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3 U 211/94 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Decision Date: 14.07.1995
File Reference: 3 U 211/94 BSch
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Oberlandesgericht Köln
Department: Schiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Die einem Frachtvertrag zugrunde liegenden Verschiffungsbedingungen gehen als spezielle Regelungen etwaigen Handelsbräuchen vor.

2) Ein Frachtführer kann den ihm nach den Verschiffungsbedingungen obliegenden Entlastungsbeweis, daß die Beschädigung einer Ladung durch Umstände herbeigeführt worden ist, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnte, auch führen, wenn der Schaden durch Verunreinigung der Ladung auf dem Schiff entstanden ist.

3) Zu beweisen ist, daß die Schiffsbesatzung die nach den jeweiligen Vorladungen üblichen Reinigungsmethoden angewendet hat. Andere Reinigungsmethoden können ohne entsprechende spezielle Anordnung des Absenders von der Schiffsbesatzung nicht erwartet werden.

Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln

vom 14.7.1995

3 U 211/94 BSch

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, macht als Rechtsnachfolgerin ihrer Versicherungsnehmerin, der B, gegen die Beklagte zu 1), deren Schiff vom Beklagten zu 2) geführt wurde, Schadensersatzansprüche aus einem Ladungsschaden geltend.

Aufgrund des Rahmenfrachtvertrages zwischen der B und der Beklagten zu 1) übernahm letztere mit TMS "A" eine Ladung Dimethylformamid (DMF) zum Transport nach Rotterdam. Dem Vertrag lagen die "Verschiffungsbedingungen für Binnenschiffstransporte - Flüssiggut in Tankschiffen -" der B zugrunde.

Hierin heißt es:


"1. Allgemeines
Die Beförderung erfolgt, vorbehaltlich besonderer Vereinbarungen, aufgrund nachstehender Bedingungen, des deutschen Binnenschiffahrtsgesetzes und des sonst einschlägigen deutschen Rechts.

Bedingungen der Frachtführer, z.B. in Schreiben, Abschlußbestätigungen oder Verladescheinen, die B nicht ausdrücklich anerkannt hat, gelten als nicht vereinbart.

2. Vorlage der Schiffe

Die Ladetanks, Rohrleitungen, Schläuche und Pumpen müssen bei Vorlage des Schiffes zur Aufnahme des vorgesehenen Produktes geeignet sowie entsprechend gereinigt sein, damit eine Verunreinigung des Ladegutes nicht eintreten kann. Die Inspektion durch einen Mitarbeiter des Absenders oder des jeweiligen Verladers oder einen Kontrolleur betrifft nur offensichtliche Mängel und entbindet den Frachtführer nicht von der Haftung.

9. Pfandrecht/Haftung

Für Schäden, die durch Verlust oder Beschädigung des Frachtgutes in der Zeit zwischen dem Passieren des Anschlußflansches des Schiffes beim Beladen und dem Passieren des Anschlußflansches des Schiffes beim Löschen entstehen, haftet der Frachtführer, sofern er nicht beweist, daß der Verlust oder die Beschädigung durch Umstände herbeigeführt sind, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnten."

Als Vorladungen hatte TMS "A" Naphtha und anschließend konzentrierte Schwefelsäure transportiert. Nach der Entladung wurde das Schiff gereinigt und durch die Firma J besichtigt. In dem Kontrollbericht heißt es: "Die Tanks, Rohrleitungen, Pumpen und Filter waren, soweit einsehbar, sauber, trocken, rostfrei (V-Stahl) und frei von Rückständen der letzten Ladung. Das Schiff war nach unserer Ansicht für die Aufnahme der vorgesehenen Ladung geeignet."

Am 4. Oktober 1991 gegen Mitternacht begann die Beladung des Schiffes mit DMF. Nachdem die Tanks 1, 3 und 4 mit ca. 40 cm DMF gefüllt waren, wurde eine sogenannte Fußprobe gezogen. Der Ladevorgang wurde zwischen 3.00 Uhr und 7.00 Uhr morgens unterbrochen. Anschließend wurde bis gegen 10.30 Uhr weitergepumpt. Danach wurden aus allen Kammern weitere Proben genommen. Anschließend trat das Schiff seine Reise an. Bei den am Nachmittag und Abend des 5. Oktober 1991 durchgeführten Untersuchungen der Proben zeigte sich eine Verfärbung des Produkts. Während in drei Kammern die Farbwerte unter 5 Apha lagen - die höchstzulässige Farbzahl beträgt 10 Apha - , wurde bei den Mustern aus den übrigen Tanks Werte zwischen 10 bis 40Apha gemessen. Das Schiff wurde daraufhin durch die B zurückbeordert und am 7. Oktober 1991 entladen.

Die Klägerin hat vorgetragen, das bei der B übernommene DMF sei mangelfrei gewesen. Seine Verfärbung beruhe auf einer unzureichenden Säuberung des Schiffs.

Die Beklagten haben behauptet, das Schiff sei ordnungsgemäß gereinigt worden. Sie haben die Ansicht vertreten, als Handelsbrauch seien die TankschiffTransportbedingungen Grundlage der Verschiffung geworden. Sie haben sich insoweit auf Ziffer 13 und 14 berufen, die wie folgt lauten:


"Der Absender hat sich vor Beladung zu überzeugen, daß die Räume, Rohrleitungen und Pumpen des Schiffs den für die Ladung notwendigen Reinheitsgrad besitzen. Genügt der Reinheitsgrad dem Absender nicht, so kann er Nachreinigung verlangen. Nach Beginn der Beladung kann der Absender keine Ansprüche wegen Beschädigung der Ladung infolge mangelnder Reinheit an den Frachtführer stellen. Im übrigen haftet der Frachtführer für den Schaden, der auf einem Mangel der Fahr- und/oder Ladungstüchtigkeit des Schiffes beruht, es sei denn, daß der Mangel bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers bis zum Antritt der Reise nicht zu entdecken war."


Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Schiffahrtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da ein Verschulden der Beklagten an der Verfärbung der Ladung DMF nicht vorliegt. Der Senat geht übereinstimmend mit dem Schiffahrtsgericht davon aus, daß sich die Haftung der Beklagten nicht nach Ziff. 13 und 14 der Tankschiff-Transportbedingungen, sondern nach Ziff. 2 und 9 der Verschiffungsbedingungen für Binnenschiffstransporte der E richtet, da letztere unstreitig dem Frachtvertrag zugrunde gelegt worden sind und daher als spezielle Regelungen etwaigen Handelsbräuchen vorgehen. Die Beklagten haben sich demnach dahin zu entlasten, daß die Beschädigung der Ladung durch Umstände herbeigeführt worden ist, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnte.
Ferner stimmt der Senat mit dem Schifffahrtsgericht darin überein, daß die Verunreinigung des DMF erst auf dem Schiff und nicht etwa durch eine Verschmutzung des Ladegalgens erfolgt ist. Dagegen spricht schon, daß die Verfärbung in den einzelnen Laderäumen unterschiedlich war, während man bei einer Verschmutzung des Ladegalgens eine gleichmäßige Kontaminierung des DMF in allen Räumen oder aber eine kontinuierlich abnehmende Verfärbung in der Reihenfolge der Beladung der einzelnen Tankräume hätte erwarten dürfen. Zudem scheidet das mit dem Ladegalgen vorher verladene Produkt 2Ethyl-Hexanol nach den Feststellungen des sachverständigen Zeugen S als Auslöser einer Verfärbung aus. Im übrigen spricht der Umstand, daß nach den von der B und dem sachverständigen Zeugen S angestellten Versuchen gerade das Vorvorladungsprodukt Naphtha nach simuliertem Trokkenblasen in Kombination mit dem Vorladungsprodukt Schwefelsäure bei DMF eine Gelbfärbung hervorruft, wie sie hier aufgetreten ist, dafür, daß tatsächlich Reste der Vorladungen in den Tankräumen des Schiffs für diese Verfärbung ursächlich waren.

Letztlich kann jedoch offenbleiben, ob auch Reste anderer Produkte im Ladegalgen zu der Verunreinigung des DMF geführt haben können; denn den Beklagten ist jedenfalls der ihnen obliegende Entlastungsbeweis gelungen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß die Schiffsbesatzung die nach den jeweiligen Vorladungen üblichen Reinigungsmethoden angewandt hat. Wie der Sachverständige Dr. Sch ausgeführt hat, ist nach einem Transport von Naphtha das Ausblasen Stand der Technik. Bei anderen Nachfrachten als Gasöl ist zusätzlich Ausspritzen mit Aufwischen der Restmengen im Ladungsraum erforderlich. Bei Schwefelsäure ist das Ausblasen und sodann das Ausspritzen mit Spritzwasser und Trocknen Stand der Technik. Auch der sachverständige Zeuge S hält es für ausreichend, die Räume nach einem Transport von Schwefelsäure auszuspritzen; es sei nicht üblich, sie voll unter Wasser zu setzen.
Diese üblichen Säuberungen sind nach der glaubhaften Aussage des Zeugen V durchgeführt worden. Bestätigt wird dies durch die Feststellungen des Prüfers der Firma J im Kontrollbericht vom 7. Oktober 1991, wonach die Tanks, Rohrleitungen, Pumpen und Filter vor der Beladung mit DMF - soweit einsehbar - sauber, trokken, rostfrei und frei von Rückständen der letzten Ladung waren.
Der Senat hält die Auffassung des Sachverständigen Dr. Sch, eine absolute Reinigungsmöglichkeit sei nicht gegeben, für zutreffend. Der sachverständige Zeuge S hat bei seinen Laborversuchen selbst festgestellt, daß von dem Naphtha-Schwefelsäure-Rückstand nach dem Spülen mit Wasser ein nicht sichtbarer, aber fühlbarer leicht fettiger Hauch von Belag an der Gefäßwand übrig bleibt. Aus dem Umstand, daß die Apha-Werte in drei Tankräumen noch im Toleranzbereich lagen, in den übrigen aber höher waren, kann nicht ausgeschlossen werden, letztere Tanks seien nicht ordnungsgemäß gereinigt worden.

Das Schiffahrtsgericht geht zu Recht davon aus, daß die von dem sachverständigen Zeugen S und den Chemikern der B durchgeführten Laborversuche mit einem Becherglas nicht auf die Verhältnisse an Bord übertragbar sind. Zum einen gibt es nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch verschiedene Naphta-Fraktionen, und es steht nicht fest, um welches Naptha es sich jeweils gehandelt hat. Zum anderen waren die Verunreinigungen äußerst gering. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch lagen sie im ppbBereich, also von Teilen pro Milliarde. Bei einer Gesamtlademenge von 600.415 kg kann sich demnach in jedem Laderaum nur ein winziger Bruchteil eines Gramms von Naphta-Schwefelsäure-Rückstand befunden haben, wohl in Form eines nicht sichtbaren Hauchs von Belag an den Tankwänden. Es ist nicht ersichtlich, wie die Schiffsbesatzung diese optisch nicht wahrnehmbaren minimalen Spuren von Rückständen mit den üblichen Reinigungsmethoden hätte beseitigen können.

Der von dem Sachverständigen S angestellte Versuch mit einem Becherglas, bei dem durch Ausspülen mit Wasser ein günstiger Reinigungseffekt erzielt worden ist, erscheint jedenfalls deshalb nicht übertragbar, weil es auf dem Schiff um ganz andere Dimensionen geht. Daß es in den einzelnen Tankräumen zu unterschiedlichen Verfärbungen gekommen ist, kann z.B. darauf beruhen, daß unterschiedliche Relationen zwischen dem Rauminhalt des Produkts und den umgebenden Wandflächen vorlagen, je nach Form der Tankräume bzw. der jeweiligen Verfüllhöhe. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, daß fetthaltige Rückstände, um die es sich hier handelt, nicht einfach mit Wasser zu beseitigen sind. Um Fett zu lösen, bedarf es heißen Wassers und der Zugabe von Lauge. Mit reinem, normal temperiertem Wasser bis ca. 20 Grad C. lassen sich erfahrungs- gemäß fetthaltige Rückstände auf keinen Fall völlig entfernen. Hierzu bedarf es daher nicht der Einholung eines Obergutachtens.

Ein höherer Reinigungseffekt mag allen falls zu erzielen sein, wenn zusätzlich zu dem Ausblasen und Abspritzen die Tankwände noch vollständig mit weichen Lappen abgerieben würden. Eine solche Reinigungsmethode ist aber nach den Feststellungen der Sachverständigen nicht üblich und kann daher ohne eine entsprechende spezielle Anordnung des Absenders von der Schiffsbesatzung nicht erwartet werden..."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1996 - Nr.4 (Sammlung Seite 1583 f.), ZfB 1996, 1583 f.