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3 U 35/04 BSchMo - Oberlandesgericht (Moselschiffahrtsobergericht)
Decision Date: 19.10.2004
File Reference: 3 U 35/04 BSchMo
Decision Type: Urteil
Language: German
Norm: §§ 254, 823, 831 BGB; §§ 1.04, 3.25 MoselSchPV
Court: Oberlandesgericht Köln
Department: Moselschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Die Verkehrssicherungspflicht für Wasserstraßen umfasst die Kennzeichnung von Gefahrenstellen durch deutliche Zeichen.
2) Zu wählen ist eine Kennzeichnung, die für jeden Verkehrsteilnehmer eindeutig und unmissverständlich die Art und Lage der nicht ohne weiteres erkennbaren Gefahrenquelle klarstellt und es ihm ermöglicht, rechtzeitig Ausweichmanöver auszuführen.
3) Die Verkehrssicherungspflicht kann gerade auch Maßnahmen umfassen, die notwendig sind, um den Verkehr vor Folgen fehlerhaften Verhaltens einzelner Verkehrsteilnehmer
zu schützen.
4) Auch wenn es kein Mischsystem zwischen Fahrt nach Sicht und Fahrt nach Radar gibt, ist es in einer unklaren Situation aufgrund der allgemeinen Sorgfaltspflicht (§ 1.04 PolV) geboten, das Radar auszuwerten.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln (Moselschifffahrtsobergericht)

vom 19.10.2004


3 U 35/04 BSchMo

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

Die Parteien streiten über die Reichweite der Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers der Wasserstraße in Abgrenzung zur allgemeinen Sorgfaltspflicht des Schiffsführers.
Tatbestand und Entscheidungsgründe: Die Klägerin nimmt aus übergegangenem und abgetretenem Recht die Beklagte (Bundesrepublik Deutschland) als Verkehrssicherungspflichtige der Bundeswasserstraße Mosel auf Ersatz der Schäden in Anspruch, die bei der Kollision von GMS „I." mit dem rechten Brückenpfeiler der Straßenbrücke Mehring (Strom-km 171,52) und dem anschließenden Untergang des Schiffes am 21.11.2000 entstanden sind.
GMS „I." war am Abend des 21.11.2000 mit Feinkohle voll abgeladen auf dem Weg von Antwerpen nach Thionville zu Berg. An der Brücke in Mehring waren Bauarbeiten im Gange. Darauf hatte die Beklagte durch am Moselufer stehende Schilder hingewiesen. Im Zuge dieser Bauarbeiten war die Straßenbrücke bis auf die Brückenpfeiler abgebaut worden. Während der rechte Brückenpfeiler von im Abstand von ca. 30 m sowohl talwärts als auch bergwärts mit ausgelegten Radarbojen markiert im Dunkeln lag, waren auf der linken Moselseite noch Bauarbeiten im Gange, so dass dieser Arbeitsbereich hell erleuchtet war. Der Schiffsführer des GMS „I." wollte mit seinem Schiff von der rechten Moselseite kommend zur linken Moselseite den Übergang machen. Dabei sah er nicht den am Rand des Fahrwassers stehenden Brückenpfeiler, so dass das Schiff gegen diesen stieß und sank. Rettungsversuche waren erfolglos geblieben. Am Schiff entstand Totalschaden. Daneben wurden erhebliche Aufwendungen gemacht, zunächst, um das Schiff zu retten, anschließend um das auf den Grund der Mosel gesunkene Schiff zu bergen.
Die Klägerin macht die Beklagte als die für die Verkehrssicherheit der Bundeswasserstraße verpflichtete Eigentümerin für die Schäden verantwortlich. Ihre Hinweise auf Arbeiten an der Brücke Mehring hätten nicht ausgereicht, um erkennen zu können, dass die Brücke entfernt worden sei. Der Schiffsführer von GMS „I." sei daher überrascht gewesen, als er nach dem Umfahren der Linkskurve bei Mosel-km 171 die Brücke nicht auf dem Bildschirm seines Radargeräts habe sehen können. Er habe dann mit dem Fernglas nach der Brücke Ausschau gehalten und dabei entdeckt, dass an dem hell erleuchteten linken Moselufer Bauarbeiten im Gange waren. Dort sei auch ein Wahrschaufloß ausgelegt gewesen. Die rechte Moselseite sei unbeleuchtet und der Brückenpfeiler daher für ihn unsichtbar gewesen. Mit dem Vorhandensein des Brückenpfeilers habe niemand rechnen können. Da eine ausreichende Voraussicht geherrscht habe, sei der Schiffsführer nach Sicht gefahren, ohne den Radarbildschirm weiter zu beobachten. Dazu sei er auch nicht verpflichtetgewesen. Dagegen habe es der Beklagten oblegen, den ca. 2,00 m aus dem Moselwasser herausragenden Brückenpfeiler mit einem Warnlicht zu versehen. Infolge der Beleuchtung der linken Moselseite sei die Schifffahrt bemüht gewesen, Abstand von der Baustelle zu halten. Deshalb habe der im Fahrwasser verbliebene Brückenpfeiler eine besondere Gefahr dargestellt. Auf sein Vorhandensein hätte die Beklagte stärker hinweisen müssen.


Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zur Zahlung von 999.186,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 6. Mai 2003 zu verurteilen; 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Feuerwehrkosten zu erstatten, die die Versicherungsnehmerin der Klägerin an die Gemeinde Schw. wegen deren Hilfeleistung nach dem Untergang des GMS „I." am 21.11.2000 aus Anlass der Kollision mit einem Pfeilerstumpf der Moselbrücke Mehring bei Mosel-km 171,520 zu zahlen hat. 3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Havarie-Grosse-Kosten zu erstatten, sowie sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die der Versicherungsnehmerin der Klägerin und den Ladungsbeteiligten nach dem Untergang des GMS „I." am 21.11.2000 aus Anlass der Kollision mit einem Pfeilerstumpf der Moselbrücke Mehring bei Mosel-km 171,520 entstanden sind.


Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.


Die Beklagte sieht die Schuld für den Unfall allein beim Schiffsführer des GMS „I.". Er habe den Brückenstumpf und die zur Sicherung ausgelegten Radartonnen leicht mit seinem Radargerät, das beigeschaltet gewesen sei, erkennen können. Sie habe den im Flussbett verbliebenen Brückenpfeiler auch ausreichend gesichert gehabt. Das beleuchtete Wahrschaufloß auf der linken Moselseite sei wegen des dort befindlichen Arbeitspontons ausgelegt gewesen. Die später auf der rechten Moselseite ausgebrachten Wahrschauflöße hätten das auf dem Moselgrund liegende Schiff absichern sollen. Weitere, als die von ihr getroffenen Vorsichtsmaßnahmen seien nicht veranlasst gewesen.
Das Moselschifffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verneint.

Dazu führt es aus:


Inhalt der Verkehrssicherungspflicht ist es, dass jeder, der im Verkehr eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz anderer zu treffen hat. Dabei darf diese Verpflichtung zur Sicherung des Verkehrs jedoch nicht dahin missverstanden werden, dass alle nur möglichen Gefahren zu beseitigen sind. Der zur Sicherheit Verpflichtete kann vielmehr davon ausgehen, der Benutzer werde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten und sich auf die normalerweise aus dem Betrieb der Anlage ergebenden Risiken einstellen (vgl. OLG Karlsruhe vom 24. Januar 2003, in ZfB 2003 Heft 12, Seite 48 ff.).


Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Verschulden der Beklagten nicht vorliegt. Das Gericht stützt sich dabei auf folgende Gesichtspunkte und Überlegungen:


1. Der Verkehr auf der Mosel im Bereich der Mehringer Brücke war vor Beginn der in Rede stehenden Bauarbeiten derart geregelt, dass für Bergfahrt und Talfahrt die Durchfahrt durch den mittleren Brückenbogen empfohlen war. Die Pfeiler waren nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten mit Radarspieren versehen, die für die Dauer der Bauarbeiten durch Radarbojen ersetzt wurden, die in einem Abstand von je ca. 30 m talwärts und bergwärts der Brückenpfeiler im Strom befestigt waren. Die Beklagte hatte weitere Schilder aufgestellt, die die Beachtung wegen der an der Brücke in Mehring in Gang befindlichen Bauarbeiten gebieten sollten.


2. Ausgehend von der Schilderung des Schiffsführers im Verklarungsverfahren kam es zu dem Unfall, weil er nicht auf den Radarschirm geschaut hat, obgleich sein Fahrweg im Dunkeln lag. Dadurch übersah er den im Strom verbliebenen Brückenpfeiler, der außerhalb der Beleuchtung lag, die die auf der linken Moselseite befindliche Baustelle hell markierte. Ebenso erging es ihm mit den zur Sicherung des Pfeilers ausgelegten Radarbojen.


3. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den in der Mosel verbliebenen Brückenstumpf mit Lichtzeichen zu versehen. Denn derartige Hindernisse, zumal wenn sie durch Radarbojen gekennzeichnet sind, können mit modernen, leistungsfähigen Radargeräten, mit denen heute fast alle Schiffe ausgerüstet sind, leicht erkannt werden. Weiter war zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach der Bekundung des Schiffsführers auf die Bauarbeiten an der Brücke in Mehring hingewiesen hat, und zwar schon bei der Ausfahrt der Schleuse Dezem und nochmals bei Mosel-km 771,00. Der Schiffsführer des GMS „I." hätte ferner die Möglichkeit und auch die Pflicht gehabt, sich näher über die Situation an der Baustelle zu informieren. Dafür hätte er sich aller ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel bedienen müssen (vgl. BGH in VersR 1999 S. 605). Dazu gehörte nach Ansicht des Moselschifffahrtsgerichts das Radargerät, das auch bei einer Fahrt nach Sicht ein wichtiges Hilfsmittel darstellt. Ein Aspekt für die Entscheidung des Moselschifffahrtsgerichts war ferner die Tatsache, dass der Schiffsführer des GMS „I." die Moselstrecke aus langjähriger Erfahrung kannte und aus dieser Kenntnis die richtigen Schlüsse für den Kurs seines Schiffes hätte ziehen müssen. Nach Meinung des Gerichts hat sich der Schiffsführer durch die Bauarbeiten auf der linken Moselseite ablenken lassen.


4. Eine Notwendigkeit, den Brückenstumpf zu beleuchten, sah das Gericht nicht. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn dessen Umfang und Ausmaße nicht erkennbar gewesen wären. Auch der Brückenpfeiler war zu keinem Zeitpunkt beleuchtet gewesen. Das Gericht hat daher eine Parallele zu dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall (VkBI NT 1977 S. 393 ff.), in dem eine seit Jahrzehnten vorhandene und der Schifffahrt als Orientierungshilfe dienende Lichtquelle nicht rechtzeitig repariert worden war, ohne dass auf eine Veränderung hingewiesen wurde, nicht gesehen. Auch in dem vom Moselschifffahrtsgericht mit Urteil vom 02.08.1995 - 4 C 9/95 BSchMo - entschiedenen Fall sei die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nur deshalb bejaht worden, weil die Lage einer für die Navigation von Schubschiffen bedeutsamen Tonne im Bereich des Bremer Bogens verändert worden war, ohne dass auf diese Veränderung hingewiesen worden war. Das Gericht räumt zwar ein, dass im vorliegenden Fall eine neue Situation gegeben gewesen sei. Die Beklagte habe darauf jedoch hingewiesen. Deshalb oblag es der Schifffahrt, sich auf die ihr dort bietende neue Situation einzustellen, insbesondere die sich als Folge der Bauarbeiten veränderte Verkehrssituation zu beachten.


5. Aus § 3.25 MoselSchPV sei ebenfalls keine Verpflichtung der Beklagten abzuleiten, Leuchtzeichen anzubringen. Bei den dort genannten schwimmenden Geräten sowie bei festgefahrenen und gesunkenen Fahrzeugen handele es sich um vorübergehende Hindernisse, deren Lage sich rasch verändern kann. Im Gegensatz dazu sei der hier in Frage stehende Brückenpfeiler seit langem vorhanden und als Hindernis bekannt. Das Gericht folgt der Auffassung der Beklagten, dass die nach dem Unfallereignis ausgelegten Wahrschauflöße nicht der Sicherung der Brückenpfeiler gedient hätten, sondern - entsprechend § 3.25 MoselSchPV - der Kennzeichnung des gesunkenen Schiffes.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung hat die Klägerin ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Ergänzend zum erstinstanzlichen Vorbringen vertritt sie die Auffassung, dass der Brückenpfeiler auch für die nach optischer Sicht fahrende Schifffahrt hätte gekennzeichnet werden müssen. Die Verkehrssicherungspflicht umfasse auch Maßnahmen, deren Zweck es sei, den Verkehr vor den Folgen fehlerhaften Verhaltens einzelner Verkehrsteilnehmer zu schützen. Den Schiffsführer treffe kein Verschulden an der Anfahrung. Er habe das Radargerät als technisches Hilfsmittel nicht einzusetzen brauchen.
Während des Berufungsverfahrens haben sich die Versicherer des Schiffes mit der Gemeindeverwaltung in Schw. zur Höhe der Feuerwehrkosten auf einen Betrag von 100.000,-- EUR geeinigt, den die Klägerin nunmehr in ihren Zahlungsantrag derart einbezieht, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.099.186,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.05.2003 zu zahlen. Den Feststellungsantrag hält sie unverändert aufrecht.


Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.


Sie tritt zur Erstattung der Feuerwehrkosten der Klageerweiterung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen vertritt sie die Auffassung, dass der streitige Brückenpfeiler bei guter Voraussicht trotz Dunkelheit für einen auch nur einigermaßen sorgfältig agierenden Schiffsführer erkennbar gewesen sei. Auch sei von der taghell beleuchteten Baustelle ein Restlicht auf den Brückenpfeiler gefallen. Die Beklagte führt den Unfall allein auf grobe Fahrfehler des Schiffsführers von GMS „I." zurück. Dieser wäre in jedem Fall verpflichtet gewesen, das Radargerät zu benutzen. Bei entsprechender Sorgfalt hätte er auf dem Radarbild den Brückenpfeiler mit den Radartonnen erkennen können. Offensichtlich sei er infolge einer Überschreitung der Fahrzeit ermüdet gewesen.


Die eingelegte Berufung hatte teilweise Erfolg. Der angerufene Senat hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und durch Grund- und Teilurteil
1. dem Antrag auf Ersatz des Schadens dem Grunde nach zu 1/3 stattgegeben;
2. festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Havarie-GrosseKosten sowie sämtliche weiteren Schäden zu 1/3 zu ersetzen, die der Versicherungsnehmerin der Klägerin und den Ladungsbeteiligten nach dem Untergang des GMS „I." am 21.11.2000 aus Anlass der Kollision mit einem Pfeilerstumpf der Moselbrücke Mehring bei Mosel-km 171,520 entstanden sind.
Die weitergehende Klage wurde ebenso abgewiesen wie entsprechend die Berufung im Übrigen zurückgewiesen wurde.
Zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs hat der Senat den Rechtsstreit an das Moselschifffahrtsgericht St. Goar zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen ist.


Dazu führt das Berufungsgericht aus:


Soweit die Klägerin hinsichtlich der Feuerwehrkosten vom Feststellungs- zum Zahlungsantrag übergegangen ist und den Klageantrag zu 1) um 100.000,-- EUR nebst Zinsen erweitert hat, handelt es sich um eine gemäß § 533 ZPO zulässige Klageänderung. Das Verfahren hat sich bisher auf die Haftung der Beklagten dem Grunde nach beschränkt. Der Senat erlässt — wie in Binnenschifffahrtssachen üblich — ein Grundurteil und verweist die Sache  wegen des Höheverfahrens an das Moselschifffahrtsgericht zurück. Insofern bedurfte es nicht der Feststellung von Tatsachen, die über diejenigen hinausgehen, die der Senat ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte. Es erschien außerdem sachdienlich, dass das Moselschifffahrtsgericht im Höheverfahren auch über die Höhe der Feuerwehrkosten entscheidet.


Zur Sache:

Nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, ist die Verkehrssicherungspflicht einer Wasserstraße privatrechtlicher Natur. Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten beurteilen sich daher nach §§ 823, 31, 89, 831 BGB (vgl. BGH NJW 83, S. 2313 ff. und ZfB 85, Sammlung S. 1124).
Entgegen der Auffassung des Moselschifffahrtsgerichts hält der Senat die Hinweisschilder auf die Brückenbaustelle und die Radartonnen zur Sicherung des Brückenpfeilers nicht für ausreichend. Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Verkehrssicherungspflicht, die hier anzuwenden sind, umfasst die Verkehrssicherungspflicht für Wasserstraßen die Kennzeichnung von Gefahrenstellen durch deutliche Zeichen (RGRK - Steffen BGB 12. Aufl., § 823 Rn. 214; Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl., Einführung Rn. 12 ff.). Der Senat folgt nicht dem Moselschifffahrtsgericht in seiner sich auf ein Urteil des OLG Karlsruhe (ZfB 03, 48 ff.) stützenden Auffassung, der Verkehrssicherungspflichtige könne davon ausgehen, dass der Benutzer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten und sich auf die normalerweise aus dem Betrieb der Anlage ergebenden Risiken einstellen werde. Der Senat hält diese Entscheidung nicht für einschlägig und verweist darauf, dass das OLG Karlsruhe in seiner Entscheidung selbst ausgeführt hat, dass im dort zu beurteilenden Fall, der die Verkehrssicherungspflicht im Flachwasserbereich des Bodensees betraf, keine vergleichbar strengen Verkehrssicherungspflichten wie für eine Bundeswasserstraße gelten. Demgegenüber sah der Senat eine Vergleichbarkeit mit den Fällen, die den Entscheidungen des OLG Karlsruhe (VkBI 77, S. 393 ff.) des BGH (NJW 76, S. 748 f.) und des Senats (3 U 135/95 BSchMo) zugrunde lagen. Denn die vorgenommenen Änderungen umfassten auch die Entfernung bisher von der Schifffahrt benutzter Zeichen. Nicht nur war die Brücke verschwunden, die unstreitig nachts durch die Straßenbeleuchtung erhellt gewesen war und deshalb auch bei Dunkelheit von den allein mit optischer Sicht fahrenden Schiffen gesehen werden konnte. Ausweislich des von der Brücke aufgenommenen Lichtbildes war der von der Bergfahrt zu benutzende Teil der Fahrrinne im mittleren Brückenbogen auch durch die Zeichen A.10 und D.1 der Anlage 7 zur MoselSchPV gekennzeichnet gewesen. Diese Zeichen waren sicherlich auch nachts bei guter Feuersicht zu sehen und hatten der Schifffahrt zur Orientierung bei der Fahrt durch den Brückenbogen gedient. Unter diesen Umständen erscheint dem Senat die Wahrschau nur mit Hinweisschildern auf Brückenbauarbeiten — ein gesonderter Hinweis auf den Abriss der Brücke und das Stehenbleiben der Pfeiler war nicht erfolgt — und die Ersetzung der Radarschieren am Brückenpfeiler durch Radartonne (Zeichen V.A.1 und 2 der Anlage 8 zur MoselSchPV) als unzureichend. Der Senat hielt es deshalb für erforderlich, dass die Beklagte eine Kennzeichnung wählte, die für jeden Verkehrsteilnehmer eindeutig und unmissverständlich die Art und Lage der nicht ohne weiteres erkennbaren Gefahrenquelle klarstellte und es ihm ermöglichte, rechtzeitig Ausweichmanöver auszuführen (BGH VersR 56, S. 504 ff.). Nach Ansicht des Berufungsgerichts muss die Beklagte ferner in Rechnung stellen, dass möglicherweise einige Schiffsführer — wenn auch unter Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflichten — nicht das Radargerät benutzen, sondern bei guter Feuersicht allein auf optische Sicht fahren könnten. Weiter war damit zu rechnen, dass Schiffsführer durch die taghell erleuchtete Baustelle am linken Brückenpfeiler geblendet oder abgelenkt sein könnten. Die Beklagte musste daher die Gefahrenstelle so kennzeichnen, dass sie auch von solchen Verkehrsteilnehmern rechtzeitig gesehen werden konnte. Denn die Verkehrssicherungspflicht kann gerade auch Maßnahmen umfassen, die im Verkehr vor Folgen fehlerhaften Verhaltens einzelner Verkehrsteilnehmer zu schützen (BGH NJW 80, 2194 (96)). Der Brückenpfeiler hätte daher zusätzlich entweder durch die Anbringung von Lichtern von Pfeilern selbst oder durch Wahrschauflöße mit den entsprechenden Lichtern und Zeichen gesichert werden müssen. Der Senat folgt nicht der Auffassung der Beklagten, die Situation sei vergleichbar mit derjenigen an der ehemaligen LudendorffBrücke bei Remagen, deren Pfeiler sich unmittelbar neben der Fahrrinne im Fahrwasser befinde und seit eh und je nachts unbeleuchtet sei. Diese Gefahrenquelle war der Schifffahrt seit Jahrzehnten bekannt. Im Unterschied dazu waren im vorliegenden Fall die Schiffsführer daran gewöhnt, sich nachts an der beleuchteten Mehringer Brücke nebst den an ihr angebrachten Schifffahrtszeichen zu orientieren. Durch deren Abriss seien sie - trotz der Baustellenhinweise - vor eine überraschende Situation gestellt, die die Gefahr von Fehlreaktionen in sich barg. Nach alledem bejaht der Senat ein Verschulden der Beklagten an der Havarie.
Allerdings treffe den Schiffsführer von MS „I." ein erhebliches Mitverschulden an der Anfahrung des Brückenpfeilers. Dieses müsse sich die Klägerin gemäß § 254 BGB anrechnen lassen. Insoweit teilt der Senat die Auffassung des Moselschifffahrtsgerichts, dass der Schiffsführer im Hinblick auf die „verschwundene" Brücke sein Radarbild hätte auswerten und den Pfeiler mit den beiden Radarbojen bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte sehen müssen. Er sei durch den nautischen Informationsfunk und die Schilder mit dem Hinweis auf Brückenbauarbeiten vorgewarnt gewesen. Wenn er die Brücke wegen der nicht mehr vorhandenen Straßenbeleuchtung nicht mehr sehen konnte, durfte er nicht einfach darauf vertrauen, dass die gesamte Brücke einschl. des rechten Brückenpfeilers abgebrochen war. Er hätte sich darüber vielmehr durch Auswertung des Radarbildes Gewissheit verschaffen müssen. Das gebot die allgemeine Sorgfaltspflicht gemäß § 1.04 MoselSchPV. Aus ihr ergab sich die Notwendigkeit, die an Bord vorhandene technische Einrichtung auch ohne ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung zu benutzen, um die Gefährdung von Menschenleben und das Entstehen von Sachschäden zu vermeiden (BGH VersR 91, S. 605; Bemm/von Waldsein, RheinSchPV, § 1.04 Rn. 4). Auch wenn es kein Mischsystem zwischen der Fahrt nach Sicht und Radar gibt (Bemm/von Waldstein a.a.O. § 6.30 RN 10), ist es nach Ansicht des Senats geboten, in einer unklaren Situation wie in dem vorliegenden Fall, in dem sich Änderungen im Revier ergeben haben, das Radarbild auszuwerten. Bei den heutigen leistungsstarken Radargeräten sei auch selbst bei nur gelegentlicher Betrachtung des Radarbildes während der Fahrt nach Sicht nicht zu befürchten, dass es zu ungenauen Beobachtungen, Missverständnissen und Unklarheiten komme. Im Übrigen habe der Schiffsführer entsprechend der allgemeinen Übung das Radargerät ständig mitlaufen lassen, um in besonderen Situationen darauf zurückgreifen zu können. Wenn er sich dazu entschlossen habe, nach Sicht und nicht nach Radar zu fahren, hätte der Schiffsführer entsprechend den Verpflichtungen gemäß § 6.30 MoselSchPV einen Ausguck aufstellen müssen, zumal er ein Fernglas zu Hilfe genommen habe, als er die Brücke auf dem Radarbildschirm nicht gesehen habe. Die Beeinträchtigung durch Dunkelheit schaffen für sich allein kein „unsichtiges Wetter"; dennoch könne es die nautische Sorgfalt gebieten - so der Senat -, auch bei derartigen Sichtbeeinträchtigungen die Regeln für die Fahrt bei unsichtigem Wetter zu beachten (Bemm/von Waldstein a.a.O. Rn. 5; siehe auch Straßburg ZfB 73, S. 263 f.). Dies hat der Schiffsführer aber unterlassen. Er ist einfach ins Dunkle hineingefahren und dann auch noch mehr zum rechten Ufer hin außerhalb der Fahrrinne, obwohl er wusste, dass in diesem Bereich vorher ein Brückenpfeiler gestanden hatte. Hätte er dagegen das Radarbild mit der gebotenen Sorgfalt betrachtet, hätte er zweifelsfrei den Pfeiler und die beiden Radarbojen gesehen. Der Senat verweist darauf, dass beim Nachstellen der Unfallfahrt durch das Moselschifffahrtsgericht ausweislich des Protokolls vom 04.12.00 festgestellt wurde, dass auf dem Radarbild der Brückenpfeiler mit davor und dahinter liegender Radarboje von Mosel-km 171 aus klar erkennbar war. Dies ergebe sich auch aus den zu den Akten gereichten Radarbildern. Der Pfeiler der Unfallstelle bei Mosel-km 171,52 sei nebst den Radarbojen jedenfalls aus einer Entfernung von rd. 500 m auf dem Radarschirm erkennbar gewesen. Der Senat kommt aufgrund dessen zu der Feststellung, dass der Schiffsführer die Anfahrung des Brückenpfeilers schuldhaft verursacht hat.
Im Rahmen der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens sieht der Senat ein überwiegendes Verschulden beim Schiffsführer. Er lastet ihm einen groben Verstoß gegen die nautische Sorgfaltspflicht an, weil er trotz der Warnhinweise und der von ihm wahrgenommenen Beseitigung der Brücke nicht mehr auf das Radarbild geschaut hat, um sich darüber zu vergewissern, ob der vorher vorhandene Brückenpfeiler noch da war.
Demgegenüber sei der Beklagten im Rahmen der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht lediglich vorzuwerfen, dass die von ihr vorgenommene Maßnahme nicht ausreichend war, es vielmehr zusätzlich der Anbringung von Lichtern bedurft hätte, um auch die bei Dunkelheit nach optischer Sicht fahrenden Verkehrsteilnehmer auf die Gefahrenstelle aufmerksam zu machen. Sie habe nautische Fehler, wie sie dem Schiffsführer von GMS „I." unterlaufen sind, nicht in Rechnung gestellt.
Nach Abwägung aller Umstände schätzt der Senat das Verschulden des Schiffsführers als etwa doppelt so hoch wie das der Beklagten ein. Er hält daher eine Quotierung im Verhältnis 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Klägerin für angemessen. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision hält der Senat für nicht gegeben.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2005 - Nr.1/2 (Sammlung Seite 1928 ff.); ZfB 2005, 1928 ff.