat, wie z. B. das Recht, ihm Befehle zu erteilen. Die Vollcharterung eines Schiffes verleiht nicht die Eigenschaft als Schiffseigner. Die Barebaot-Charter und die Anheuerung des Kapitäns und der Besatzung verleihen die Eigenschaft als Schiffseigner.

Aus dem vorher Gesagten ergibt sich laut Rheinschifffahrtsgericht, dass die beiden Kapitäne den Anweisungen von V unterstehen und dass die Gesellschaft N lediglich die Chartergesellschaft des Verbandes ist.

Im übrigen hebt das Gericht darauf ab, dass V im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens hat feststellen lassen, dass sie Eigentümerin der Schiffe „V“, „P“ und des Leichters „VI“ ist und dass sie auf Grund der erzwungenen Liegezeit enorme Ausfälle pro Tag gehabt habe (Schriftsatz vom 7. Juni 1977).

Das Gericht sah es daraufhin als erwiesen an, dass V als Schiffseigner für die Fehler der Besatzung und ihrer Verbände zu haften habe.

Außerdem weist das Gericht darauf hin, dass nicht ernsthaft bestritten wird, dass in Anwendung von Artikel 2244 und 2245 Code Civil (BGB) die Verjährungsfrist sowohl durch das Sicherungsverfahren als auch durch die Anrufung des Verwaltungsgerichts unterbrochen wurde, dass aber diese Frage nicht untersucht werden müsse, da EDF in seiner Eigenschaft als öffentlich rechtlicher Konzessionsnehmer über die Rechte und Klagemöglichkeiten zur Erhaltung des Gutes verfügt, das als Teil des Staatseigentums keiner Verjährung unterworfen ist.

Hinsichtlich des Schadensersatzes erklärt das Gericht, dass die Gesellschaft V 1982 aufgelöst wurde und dass laut Artikel 59 Neue ZPO der Beklagte unter Androhung der Unzulässigkeit seiner Verteidigung angeben muss, ob es sich um eine Rechtspersönlichkeit handelt und in welcher Form, welches ihre Bezeichnung und ihr Firmensitz ist und durch wen sie vertreten wird, und dass das Gericht folglich V auffordert, Namen, Vornamen, Beruf, Wohnsitz, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum und –ort (Art. 59 A) der Personen anzugeben, die die beklagte Gesellschaft vertreten.

Andererseits hebt das Gericht hervor, dass sich die Beklagte auf die Bestimmungen der Haftungsbeschränkung laut Gesetz vom 15. Juni 1995 beruft, ohne eine Angabe zum Frachtwert der drei Fahrzeuge zu machen.

Mit Schriftsatz vom 16. Juli 1987, hinterlegt in der Kanzlei des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg, legte V bei der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt Berufung ein.

Mit Beschluss vom 20. Juli 1987 hat der Vorsitzende des Rheinschifffahrtsgerichts die Berufungsklägerin aufgefordert, eine schriftliche Berufungsbegründung vorzulegen.

Mit Berufungsschrift vom 17. August 1987 hat VI folgendes geltend gemacht:

Die Fahrzeuge „V“, VI“ und „P“ haben ordnungsgemäß   längs dem westlichen Ufer der Abzweigung oberhalb der Einfahrt zu dem Werkskanal, der zu dem Wasserkraftwerk Gerstheim führt, festgemacht. Da die Anker auf der Flusssohle weggerutscht sind, trieb der Verband ab und stieß  gegen die Straßenbrücke und beschädigte diese.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat zu Unrecht erklärt, VI  sei der Eigner der Schiffe, die den von den Kapitänen D und VD begangenen nautischen Fehler verschuldet haben.

Die Schiffe sind auf den Namen von V eingetragen und diese ist nicht  haftpflichtig für Fehler, die von ihrer Besatzung begangen wurden, da die Haftung für den Schaden ausschließlich den Auftraggeber der Besatzung treffen, der im Sinne des Gesetzes vom 15. Juni 1895 Artikel 2 der Eigentümer ist.

In diesem Fall ist der „Schiffseigner“ die Gesellschaft NS. Dordrecht, deren  Flagge an Bord der Schiffe gehisst gewesen sei und die N-Aufschriften seien korrekt nach Artikel 201 der RheinSchPVO ausgeführt gewesen. Somit konnte für Dritte kein Zweifel bestehen, dass V nicht der Betreiber der drei Schiffe war.

In dem Protokoll über die Zuwiderhandlung wegen Beschädigung der Verkehrswege  vom 2. Juni 1977 wird von EDF bestätigt, dass die Fahrzeuge der Gesellschaft  V gehörten, die als Partner Z hatte, und dass sie von  N Dordrecht gechartert waren.

Die Kapitäne haben dem Eigner Bericht erstattet, der nicht der  Eigentümer war.

Die Feststellungen des erstinstanzlichen Richters, die sich auf die Erklärungen  der Kapitäne D und VD stützten, die den Polizisten  gegenüber ausgesagt haben sollen, dass sie Schiffsführer und Kapitäne an Bord des  MTS VI Zürich seien, sind nicht  zutreffend, denn D und VD haben gesagt, dass sie  Schiffsführer und Kapitän an Bord des MTS „V“ und des MS „P“ Der Firma Zürich,  Bleicherweg 59 seien. V ist in der Tat zivilrechtlicher Eigentümer der  Schiffe, nicht aber deren Eigner. Die Bezugnahme auf die von der  Firma V Zürich erwarteten Anweisungen stellt ebenfalls eine  Fehlbeurteilung durch den ersten Richter dar. Damit ist in keinerlei Weise  erwiesen, dass eine Weisungsbindung besteht, und der erste Richter hat die  Tatsache außer Acht gelassen, dass der Zahlungsbefehl über 8.085.000 F, der zur  Stilllegung der Schiffe führte, nicht gegen den Eigner, die Firma N sondern gegen den Eigentümer VI gerichtet war. Nur diese Gesellschaft war Opfer der Beschlagnahme und nur sie war berechtigt, deren Aufhebung anzustreben, und somit war es nur normal, dass der Kapitän bei VI nachgefragt hat, was diese beabsichtigt, da auf Grund der gegen sie gerichteten Sicherungsvollstreckung nur sie alleine tätig werden konnte.

Da V nicht Auftraggeber der Besatzung war, insbesondere nicht von Herrn D, ist sie nicht haftpflichtig und ist die Streitverkündung somit unzulässig.

Hilfsweise, dass das Gericht zu Unrecht das Vorliegen eines durch den Kapitän verschuldeten nautischen Fehlers festgestellt hat, insofern als er an einer untersagten Stelle gelegen habe und sich nicht von der Sicherheit der Ankerung überzeugt habe, da die Sohle an dieser Stelle eventuell betoniert sein konnte.

Die Anker des Verbandes sind in Folge schwerwiegenden Verschuldens der EDF abgetrieben. In Artikel 6 des Leistungsverzeichnisses ist festgelegt, dass Schiffe in dem Kanal wirksam Anker werfen können müssen und dass dafür die notwendigen Vorkehren getroffen seinen müssen. Insbesondere dort, wo sich eine Betonierung der Kanalsohle als notwendig erweist, ist der Beton mit einer Sand- oder Kiesschicht zu bedecken, in der die Anker greifen können. Wenn sich im Laufe des Betriebs herausstellt, dass die entsprechende Sand- oder Kiesschicht nicht ausreicht, ist der Konzessionsnehmer gehalten, diese Schichtdicke in dem erforderlichen Maße zu erhöhen.

Aus den Querschnitten des von EDF erstellten Ausbaus der Staustufe ergibt sich, dass das Wendebecken des Einlaufkanals nicht mit der für ein wirksames Auswerfen der Anker erforderlichen Kiesschicht versehen war.

EDF kann nicht, um sich zu entlasten, anführen, dass der Verband gegen das allgemeine Liegeverbot nach Artikel 9.01.7 der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung verstoßen habe, indem er im Zulaufkanal festgemacht hat. Dieser Artikel steht unter der Überschrift „Grand Canal d’Alsace et Rhin canalisé“ (Großer Elsässischer Kanal und kanalisierter Rhein) und gilt mangels genauerer Angaben nicht für die Seitenkanäle des staugeregelten Rheins, und als solche gelten insbesondere die Einlaufkanäle.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat offenkundig den Umleitungskanal des kanalisierten Rheins mit dem Werkskanal der Schleuse verwechselt. Es überträgt diese Verwechslung weiterhin auf das Liegeverbot unterhalb des Auslaufkanals der letzten Schleusen des kanalisierten Rheins und in dem Umleitungskanal, der zur Schleuse Gerstheim führt. In der Tat ist es so, dass der Umleitungskanal des kanalisierten Rheins, der zum Werkskanal des Kraftwerks Gerstheim führt, und von dem ersten Richter fälschlicherweise mit dem Umleitungskanal gleichgesetzt wurde, der zur Schleuse Gerstheim führt, nicht im „Auslaufkanal unterhalb der letzten Schleusen“ des kanalisierten Rheins liegt. Die letzten Schleusen sind diejenigen in Strassburg, so dass das Liegen im Umleitungskanal unterhalb des Auslaufkanals der Schleusen Rheinau oberhalb von Gerstheim, am Unfalldatum 3. Juni 1977 erlaubt war. Das allgemeine Liegeverbot gemäß Art. 9.01.7 RheinSchPVO, das eine Abweichung vom Grundsatz der Liegefreiheit (Art. 7.03RheinSchPVO) darstellt, findet mangels ausdrücklicher Erwähnung in der Verordnung auf die Umleitungskanäle des Rheins keine Anwendung. Das Verbot betrifft lediglich den Grand Canal d’Alsace und den kanalisierten Rhein, die Umleitungskanäle des kanalisierten Rheins ausgenommen.

In der Einführungsverordnung der RheinSchPVO (Art. 1 Erlass vom 01.10.1070) wird ausdrücklich ein Unterschied gemacht zwischen den der französischen Staatshoheit unterstehenden Teilen des Rheins, dem Grand Canal d’Alsace, und den Umleitungskanälen des kanalisierten Rheins.

Das allgemeine Liegeverbot auf den Umleitungskanälen des kanalisierten Rheins wurde erst durch die neuen Polizeivorschriften von 1983 eingeführt, wonach es in Artikel 9.01 heißt, dass das Liegen auf den Umleitungskanälen des kanalisierten Rheins verboten ist. Das war jedoch noch nicht der Fall, als sich der Streitfall ereignete. Das Liegen der Schiffe war folglich rechtmäßig erlaubt.

Die vier Anker des Verbandes waren zu Wasser gelassen und sämtliche Besatzungen waren an Bord. Das Abdriften war nicht auf unbekannte Ursachen zurückzuführen.

Die EDF führt zu Unrecht ein Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts vom 17. Mai 1978 an, das am 24. Januar 1979 durch die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt aufgehoben wurde. Folglich verlangt V, dass Gericht möge anordnen, dass in den Anträgen von EDF vom 15. Februar 1984 der Text, der mit den Worten beginnt: „auf Grund dieser Tatsachen wurde der Kapitän D Oscar vorgeladen…“ bis „Zentralkommission für die Rheinschifffahrt“ gestrichen wird.

EDF hat im übrigen in ihrem Antrag keinerlei präzisen Fehler als Ursache für den von ihr erlittenen Schaden angegeben und beschränkt sich darauf, anzugeben, die Wasserschutzpolizei habe 4 Zuwiderhandlungen festgestellt, wohingegen die Tatsachen beweisen, dass der Stoß ausschließlich die Folge des bauseitigen Mangels ist, dessentwegen die Anker nicht gehalten haben, und EDF selbst ausgesagt habe, das Abrutschen sei auf unbekannte Ursachen zurückzuführen.

Äußerst hilfsweise weist V darauf hin, dass das Gericht zu Recht die Einrede der Verjährung abgewiesen habe und erklärt habe, V müsse für eine Haftungsbeschränkung gemäß Gesetz von 1995 Artikel 4 den Frachtwert angeben.

Im übrigen ist es nicht gerecht, dass V für die Kosten, Umstände und Auslagen in Zusammenhang mit dem Verfahren in Höhe von 100.000 F aufkommen müsse, denn sie sei gezwungen, ein weiteres Verfahren anzustrengen und damit kämen neue Kosten auf sie zu.

Somit fordert V die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt auf:

das ergangene Urteil aufzuheben;

den Antrag für unzulässig und in jedem Fall unbegründet zu erklären;

äußerst hilfsweise der Gesellschaft VI alle Rechte der Haftungsbeschränkung vorzubehalten;

E gemäß Artikel 700 Neue ZPO zu einer Zahlung  von 100.000 F plus gesetzliche Zinsen zu verurteilen;

E zur Zahlung der Kosten beider Instanzen zu verurteilen.

Mit Beschluss vom 1. September 1987 hat der Vorsitzende des Rheinschifffahrtsgerichts der Berufungsbeklagten eine Frist von vier Wochen für die Erwiderung auf die Berufungsschrift gesetzt.

In ihrem Schriftsatz vom 25. September hat EDF folgendes beantragt:

Bestätigung des in der Frage der Zulässigkeit und der Haftung ergangene Urteils;

Abweisung des Vorbehalts der Gesellschaft VI bezüglich der Haftungsbeschränkung;

Verurteilung der Gesellschaft VI zur  Zahlung eines Betrages von 100.000 F zuzüglich gesetzliche Zinsen gemäß  Artikel 700 Neue ZPO;

Verurteilung der Gesellschaft VI zur Übernahme der Kosten beider Instanzen;

und bevor Recht gesprochen wird nachdrückliche Ermahnung der Gesellschaft  VI sich an die Bestimmungen von Artikel 59 Neue ZPO zu halten und Name und Adresse ihrer Liquidatoren mitzuteilen.

Zur Bekräftigung ihres Antrags hat EDF die verschiedenen Verfahren aufgeführt, im Verlaufe derer V laut EDF je nach Bedarf seine Nationalität gewechselt hat, um sich schließlich ganz aufzulösen, natürlich ohne irgendjemanden davon zu unterrichten.

Unmittelbar nach dem Unfall ersuchte EDF das Amtsgericht Illkirchen, einen Zahlungsbefehl über 8 Millionen F zu verkünden. Sie hatte mit dem Antrag Erfolg und die Anordnung wurde durch das Berufungsgericht Colmar (erster Kassationsantrag von V) mit gemeinsamer Entscheidung aller Kammern, und durch das Berufungsgericht Metz (zweiter Kassationsanatrag von V) mit Plenarentscheidung bestätigt.

EDF vertritt zunächst die Meinung, dass der Antrag zulässig ist. Die Aktivlegitimation von EDF wird von V, deren Einrede vom Berufungsgericht der Rheinschifffahrt Colmar abschlägig beschieden wurde, nicht mehr bestritten.

In ihrem Antrag vom 17. August 1987 erkennt V an, dass der erstinstanzliche Richter die Einrede der Verjährung zu Recht abgewiesen hat.

Die Auseinandersetzung über die Zulässigkeit beschränkt sich hiermit auf die Passivlegitimation.

Das Argument, demzufolge V nicht der wirkliche Schiffseigner sei, wurde von den nächst höheren Gerichten, die über das Verfahren der Sicherungsbeschlagnahme nach örtlichem Recht zu entscheiden hatten, systematisch ausgeschlossen, d.h.:

Berufungsgericht Metz, Urteil vom 30. Juni 1982:

In diesem Urteil heißt es zu dem Gesetz von 1895, Artikel 2:

„…dass der Umstand, dass der Eigner wie in Artikel 2 des Gesetzes von 1895  festgesetzt ersatzweise an die Stelle des tatsächlichen Eigentümers tritt, lediglich  dem Schutz Dritter dient; dass diese sich de facto an den Eigentümer wenden  können, der sich den Forderungen, die diese an sein Fahrzeug stellen, nicht  widersetzen kann, es sei denn, er kann nachweisen, dass das Schiff unberechtigter Weise von einem Scheineigner benutzt wurde“;

Berufungsgericht Colmar, Urteil vom 17. Dezember 1984:

„…dass der Umstand, dass der Eigner wie in Artikel 2 des Gesetzes von 1895  festgesetzt ersatzweise an die Stelle des tatsächlichen Eigentümers tritt, lediglich dem Schutz  Dritter dient;

dass sich diese aus gegebenem Anlass an den Eigentümer wenden können, der sich  den Forderungen, die diese an sein Fahrzeug stellen, nicht widersetzen kann, es sei  denn, er kann nachweisen, dass das Schiff unberechtigter Weise von einem Scheineigner benutzt wurde“;

Kassationshof, Plenarentscheidung vom 7. Februar 1986:

„…aber nachdem genau festgestellt wurde, dass der Umstand, dass der Eigner ersatzweise an die Stelle des Eigentümers tritt, in Artikel 2 des Gesetzes von 1895 allein im Interesse Dritter festgesetzt wurde, und der Eigentümer nur berechtigt ist, sich den Forderungen, die diese an sein Schiff stellen, zu widersetzen, wenn - wie hier nicht der Fall - das Schiff unberechtigter Weise von einem Scheineigner benutzt wurde…“.

In der Akte gab es zahlreiche Bezugnahmen auf die Gesellschaft VI.

Auf Antrag von V wurde Herr S mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt. Er bestätigte, dass die drei Schiffe Eigentum von V sind.

V beantragte erfolgreich, dass die Beschlagnahme der Schiffe durch die Zahlung einer Kaution von 8.085.000 F ersetzt wurde.

Nach Auffassung von EDF hat sich gezeigt, dass sich hinter der Gesellschaft  V Personen oder Interessen verbergen, die bislang noch nicht aufgedeckt werden konnten.

V hat zunächst angedeutet, sie besitze ein Zweigunternehmen in Zürich, was sich als nicht der Wahrheit entsprechend herausstellte.

V hat gegen EDF eine einstweilige Verfügung zwecks Erstattung der Kosten beantragt und legte Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts Colmar vom 10. Dezember 1984 ein, obwohl sich herausgestellt hat, dass die Gesellschaft V sei 24. Mai 1982 aufgelöst ist.

Der angeblich zwischen V und N abgeschlossene Chartervertrag ist nie beigebracht worden. EDF hat seine Klage gegen V auf die Bekundungen der beiden Kapitäne gegenüber den Polizisten der Wasserschutzpolizei gestützt. Andererseits waren die Fahrzeuge auf den Namen V eingetragen.

Das Gesetz vom 15. Juni 1895 findet keine Anwendung, da darin lediglich  privatrechtliche Beziehungen in der Binnenschifffahrt geregelt werden, und EDF ist   ein öffentlich rechtliches, staatliche Unternehmen, das eine hoheitliche Aufgabe wahrnimmt, nämlich die der Leistungen für die Schifffahrt.

Das Berufungsgericht Colmar hatte bereits in seinem Urteil vom 17. Dezember 1984 folgendes beschlossen:

„In ihrer Eigenschaft als öffentlich rechtliches Konzessionsunternehmen verfügt sie folglich über die Rechte und Rechtsmittel, die Erhaltung des Gutes zu betreiben, ohne dass gegen sie ein Verjährungsanspruch gestützt auf das Gesetz vom 15. Juni 1895 erhoben werden kann, da in diesem Gesetzt lediglich privatrechtliche Beziehungen in der Binnenschifffahrt geregelt werden“.

„Artikel 59 Neue ZPO besagt, dass der Beklagte sogar unter amtlicher Androhung der Unzulässigkeit seiner Klagebeantwortung mitteilen muss…ob es sich um eine Rechtsperson handelt, in welcher Form, ihre Bezeichnung, Firmensitz und wer sie vertritt.

Die Auflösung von V wurde am 24. Mai 1982 beschlossen; die Gesellschaft hat jedoch bislang nicht namentlich die Personen angegeben, die sie vertreten.

EDF hat V nachdrücklich aufgefordert, sich an die Vorschriften von Artikel 59 zu halten.

In der Begründung des Klageantrags werden vier Zuwiderhandlungen aufgeführt:

Verletzung der Sorgfaltspflicht (Art. 1-04);

Liegen im staugeregelten Rhein außerhalb eines Schiffsliegeplatzes (Art. 9-01,7);

Ein- und Umherfahren im Werkskanal (Art. 9-01,5);

Fehlende Sicherungsvorkehrung im Bereich der Wehranlage (Art. 7-02).

Nach Auffassung von EDF sind diese Vergehen derart grobfahrlässig, dass sie wie vorsätzlich begangen zu behandeln sind.

Der Rhein ist seit mehr als zwanzig Jahren staaugeregelt. Die Besatzung der V hat grob fahrlässig gehandelt, indem sie die ganze Nacht über ohne Überwachungsmaßnahmen zu treffen in einem Bereich still gelegen hat, der nicht nur gesperrt sondern wegen der starken Strömung obendrein auch höchst gefährlich ist.

  1. EDF hingegen hat sich an ihr Leistungsverzeichnis gehalten, wonach laut Artikel 7 oberhalb und unterhalb der Schleusen ein Vorhafen angelegt sein muss, dessen Wassertiefe zu jeder Zeit mindestens drei Meter betragen muss.

Von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, die ihre Zustimmung zum Konzept der Vorhäfen gegeben hat, ist nie gefordert worden, dass die Kraftwerkskanäle mit Kies ausgelegt werden, da diese nicht Teil der Schifffahrtsstraße sind.

Zudem hat die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt von sämtlichen Stauhaltungen die Bauausführungspläne vorgelegt bekommen, damit sie sich vergewissern konnte, dass die im allgemeinen Interesse der Schifffahrt liegenden Voraussetzungen eingehalten wurden.

In der mit Beschluss Nr. 18 von der Zentralkommission angenommenen und ab dem 1. Oktober 1970 in Kraft gesetzten Polizeiverordnung sind die Bestimmungen in Abhängigkeit von der Beschaffenheit der Umleitungskanäle festgelegt und in Artikel 9.01 wird festgesetzt, dass es jedem Schiff formell untersagt ist, außerhalb der unteren und oberen Schleusenvorhäfen zu liegen oder anzulegen. Artikel 9.01 5 enthält das Verbot für alle Schiffe, in die Einlauf- oder Auslaufkanäle der Kraftwerke einzufahren. Der Kraftwerkskanal ist demzufolge nicht als eine unmittelbare für den Schiffsverkehr erforderliche Abzweigung der Schifffahrtstraße anzusehen und das Liegen außerhalb der Vorhäfen ist absolut untersagt.

Folglich war EDF lediglich gehalten die Vorhäfen im Bereich der Schleusen, auf die das Liegen beschränkt ist, mit Kies auszulegen, was auch geschehen ist.

Über das Liegen bei Flusskilometer 271,400 gibt es nur die Aussage des Kapitäns des Verbandes. Diese Angaben werden von Dritten weder bestätigt noch widerlegt; auch nicht von der Wasserschutzpolizei.

Wenn die Anker über mehrere Meter geschleift haben, dann ist dies der Beweis für die fehlende Überwachung seitens der Besatzung und folglich für das Vorliegen eines nautischen Fehlverhaltens.

Die Berufung von V ist reine Verschleppungstaktik, da ihre Flotte verkauft ist.

Mit Schriftsatz vom 9. März 1988 wurden von V zusätzliche Beweismittel in Form von Erklärungen der Herren VD, und D beigebracht. Diese Personen bestätigen, dass sie zur Zeit der Tatbestände bei NS. beschäftigt waren.

In ihren Anmerkungen vom 13. April 1988 weist EDF zunächst darauf hin, dass V immer noch nicht angibt, wer ihre Liquidatoren sind und wo sie sich aufhalten.

Sodann legt EDF Widerspruch dagegen ein, dass V ein Rechtsvorbehalt hinsichtlich Haftungsbeschränkung eingeräumt wird, da das Gesetz vom 15. Juni 1985 keine Anwendung finde. Dieser Gesetzestext habe keine internationale Tragweite und könne die französischen allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht beeinträchtigen, wie z. B. den Grundsatz der Unveräußerlichkeit und der Unverjährbarkeit französischen Staatseigentums, der in Artikel L 52 Staatsvermögensgesetz bekräftigt wird, in dem es heißt, dass Güter aus staatlichem Vermögen unveräußerlich und unverjährbar sind. Dieser Text ist eine unabdingbare Vorschrift. Da sich der streitige Unfall auf französischem Hoheitsgebiet ereignet hat, muss die Zentralkommission für den Rhein französisches Recht anwenden und demzufolge die Gesetze, die die Unantastbarkeit öffentlichen Eigentums schützen, befolgen.

Weder in dem Übereinkommen vom 17. Oktober 1868 noch in dem vom 20. November 1963 wird auf das Gesetz vom 15. Juni 1895 Bezug genommen.

Die neuerlichen von V beigebrachten Dokumente sind Bekundungen von Zeugen, die den Voraussetzungen nach Artikel 200 bis 203 Neue ZPO nicht entsprechen, da sie nicht handschriftlich vorliegen.

Es ist nie etwas Schriftliches zwischen V und N vereinbart worden.

Kapitän VD erklärt unter Eid genau das Gegenteil von dem, was er vor den französischen Polizisten ausgesagt hat.

Die trifft gleichermaßen für Kapitän D zu. EDF wiederholt, was die Polizisten erklärt haben:

„Es muss festgestellt werden, dass die Herren D und VD bei unseren Vernehmungen und Verhören bei bestimmten Punkten ein verdächtiges Verhalten gezeigt haben, insbesondere hinsichtlich Name und Adresse des Versicherers der Fahrzeuge ihres Verbandes wie auch Name und Adresse des Eigners, der nicht der Eigentümer ist. Bezüglich der wirklichen Adresse des Eigentümers haben die beiden Betroffenen zwar einen Firmensitz in Zürich erwähnt, jedoch gleichzeitig erklärt, dass dies nicht die Hauptadresse sei und es eine weitere in Panama gäbe“.

Man kann unmöglich annehmen, dass ein Schiff als bareboat gechartert worden ist, ohne dass diesbezüglich etwas Schriftliches vereinbart worden wäre.

EDF nimmt auch Bezug auf ein Urteil des Oberschifffahrtsgerichts West-Berlin vom 28. Januar 1974.

Urteilsgründe:

A. Bezüglich der Zulässigkeit der Berufung

Die von VI eingelegt Berufung ist in der Form zulässig und gemäß revidierter Mannheimer Akte vorschriftsmäßig.

B. Bezüglich der Zulässigkeit des Antrags von EDF

Da von V keinerlei Rechtsmittel gegen die Anordnung des erstinstanzlichen Richters, sich gemäß Artikel 59 Neue ZPO zu verhalten, eingelegt wurde, muss diese aufrecht erhalten bleiben, zumal feststeht, dass V während des Gerichtsverfahrens aufgelöst wurde und derzeit durch ihre Liquidatoren vertreten wird, deren Identität und Adresse weiterhin unbekannt sind.

Es muss festgestellt werden, dass trotz des diesbezüglichen Antrags von EDF keinerlei schriftlicher Chartervertrag für das leere Schiff mit der niederländischen Gesellschaft NS beigebracht worden ist. Rein vernunftmäßig ist es nicht denkbar, dass ein Termin-Bareboat-Chartergeschäft ohne schriftliche Vereinbarung abgeschlossen wurde, was übrigens von der Gesellschaft VI auch nicht behauptet wird.

Nach den Plädoyers in der Verhandlung vom 9. Mai 1988 vor der Berufungskammer hat VI zwei Briefe mit Datum vom 28. Mai bzw. 29. August 1988 von MRK, Gesellschaft für Schiffsverwaltung AG, Postfach 732 in CH – 8039 Zürich, vorgelegt, aus denen sich ergibt, erstens, dass diese Gesellschaft VI seit dem 3. Oktober vertreten hat, und dass VI inzwischen liquidiert wurde, und zweitens dass es dieser Gesellschaft nicht möglich gewesen ist, den Chartervertrag zu finden. Der Unterzeichner des ersten Schreibens, ein Herr KOCH, beschränkt sich lediglich darauf, in seiner angeblichen Eigenschaft als ehemaliger Vizepräsident von VI zu behaupten, es habe ein Chartervertrag mit der Gesellschaft N bestanden.

Die Übersetzung dieser nach Schluss der Verhandlung am 9. Mai 1988 abgefassten und übermittelten Dokumente erfolgt verspätet. Selbst wenn die Berufungskammer sie hätte berücksichtigen können, könnte sie davon Abstand nehmen, da bestätigter Maßen kein Chartervertrag vorliegt. Die Bestätigung des Herrn KOCH vom 27. Mai 1988 kommt sehr spät und steht im Widerspruch zu den wiederholt von VI vorgebrachten Behauptungen, denen zu Folge sie eine Zweigfirma in Zürich gehabt habe, denn die Bekundungen von Zeugen, einige darunter ohne Angabe eines Datums (Van der Velde, Goldberg, D), andere vom Januar 1988, d.h., mehr als zehn Jahre nach den Ereignissen, erstmalig vorgetragen in der Berufungsinstanz , meistens nur in der französischen Übersetzung unterzeichnet, wobei überhaupt nicht feststeht, ob die Unterzeichner die Tragweite dieser Übersetzung verstanden haben, sind wenig glaubhaft und können demnach nicht als Ersatz für den fehlenden Chartervertrag herangezogen werden. Herr D bezieht sich in seiner Erklärung übrigens auf einen Bareboat-Chartervertrag, Herr VD nicht. LOOS und HEIJSMAN sind in ihren Erklärungen bezüglich eines Bareboat-Chartervertrags äußerst zurückhaltend. Die Bekundungen von VD und D scheinen im Widerspruch zu dem Verhalten dieser Kapitäne zum Zeitpunkt der Ereignisse zu stehen, als sie die Rolle von NS überhaupt nicht erwähnten.

Die Existenz eines Bareboat-Chartervertrages ist folglich nicht rechtswirksam erwiesen.

Bei See- und Binnenschifffahrtsangelegenheiten trägt der Eigentümer des See- oder Binnenschiffes prinzipiell die Haftungslast.

Es wird nicht bestritten, dass die Schiffe auf den Namen der Gesellschaft VI eingetragen waren.

Selbst wenn man von der von VI vorgebrachten These ausgeht, der zu Folge nicht der zivilrechtliche Eigentümer der Schiffe, sondern lediglich der Eigner oder Ausrüster Dritten gegenüber haftet, so gibt es keinen Grund, im vorliegenden Streitfall zu behaupten, dass VI nicht auch Eigner/Ausrüster der Schiffe war.

Somit hat der erste Richter den Klageantrag von EDF gegen die Gesellschaft VIPanama als Eigentümer der Schiffe zu Recht für zulässig erklärt.


C. Bezüglich der Begründetheit des Klageantrags

1. Das nautische Fehlverhalten ist aus den vom ersten Richter vorgetragenen Gründen erwiesen.

Laut Artikel 9.01.7 RheinSchPV ist es verboten, außerhalb der Vorhäfen der Schleusen und des Auslaufkanals unterhalb der letzten Schleusen zu liegen oder anzulegen.

Der Unfall ereignete sich zur Zeit der Gültigkeit der RheinSchPVO von 1970. Im Gegensatz zu dem, was VI behauptet, wurde der Geltungsbereich dieses Verbots durch den detaillierteren Wortlaut in Artikel 9.01 der RheinSchPVO von 1983 nicht verändert.

Es ist unbestritten, dass der Verband V - VI - P oberhalb der Schleusen der Wasserkraftanlagen Gerstheim außerhalb der Schleusenvorhäfen gelegen hat, womit der Verstoß gegen Artikel 9.01 erwiesen ist und damit ein nautisches Fehlverhalten vorliegt.

2. Dieser nautische Fehler ist nicht als ein die Haftbeschränkung ausschließendes schwerwiegendes Verschulden zu betrachten.

Die Haftungsbeschränkung ist gemäß Artikel 4 Gesetz vom 15. Juni 1895 rechtens. Es besteht Anlass, die Verfügungen des ersten Richters zu bestätigen, in sofern als dieser die Gesellschaft V dringend ersucht hat, da sie es unterlassen hat, Angaben zum Frachtwert der drei Schiffe zu machen, alle zahlenmäßigen Informationen zu liefern, auf Grund derer eine Haftbeschränkung laut Gesetz vom 5. Juni 1895 ausgesprochen werden kann.

D. Bezüglich der Anwendung von Artikel 700 Neue ZPO

Unter Berücksichtigung der zahlreichen von der Gesellschaft VI eingelegten Rechtsmittel besteht Anlass, E gestützt auf Artikel 700 Neue ZPO eine zusätzliche Entschädigungssumme von 100.000 FF plus gesetzliche Zinsen zuzuerkennen.

E. Bezüglich der Kosten und Auslagen

Unter Berücksichtigung des zuvor Ausgeführten wird VI zur Zahlung sämtlicher Kosten des Verfahrens verurteilt.

Aus den dargelegten Gründen sowie denen des ersten Urteils, die hierzu in keinem Widerspruch stehen

erklärt die Berufungskammer:

die Berufung ist formgerecht eingelegt;

Die Berufung ist unbegründet und wird zurück gewiesen. Folglich wird das ergangene Urteil vorbehaltlich der Anwendung von Artikel 700 Neue ZPO und der Festlegung der Verfahrenskosten bestätigt.

In diesen beiden Punkten wird beschlossen:

Die Berufungskammer verurteilt VI zur Zahlung einer zusätzlichen Entschädigungssumme von 100.000 FF plus gesetzliche Zinsen an E;

Sie verurteilt VI zur Zahlung der Kosten beider Verfahren;

Die Feststellung der Kosten erfolgt gemäß Artikel 39 revidierte Mannheimer Akte und französischem Zivilprozessrecht durch das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg;

Die Streitsache wird zur Entscheidung an das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg zurück verwiesen.