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421 B - 3/04 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 16.04.2004
File Reference: 421 B - 3/04
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

Urteil

vom 16. April 2004

421 B - 3/04

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 24. Januar 2003 - 51 OWi 801 Js 31127/02 AK 23/02 -)

I. Tatbestand

Der Betroffene ist Schiffsführer des aus dem TMS V und dem TSL E bestehenden Schubverbandes. Dieser fuhr am 23. Februar 2002 um ca. 23.30 Uhr in den Ölhafen Karlsruhe ein. Er legte zum Löschen am Steiger der Firma M an, wobei er sich vorwärts bewegte und mit seiner Steuerbordseite am Steiger anlegte. Nach der Löschung der Ladung des TMS V musste die Ladung des an der Backbordseite des TMS V angekoppelten TSL E gelöscht werden. Dies war nur nach einer Drehung des Schubverbandes möglich, der zunächst rückwärts in das Hafenbecken fuhr, sich im Hafenbecken drehte und dann rückwärts – mit dem Heck gegen das Land – wieder an den Steiger fuhr und zwar in der Weise, dass der TSL E mit seiner Backbordseite am Steiger anlegen konnte. Das Drehmanöver im Hafen fand am Morgen des 24. Februar 2002, um ca. 07.00 Uhr statt. Bei diesem Manöver soll – nach der Beobachtung eines Zeugen – Wellenschlag verursacht worden sein, der ein in der Nähe liegendes Boot (Feuerwehrboot der Firma M) in starke Bewegung versetzt und anschliessend zum Sinken gebracht haben soll.

Mit Urteil vom 24. Januar 2003 hat das Rheinschifffahrtsgericht Mannheim den Betroffenen wegen fahrlässiger Verletzung einer Vorschrift über das Verhalten bei Fahrten im Hafen zu einer Geldbusse von 50 Euro verurteilt.

Der Betroffene hat form- und fristgerecht gegen das Urteil vom 24. Januar 2003 Berufung eingelegt und beantragt Freispruch.


II. Entscheidungsgründe

Die Verordnung des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr über Häfen, Lade- und Löschplätze – Hafenverordnung (Hafen VO) – ist aufgrund des Wassergesetzes für Baden-Württemberg (WG) erlassen worden. § 15 dieser Verordnung hat den Titel „Verhalten bei Fahrten im Hafen“ und lautet wie folgt:

„Fahrzeuge sind so zu bewegen, dass kein schädlicher Sog oder Wellenschlag entsteht und Hafenanlagen oder andere Fahrzeuge nicht beschädigt oder gefährdet werden...“

Gemäss § 71 Abs. 2 Hafen VO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 20 WG, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Schiffsführer ... „einer Vorschrift des § 15 über das Verhalten bei Fahrten im Hafen zuwiderhandelt.“ Das WG seinerseits sieht in § 120 Abs. 2 Nr. 19 vor, dass ordnungswidrig handelt, wer „vorsätzlich oder fahrlässig ... einer aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bussgeldvorschrift verweist“. Sofern der Betroffene also gegen die Bestimmung von § 15 Hafen VO verstossen hat, ist die vom Rheinschifffahrts-gericht ausgesprochene Geldbusse nicht zu beanstanden.

Der Betroffene bestreitet, mit seinem Schubverband im Ölhafen Karlsruhe einen „schädlichen Sog oder Wellenschlag“ verursacht zu haben. Er führt hierzu namentlich folgendes aus: Er habe bei seinem Drehmanöver die Hauptmaschine der TMS V nur auf die geringstmögliche Umdrehungszahl eingestellt; die Maschine sei dabei „gerade eingekuppelt“ gewesen. Er habe überdies beim Zurückfahren nach dem Drehmanöver die Hauptmaschine abgestellt, als er beim Anfang des Steigers angelangt sei. Beim anschliessenden Anlegen an den Steiger habe er nur die Bugstrahlruder des MTS V und des TSL E benützt. Ganz am Schluss des Anlegemanövers habe er die Hauptmaschine nochmals kurz benützt, um den Verband „zum Steiger hin etwas beizufahren“. Auch in diesem Moment sei jedoch nur die „gerade eingekuppelte Maschine“ – also mit der geringsten möglichen Drehzahl des Motors – eingesetzt worden. Es sei daher nicht möglich, dass er einen schädlichen Wellenschlag verursacht habe, welcher den Untergang des Bootes der Firma M bewirkt habe. Dieses Boot – ein Aluminiumnachen – sei im Zeitpunkt seines Drehmanövers entweder schon gesunken gewesen oder es sei schon derart mit Wasser vollgelaufen gewesen, dass es „gerade eben über die Wasserlinie ragte, so dass eine vorüberschwimmende Ente ... das „Feuerwehrboot“ zum Sinken gebracht hätte“.

Dieser Darstellung des Betroffenen steht die Zeugenaussage des Herrn S entgegen. Dieser sagte bereits am Tag des Vorfalls gegenüber der Wasserschutzpolizei aus, er habe um ca. 7 Uhr seinen Kollegen auf dem Steiger abgelöst, als der TSV V den Steiger verliess, im Becken drehte und in Rückwärtsfahrt wieder beim Steiger anlegte. Er habe zugeschaut und einen Matrosen, der sich auf dem Leichter befand, dreimal durch Zuruf darauf aufmerksam gemacht, dass sich ein Boot im Heckbereich befinde. Der Matrose habe auf seine Zurufe nicht reagiert, da er mit dem Festmachen beschäftigt gewesen sei. Das Fahrzeug habe beim Einlaufen die Maschine benützt und er habe am Heck Wellenbewegung durch die Schraube erkennen können. Er habe gehört und an der Wellenhöhe von ca. 50 cm erkennen können, dass die Maschine „hochgefahren“ wurde. Er nehme an, dass damit das „nicht zu schnell“ fahrende Schiff aufgestoppt werden sollte. Unmittelbar danach habe er gesehen, wie das Boot „während des Stoppens in starke Bewegung kam, kenterte und versank“. Er habe sofort einen Matrosen und kurz darauf den Schiffsführer auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Der Zeuge Schreiber hat diese Schilderung anlässlich seiner Einvernahme vor dem Rheinschifffahrtsgericht bestätigt.
 
Der Betroffene ist der Auffassung, dass auf die Zeugenaussage S nicht abgestellt werden dürfe. Er führt in der Berufungsbegründung aus, dass sich der Zeuge S in Höhe des Steigerhäuschens auf dem Steiger befunden habe. Der Zeuge habe weder Sicht auf das Schraubenwasser noch auf den Feuerwehrnachen haben können, weil ihm die Sicht durch den sich an ihm vorbei bewegenden Koppelverband verdeckt gewesen sei. Zudem habe Dunkelheit geherrscht, so dass der Zeuge gar nicht habe sehen können, was er geschildert habe. Diesen Einwendungen kann nicht gefolgt werden. Aus den Akten ergibt sich nicht, wo genau sich der Zeuge Schreiber befunden hat, als der Betroffene mit seinem Fahrzeug das Drehmanöver durchführte. Klar ist lediglich, dass der Zeuge zu jenem Zeitpunkt auf dem Steiger war, weil er dort einen Arbeitskollegen ablöste oder ablösen wollte. Wenn der Zeuge ausgesagt hat, er habe die Wellenbewegung am Heck gesehen, er habe an der Wellenhöhe erkennen können, dass die Maschine „hochgefahren“ wurde und er habe beobachtet, wie das Boot der Firma M in starke Bewegung kam, kenterte und versank, dann muss er an einem Ort gestanden sein, an welchem ihm die Sicht nicht verdeckt war. Irgendwelche Indizien dafür, dass der Zeuge weder die Wasserbewegungen am Heck noch das versinkende Boot gesehen hat und die von ihm detailliert geschilderten Umstände frei erfunden hat, gibt es keine. Was ferner die Frage der Dunkelheit anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass die Sonne am 23. Februar jeweils nach 7 Uhr aufgeht, sodass um 7 Uhr der Zustand der Morgendämmerung besteht, bei welchem ein Wellengang durchaus zu erkennen ist. Es kommt dazu, dass das Drehmanöver des Koppelverbandes mit Sicherheit nicht bei völliger Dunkelheit durchgeführt worden ist, so dass auch künstliche Lichtquellen die Beobachtungen des Zeugen ermöglicht haben.

Der Betroffene kritisiert im weiteren, dass die Vorinstanz ihr Urteil erlassen hat, ohne den von ihm angerufenen Zeugen R anzuhören. Dieser Zeuge war zur Verhandlung des Rheinschifffahrtsgerichts geladen worden, ist jedoch – unter Berufung auf Krankheit und nach Vorlegung eines Arztzeugnisses - nicht erschienen. Der Betroffene führt aus, dass dieser Zeuge sich im Steuerhaus des MTS V aufgehalten habe, selber Schiffsführer sei und bestätigen könne, dass die Maschine lediglich auf geringstmögliche Umdrehungszahl eingestellt gewesen sei. Es ist jedoch davon auszugehen, dass selbst unter der Annahme einer solchen Bestätigung das Abstellen auf die Aussagen des Zeugen Schreiber richtig ist. Der Zeuge S hat die zum Kentern des Bootes führenden Wellen nicht darauf zurückgeführt, dass der Motor während der Fahrt mit einer zu grossen Drehzahl eingeschaltet war. Er hat vielmehr ein „Hochfahren“ des Motors festgestellt, das den Wellenschlag verursachte. Selbst wenn der Zeuge R aussagen sollte, er könne sich nicht daran erinnern, dass die Maschine zum Stoppen des Schiffes benützt worden sei oder dass der Motor sonstwie „hochgefahren“ worden sei, kann das Abstellen auf die Aussage des Zeugen S nicht als Missachtung der Regeln über die Beweiswürdigung betrachtet werden. Auf die Aussagen des Zeugen S darf entscheidend abgestellt werden, weil von diesem Zeugen erwartet werden kann, dass er die Geschehnisse genauer und zuverlässiger beobachtet und in Erinnerung behalten hat als die auf dem Fahrzeug befindlichen Personen. Er war sich der Gefahren für das Boot bewusst und hatte nach seinen vergeblichen Warnrufen allen Anlass, genau hinzuschauen. Demgegenüber befand sich der Zeuge R im Steuerhaus, wusste nichts von den Warnungen und war sich offensichtlich auch der speziellen Gefahr nicht bewusst, die für das an einem ungünstigen Ort festgemachte Boot der Firma M bestanden.

Die vom Zeugen S bestätigten Wellen von 50 cm Höhe, die der Schubverband des Betroffenen bewirkte, waren zu hoch und daher als schädlich anzusehen. Sie haben auch eine entsprechende Wirkung gehabt und das Boot der Firma M zum Kentern gebracht. Der Betroffene verweist auf eine Bemerkung, die im Schlussvermerk der Wasserpolizei enthalten ist. Dort wird die Frage aufgeworfen, ob die Manöver des Betroffenen die alleinige Ursache für den Schiffsunfall waren. Es wird darauf hingewiesen, dass es vor dem Vorfall während eines längeren Zeitraums stark regnete und heftige Windböen vorherrschten. Es wird die Möglichkeit erwähnt, dass das Gestell der Persenning verrutscht oder die Persenning selber beschädigt worden sein könnte, wodurch Regenwasser in das Boot eindringen konnte. Der Betroffene meint, dass aufgrund der im Schlussvermerk erwähnten Umstände damit zu rechnen sei, dass das Boot derart viel Wasser aufgenommen habe, dass es bereits durch den von einer Ente bewirkten Wellenschlag hätte zum Kentern gebracht werden können. Dies kann allerdings schon deshalb nicht angenommen werden, weil sich nach der Wahrnehmung des Zeugen Schreiber das Boot vor dem Kentern noch stark bewegte. Es ist zwar nicht auszuschlies-sen, dass das vor dem Bootsuntergang herrschende stürmische Wetter zu Wassereintritt und damit zu einer Mitursache für das Kentern führten. Das ist indessen kein Grund, um den vom Zeugen festgestellten Wellenschlag noch als vereinbar mit den aus § 15 Hafen VO resultierenden Pflichten anzusehen. Dem Betroffenen ist daher zu Recht der Vorwurf gemacht worden, sich ordnungswidrig verhalten zu haben.

Die Höhe des gegen den Betroffenen erkannten Bussgeldes gibt zu Beanstandungen keinen Anlass.

Das Verfahren ist nach Art. 39 der Mannheimer Akte gerichtsgebührenfrei.

III.

Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

Die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 24. 01. 2003 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.