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3 U 136/06 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Decision Date: 24.04.2007
File Reference: 3 U 136/06 BSch
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Oberlandesgericht Köln
Department: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Ein Absender haftet dem Frachtführer verschuldensunabhängig für Schäden am Schiff, die dadurch verursacht sind, dass aus ungenügend verpackten Stahlcoils Konservierungsöl ausgetreten ist, nach § 414 I Nr. 1, erste Alternative HGB. Der Absender hat die Güter gemäß § 411 HGB so zu verpacken, dass dem Frachtführer kein Schaden entsteht. Die Schadenersatzpflicht umfasst auch die Kosten der Einschaltung eines Rechtsanwaltes im Vorprozess vor einem Amtsgericht, es sei denn, die Angelegenheit ist einfach gelagert. Diese Erstattungspflicht kann auch bei einer mangelhaften Prozessführung des Vorprozesses allenfalls dann entfallen, wenn nachgewiesen wird, dass im Falle andersartiger Prozessführung die Kosten nicht oder nur in geringerem Umfange angefallen wären.

 

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege des Regresses in Anspruch, nachdem sie, die Klägerin, im Verfahren vor dem Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, 5 C 22/04 BSch, zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden ist. Der Verurteilung im Vorprozess lag zugrunde, dass die von der Beklagten zu einem Festpreis beauftragte Klägerin in eigenem Namen und für eigene Rechnung die W. mit dem Transport von insgesamt 900 to. Stahlcoils betraut hatte. Diese Ladung verunreinigte das Schiff mit ausgelaufenem Konservierungsöl. Die Klägerin hatte der Beklagten im Vorprozess den Streit verkündet; die jetzige Beklagte war auf Seiten der Klägerin beigetreten.
Das Schifffahrtsgericht hat die Klageforderung in voller Höhe von 2.166,86 Euro nebst Zinsen zuerkannt. Es ist davon ausgegangen, dass die Beklagte eine ihr im Verhältnis zur Klägerin als Frachtführerin obliegende Informationspflicht betreffend das als Gefahrgut anzusehende Sendungsgut verletzt habe und daher gem. §§ 414 Abs.1 Nr.3, 410 Abs.1 HGB auf Schadensersatz hafte. Davon sei bereits aufgrund der Bindungswirkung der Entscheidung im Vorprozess auszugehen. Der Höhe nach sei der Anspruch in vollem Umfang gegeben, wobei auch die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes im Vorprozess als erforderlich anzusehen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen diese Würdigung des Schifffahrtsgerichts wendet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte meint, zu einer Information der Klägerin über Gefahren des Transports nicht verpflichtet gewesen zu sein. Zum Einen sei die Haftung der Beklagten aus §§ 410, 414 HGB konkludent abbedungen worden. Zum Anderen habe die Klägerin aus eigener Sachkunde um die entsprechende Gefahr austretenden Öls gewusst und gem. § 412 HGB selbst für die sichere Verladung sorgen müssen. Schließlich habe es sich auch überhaupt nicht um Gefahrgut im Sinne des § 410 HGB gehandelt; dieser Einwand sei der Beklagten trotz der Interventionswirkung gem. §§ 68, 74 Abs. 3 ZPO nicht abgeschnitten, denn die Klägerin habe den Vorprozess mangelhaft geführt. Schließlich habe das Schifffahrtsgericht gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens verstoßen, indem es trotz schon bestehender Abweisungsreife, weiteren Vortrag der Klägerin ermöglicht habe, der erst noch zur Schlüssigkeit der Klage geführt habe.


Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Akten des Verfahrens vor dem Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, 5 C 22/04 BSch, die Gegenstand der Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:


Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet, denn der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu.
Es kann offen bleiben, ob der Klägerin, wie
vom Schifffahrtsgericht angenommen, ein Anspruch gem. §§ 414 Abs.1 Nr.3, 410 HGB zusteht; denn jedenfalls ergibt sich der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 414 Abs.1 Nr.1 HGB.
1. Der Senat tritt den Ausführungen des Schifffahrtsgericht zur Grundlage einer vertraglichen Haftung der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin im Ansatz bei; offen muss allerdings bleiben, ob der Beklagten hier gegenüber der Klägerin tatsächlich noch eine Informationspflicht oblag, deren Verletzung sie zum Schadensersatz verpflichtet.
a. Nachdem im Verhältnis zwischen den Parteien unstreitig eine Spedition zu festen Kosten vereinbart wurde, gilt über § 459 HGB Frachtrecht, wobei im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter die Beklagte als Absender und die Klägerin als Frachtführer anzusehen ist. Dass die Parteien die Haftung der Beklagten aus §§ 410, 414 HGB konkludent abbedungen hätten, ist nicht ersichtlich. Die allein unstreitige mündliche Entgegennahme von Informationen durch die Klägerin beinhaltet keinen konkludenten Verzicht auf inhaltlich weiter gehende Information, soweit diese als vertraglich geschuldet anzusehen ist; abbedungen ist insoweit allenfalls das Schriftformerfordernis (so auch Koller, TransportR, 5. Aufl., § 410 HGB Rn3 a.E.). Dass es sich bei den transportierten Stahlcoils um Gefahrgut im Sinne des § 410 HGB handelt, hat das Schifffahrtsgericht seiner Entscheidung im Vorprozess als tragend zugrunde gelegt; von dieser Feststellung ist daher schon aufgrund der Interventionswirkung gem. §§ 68, 74 Abs.3 ZPO auch im vorliegenden Verfahren auszugehen. Der insoweit gegenüber der Klägerin erhobene Vorwurf nachlässiger Prozessführung greift nicht durch. Eine Aufhebung der Bindungswirkung kommt gem. § 68 ZPO nur in Betracht, soweit der Nebenintervenient im Vorprozess selbst gehindert war, seine Interessen wahrzunehmen (Zöller-Vollkommer, § 68 ZPO Rn11). Das ist hier nicht ersichtlich. Angesichts der im Vorprozess bereits frühzeitig im November 2004 erfolgten Streitverkündung war die jetzige Beklagte in die Lage versetzt, ihre Interessen im Verfahren, dessen mündliche Verhandlung erst am 21.02.2005 stattfand, selbst wahrzunehmen. Von der Möglichkeit der Einlegung einer Berufung hat die Beklagte bewusst abgesehen. Unstreitig hat die Beklagte die Klägerin auch nicht auf die Gefährlichkeit des Gutes, nämlich darauf, dass aus den verpackten Coils Öl austreten konnte, hingewiesen, obwohl ihr diese Gefahr selbst unstreitig bekannt war.
b. Allerdings war diese Gefahr nach eigenen Angaben auch der Klägerin bekannt, so dass es – vorbehaltlich des Vorliegens weiterer, der Klägerin nicht bekannter gefahrerhöhender Umstände – eines Hinweises möglicherweise nicht mehr bedurfte (vgl. Koller, TransportR, 5.Aufl. 2004, § 410 HGB Rn9).
2. Diese Frage kann hier im Ergebnis offen bleiben, denn die Beklagte haftet der Klägerin jedenfalls gem. § 414 Abs.1 Nr.1 HGB auf Schadensersatz, weil der Schaden durch ungenügende Verpackung verursacht worden ist.
a. Ungenügend im Sinne des § 414 Abs.1 Nr.1 HGB ist eine Verpackung dann, wenn sie den Vorgaben des § 411 HGB nicht entspricht (Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, § 414 HGB Rn20). § 411 S.1 HGB verlangt vom Absender – vorbehaltlich hier nicht vorliegender abweichender vertraglicher Vereinbarungen –, dass er das Gut so verpackt, dass dem Frachtführer keine Schäden entstehen. Entspricht die Verpackung diesen Anforderungen nicht, so haftet der Absender dem Frachtführer u.a. auf Erstattung der Kosten einer hieraus resultierenden Inanspruchnahme durch Dritte (Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, § 414 HGB Rn15).
b. Die Verpackung der Coils war hier, an diesem Maßstab gemessen, ungenügend. Der Vertreter der Beklagten hat im Termin vor dem Senat selbst erklärt, hier liege ein »Verpackungsausreißer« vor; nur weil die Verpackung einzelner Coils hier nicht wie sonst in der weit überwiegenden Zahl der Fälle dicht genug gewesen sei, um das üblicherweise zur Behandlung der zu transportierenden Coils eingesetzte Öl aufzufangen, sei es zu dessen Austritt gekommen.
c. Damit war die Verpackung im vorliegenden Fall aber entgegen § 411 HGB auch nicht mehr geeignet, Schäden beim Frachtführer zu vermeiden. Hierfür hat die Beklagte, die im Verhältnis zur Klägerin als Absender anzusehen ist, gem. § 414 Abs.1 Nr.1 HGB ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden einzustehen, und zwar unbeschadet der Tatsache, dass die Beklagte die Verpackung der Coils hier ersichtlich nicht selbst vorgenommen, sondern von deren Hersteller übernommen hatte (dazu vgl. Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, § 414 HGB Rn21).
d. Die der Klägerin aufgrund Inanspruchnahme durch Dritte entstandenen Kosten sind in geltend gemachter Höhe erstattungsfähig. Die allein umstrittenen Kosten betreffend die Einschaltung eines Rechtsanwalts im Vorprozess sind als erforderliche Aufwendungen anzusehen. Denn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes ist auch in vor dem Amtsgericht zu führenden Prozessen grundsätzlich erforderlich, es sei denn, die Angelegenheit ist einfach gelagert (Palandt-Heinrichs, § 249 BGB Rn39); davon kann angesichts der hier zu prüfenden Frage der Reichweite und des Ausschlusses von Hinweispflichten gem. § 410 HGB und möglicher Ansprüche auf der Grundlage von § 414 Abs.1 HGB nicht ausgegangen werden. Der Erstattungspflicht der Beklagten steht auch die aus Sicht der Beklagten mangelhafte Prozessführung der anwaltlichen Vertreter der Klägerin im Vorprozess nicht entgegen. Denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass diese Kosten im Falle andersartiger Prozessführung nicht oder in geringerem Umfang angefallen wären. Das Schifffahrtsgericht hat entscheidend auf die Rechtsfrage der Reichweite der Hinweispflicht gem. § 410 HGB abgestellt und das gesamte Vorbringen der jetzigen Beklagten als nicht ausreichend angesehen, um eine Haftung der Klägerin zu verneinen; was die Klägerin darüber hinaus hätte konkret vortragen können, um ihrem Standpunkt zum Erfolg zu verhelfen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
e. Ein Mitverschulden der Klägerin oder des ausführenden Frachtführers an der Schadensentstehung kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat zwar in der Berufungsbegründung darauf hingewiesen, dass die Klägerin die Sendung bei Übernahme habe untersuchen müssen; hätte sie dies getan, so wäre ihr der Ölaustritt aufgefallen und sie hätte noch vor Verschmutzung der MS »W.« vorbeugende Maßnahmen treffen können. Die Klägerin hat indes bestritten, dass zu diesem Zeitpunkt austretendes Öl zu sehen gewesen sei, ohne dass die insoweit für eine Mithaftung der Klägerin gem. § 414 Abs.2 HGB nach allgemeinen Grundsätzen beweispflichtige Beklagte (vgl. hierzu (Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, § 414 HGB Rn32) Beweis angetreten hätte. Die Frage, ob das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten insoweit mit Blick auf § 531 ZPO und die Interventionswirkung des Vorprozesses überhaupt noch zuzulassen wäre, obwohl so in erster Instanz noch nicht vorgetragen war und im Vorprozess davon ausgegangen werden musste, dass die Ölverschmutzung noch nicht sichtbar war (vgl. Urteil des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort v. 14.03.2005, 5 C 22/04, 8.7), kann daher dahinstehen.