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286 Z - 10/93 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 17.06.1993
File Reference: 286 Z - 10/93
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 17. Juni 1993

286 Z - 10/93

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 31. März 1992 - 5 C 51/90 BSch - )

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Folgen eines Schiffsunfalls, der sich am 13.12.1989 gegen 23.00 Uhr auf dem Rheinstrom oberhalb Schwelgern ereignet hat.

Die Klägerin ist der Versicherer des MS "L" (1.098 t groß, 550 PS). Sie klagt aus übergangenem Recht.

Die Beklagte zu 1 ist Eignerin des Hafenschubbootes "T I".

Der Beklagte zu 2 hat zur Zeit nachbeschriebener Ereignisse das Hafenschubboot "T I" verantwortlich geführt.

Die Streithelferin ist Eigentümerin der Schubleichter "V 27" und "V 49".

Am 13.12.1989 etwa gegen 23.00 Uhr hatte das Hafenschubboot "T II" bei Dunkelheit und stark windigem Wetter den Schubleichter "V 27" gegenüber der Ausfahrt des Hafens Schwelgern linksrheinisch auf dem Strom abgelegt. Danach fuhr dieses Boot in den Hafen zurück. Alsbald darauf kam das Hafenschubboot "T I" mit dem Schubleichter "V 49" zu dem dortigen Schubleichterliegeplatz und koppelte "V 49" in Flashformation an "V 27" an. Anschließend fuhr das Boot weiter zu Berg, weil es dem Schubboot "M" beim Ablegen helfen wollte. Kurz darauf löste sich der auf "V 49" ausgebrachte Anker und beide Leichter trieben in Schräglage in den Strom. Schubboot "T I" fuhr, nachdem es von dem Verfallen der Leichter informiert worden war, zurück und legte die Leichter wieder stromrecht.

Zu der Zeit, als die beiden Leichter in den Strom verfallen waren, näherten sich ihrer Liegestelle zu Tal mehrere Schiffe, und zwar in der Reihenfolge MS "J-W", MS "F", MS "I", SB "Fl" mit zwei nebeneinander gekoppelten Leichtern und schließlich MS "L". MS "J-W" drehte kurz vor den Leichtern auf. MS "F", MS "I" und der Schubverband "Fl" machten ständig. Bei seinem Manöver verfiel der durch einen rechtsrheinisch befindlichen Stillieger zusätzlich behinderte Schubverband "Fl" zur Strommitte hin. MS "L" versuchte, den Schubverband "Fl" mit Backbordkurs freizufahren, was jedoch nicht gelang. MS "L" kollidierte mit seiner Steuerbordseite etwa mittschiffs mit der Backbordseite des Schubbootes "Fl" und wurde dabei beschädigt.

Die Klägerin hat behauptet, der Schubverband "Fl" habe wegen der verfallenden Leichter abstoppen müssen. Dabei habe es sich um ein Notmanöver gehandelt. Das Ausweichmanöver von "L" sei dadurch zusätzlich erschwert worden, weil gerade der Schubverband "M" zu einer Begegnung Backbord/Backbord mit "L" zu Berg gekommen sei.

Die Klägerin hat den Schaden des Eigentümers des MS "F" auf 61.030.-- hfl beziffert und ausgeführt, die Beklagte zu 1 habe das Schubboot "T I" in Kenntnis des Unfalls und seiner Folgen zu neuen Reisen ausgesandt.

Die Klägerin hat beantragt;

1. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, wegen einer Forderung in Höhe von 61.030,-- hfl bzw. den Gegenwert in Deutscher Mark zu dem am Zahlungstag gültigen Umrechnungskurs nebst 4% Zinsen seit dem 1.2.1990 die Zwangsvollstreckung in das Schubboot "T I" zu dulden.

2. den Beklagten zu 2 zu verurteilen, an die Klägerin 61.030.-- hfl bzw. den Gegenwert in Deutscher Mark zu dem am Zahlungstag gültigen Umrechnungskurs nebst 4% Zinsen seit dem 1.2.1990 zu zahlen.

Die Beklagten und ihre Streitfelferin haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behaupten, die beiden Leichter seien dicht am Ufer ordnungsgemäß abgelegt worden. Infolge des aufgekommenen Windes habe offensichtlich der auf dem Schubleichter "V 49" als Achteranker gesetzte Buganker nicht gehalten.

Zwischen den schrägliegenden Leichtern und dem rechtsrheinischen Ufer sei ein erster Talfahrer vorbeigefahren. Der dem MS "F" in großem Abstand folgende Schubverband "Fl" sei rechtzeitig durch den Schiffsführer des MS "F" davon in Kenntnis gesetzt worden, dass man ständig mache. Obwohl "Fl" von dem linksrheinisch befindlichen Schubverband "M" noch 500 m und den schrägliegenden Leichtern noch 1.200 m entfernt gewesen sei, habe der Schubverband unverzüglich zurückgeschlagen. Dadurch sei das dem Schubverband "Fl" in dichtem Abstand folgende MS "L" dem Schubverband aufgefahren.


Das Rheinschiffahrtsgericht hat nach Vernehmung von Zeugen durch das am 31.3.1992 verkündete Urteil die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Rheinschiffahrtsgericht ausgeführt, die beiden Leichter seien nicht mit der erforderlichen Sorgfalt abgelegt worden. Sie seien bereits kurze Zeit nach ihrem Ablegen verfallen, woraus sich ergebe, dass der Anker angesichts der zur Unfallzeit herrschenden Verhältnisse nicht ausreichend sicher gesetzt gewesen sei. Die Angaben des Zeugen C über die Ausbringung des Ankers entlasteten die Beklagten nicht, weil die Angaben dieses Zeugen über die Kettenlänge und die Lage der Leichter nicht hinreichend genau seien. Aus den Angaben dieses Zeugen ergebe sich aber auch, dass man die Leichter hätte günstiger ablegen können. Die Leichter hätten ein Hindernis auf dem Strom gebildet und die durchgehende Schifffahrt beeinträchtigt. Die durch das Verfallen der Leichter herbeigeführte Situation habe zum Abstoppen des Schubverbandes "Fl" mit Gefahren für nachfolgende Schiffe geführt, was generell vorhersehbar gewesen sei. Ein etwaiges schuldhaftes Verhalten der Schiffsführung des Schubverbandes brauche sich der Rechtsvorgänger der Klägerin nicht anrechnen zu lassen. Da die Höhe des Klageanspruchs streitig sei, sei vorab über den Grund des Klageanspruchs zu entscheiden.

Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung gegen das angefochtene Urteil. Sie meinen, die Leichter seien ordnungsgemäß abgelegt worden. Den Beklagten zu 2 treffe an dem Verfallen der Leichter kein Verschulden. Die durch das Verfallen der Leichter bewirkte Situation habe nicht adäquat-kausal zu dem Auffahren des MS "L" auf den Schubverband "Fl" geführt. Das ergebe sich einerseits aus dem erheblichen Abstand dieses Schubverbandes zu den verfallenden Leichtern und andererseits daraus, dass das Verfallen der Leichter sofort über Kanal 10 bekannt gegeben worden sei. Nur der Schiffsführer von MS "L" wolle eine solche Durchsage nicht gehört haben. Damit könne dieser aber nicht gehört werden, weil er sich selbst ein aktuelles Bild über die Lage habe verschaffen und Vorsorge dafür hätten treffen müssen, dass er Durchsagen über Kanal 10 hätte empfangen können. Hätte er Warnungen über Kanal 10 beachtet, hätte er rechtzeitig sein Schiff ständig machen können. Ihn treffe deshalb an dem Auffahren das alleinige Verschulden. Erschwerend falle ins Gewicht, dass er einen größeren Abstand zu dem vorausfahrenden Schubverband hätte einhalten müssen, weil es ihm nicht möglich gewesen sei, über die leeren Leichter des Schubverbandes vorausschauend das Revier vor "Fl" einzusehen. Zudem habe das nur halbbeladene MS "L" nicht vollan zurückschlagen können, weil die Schrauben anderenfalls Luft gezogen hätten. Infolge des Auffahrens spreche für das Verschulden von Schiffsführer P von MS "L" der Beweis des ersten Anscheins.

Der Besatzung der Hafenschubboote könne nicht der Fahrfehler des Schubverbandes "Fl" vorgeworfen werden. Der Schubverband "Fl" hätte nicht nur langsamer machen, sondern vielmehr auch sein Achterschiff mehr nach rechtsrheinisch hin beifahren müssen. Hätte sich der Schiffsführer des Schubverbandes nautisch richtig verhalten, wäre MS "L" nicht auf den Schubverband aufgefahren.

Die Beklagten und ihre Streithelferin beantragen,

 unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

 die Berufung zurückzuweisen.


Entscheidungsgründe:


Die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache konnte die Berufung jedoch keinen Erfolg haben.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage mit Recht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt (§§ 3, 4, 114 BinSchG, § 7.01 Nr. 4 RheinSchPV, §§ 823, 249 BGB, § 304 Abs. 1 ZPO).

Das Auffahren des MS "L" auf den Schubverband "Fl" beruht auf einem schadensursächlichen Verschulden des Beklagten zu 2. Dieser hat den Schubleichter "V 49" nicht unter Berücksichtigung der Wind- und Wasserstandsschwankungen sowie Sog und Wellenschlag so verankert oder festgemacht, dass er seine Lage nicht in einer Weise verändern konnte, die andere Fahrzeuge gefährdete oder behinderte. Durch das Verfallen des Leichters wurde die durchgehende Schifffahrt behindert und der Schubverband "Fl" zu Manövern gezwungen, denen MS "L" nicht ausweichen konnte, wodurch es zur Anfahrung zwischen diesen Fahrzeugen kam.

1. Für ein Verschulden des Beklagten zu 2 an dem Verfallen der in Flash-Formation gekuppelten Leichter "V 27" und "V 49" spricht der Beweis des ersten Anscheins und zwar geht der Schuldvorwurf dahin, dass die Leichter nicht ordnungsgemäß abgelegt worden sind. Denn ein ordnungsgemäß abgelegter Schubleichter verfällt erfahrungsgemäß nicht in den Strom und bildet kein Hindernis. Den Beklagten oblag es daher, diesen gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis zu entkräften und Umstände aufzuzeigen und zu beweisen, die den für den Anscheinsbeweis sprechenden typischen Geschehensablauf widerlegen. Diesen Entlastungsbeweis haben die Beklagten und ihre Streithelferin nicht führen können.

 Der von den Beklagten benannte Zeuge S hat zu der Frage, mit wie viel Kette der als Heckanker dienende Buganker des Schubleichters "V 49" ausgebracht worden ist, lediglich erklärt, er habe "ausreichend Kette gesteckt", in Metern könne er das allerdings nicht sagen. Da es sich insoweit lediglich um eine Beurteilung und nicht um die Darstellung einer Tatsache handelt, ist nicht - auch nicht durch Sachverständige - nachprüfbar, ob der in Rede stehende Heckanker tatsächlich angesichts der witterungsbedingten und örtlichen Verhältnisse auf dem Schubleichterliegeplatz oberhalb von Schwelgern bei windigem Wetter ordnungsgemäß ausgebracht worden ist. Der Nachteil dieser Beweislosigkeit geht zu Lasten der Beklagten und ihrer Streithelferin, ohne dass es für die Frage der Befestigung der Leichter auf die sonstigen von dem Rheinschiffahrtsgericht angeführten Umstände weiter hätte ankommen können.

2. Das Rheinschiffahrtsgericht hat mit Recht eine haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Verfallen der nicht ordnungsgemäß abgelegten Schubleichter und der Kollision zwischen dem Schubboot "Fl" und MS "L" angenommen.
Für die Annahme eine adäquaten Kausalität zwischen einem Ereignis oder einem Verhalten und den Folgen kommt es nicht entscheidend darauf an, in welchem Abstand sich ein Ereignis oder ein Verhalten schädigend auswirkt, sondern ausschließlich darauf, ob es im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen. Ein solcher Zurechnungszusammenhang ist unter den hier gegebenen Umständen anzunehmen. Denn durch das Verfallen der Leichter wurde auf dem Rheinstrom ein Hindernis für die durchgehende Schifffahrt bei Nacht und stürmischem Wetter geschaffen. Die sich den Leichtern zu Tal nähernden Schiffe wurden zu Reaktionen gezwungen, um nicht die Leichter oder das jeweils vorausfahrende Schiff anzufahren. So hat das erste zu Tal kommende Schiff, das MS "JW", aufgedreht und die beiden folgenden Motorschiffe "F" und "I" sind ständig geworden.

 Auch der dem MS "L" unmittelbar vorauffahrende Talfahrer, der Schubverband "Fl", wurde durch das Abstoppen der vorausfahrenden Schiffe und nach der Überzeugung der Berufungskammer auch durch die Durchsagen über Kanal 10 veranlasst abzustoppen, zumal das nächste Schiff, wie der Zeuge vW ausgesagt hat, nur noch 50 - 60 m unterhalb war. Nach den weiteren Bekundungen des Zeugen vW hat der Schiffsführer des Schubverbandes "Fl", der inzwischen verstorbene Schiffsführer vdL, die Fahrt aus dem Verband herausgenommen, zurückgeschlagen und rückwärts gemacht, wobei sich dieser Schubverband bis auf etwa 5 - 10 m einem rechtsrheinisch liegenden Stillieger näherte. Durch dieses Manöver wollte der Schiffsführer des Schubverbandes "Fl" den Verband nach Angaben des Zeugen vW aufstrecken, was dafür spricht, dass der Verband, wie das auch der Zeuge P ausgesagt hat, seinerseits im Strom verfallen war und nicht mehr stromrecht lag. In dieser Situation kam es zur Kollision zwischen "Fl" und MS "L". Der Schiffsführer des MS "L", der Zeuge P, hatte nach seinen Bekundungen im Radarbild gesehen, dass sich sein Abstand zu seinem Vordermann verringerte und hat daraufhin sofort zurückgeschlagen. Er sah, dass sich der Abstand zu dem Schubverband gleichwohl verringerte und hat dann versucht, noch auszuweichen. Nach seinem Eindruck kam gleichzeitig noch der Schubverband "M" zu Berg, der tatsächlich aber, wie dessen Schiffsführer, der Zeuge Schripper, ausgesagt hat, linksrheinisch stilllag. Beim Zurückmachen verfiel nunmehr der Schubverband "Fl" und geriet mittschiffs gegen "L", nachdem P die Schiffsführung des Schubverbandes noch aufgefordert hatte, aufzustrecken, weil er dann noch vorbeikomme, worauf ihm geantwortet worden war, das ginge nicht, vor dem Schubverband sei ein Stillieger. Bei dieser Situation kann nicht zweifelhaft sein, dass sich das durch die verfallenden Leichter gebildete Hindernis sowohl auf "Fl" als auch auf "L" adäquat-kausal ausgewirkt hat.

Weder die Fahrweise des Schubverbandes "Fl" noch die des MS "L" weisen "besonders eigenartige oder ungewöhnliche Umstände" auf, die geeignet wären, den Kausalzusammenhang zu verneinen, wie die Beklagten und ihre Streithelferin meinen. Der Schubverband "Fl" hatte sich, wie ausgeführt, seinem Vordermann bis auf 50 - 60 m genähert und musste infolge des Schiffsstaus zurückmachen. Dass er dabei sich einem rechtsrheinisch liegenden Stillieger näherte, war nicht ungewöhnlich, im übrigen auch unschädlich. Wenn der Schubverband dann nach rechtsrheinisch hin verfiel, beruhte auch das auf dem eingetretenen Schiffsstau auf dem Strom. Denn die Leichter wurden als die Folge des Zurückschlagen von dem stürmischen Wind aus westlicher Richtung erfasst, sodass der Verband nach rechtsrheinisch hin verfiel. Auch diese Folge konnte durch Zurückschlagen und Aufstrecken beherrscht werden. Hierbei wurde aber der Seitenabstand zu MS "L" verringert, und es kam zur Kollision.
Möglicherweise hätte Schiffsführer vdL die Kollision mit MS "L" verhindern können, wenn er seinerseits den Schiffsführer dieses Schiffes rechtzeitig über die bestehende Gefahrenlage und seine eigenen beabsichtigten Manöver frühzeitig unterrichtet hätte. In einer Gefahrenlage, wie sie hier durch die Leichter geschaffen wurde, ist das Unterbleiben einer solchen Warnung nachfolgender Verkehrsteilnehmer nicht ungewöhnlich, weil jeder Schiffsführer in einer Gefahrenlage zunächst die Risiken für das eigene Schiff erwägt und mit den notwendigen eigenen Maßnahmen und Manöver voll beschäftigt ist. Unter diesen Umständen kommt einer unterbliebenen Warnung des MS "L" für die Frage der Kausalität keine Bedeutung zu.

3. Für Schiffsführer P kam nach seinen Bekundungen die schwierige Verkehrssituation ersichtlich überraschend. Es bedarf keiner Ausführungen, dass Schiffsführer P verpflichtet war, sein Funksprechgerät in Tätigkeit zu halten, schon weil er mit Hilfe von Radar fuhr. Nach seinen Bekundungen hat er aber über Funk keine Ansage über die unterhalb eingetretene Verkehrssituation erhalten. Daraus können unter den hier gegebenen Umständen aber keine ihm nachteiligen Schlussfolgerungen gezogen werden; denn die beiden Leichter waren nach Darstellung der Berufung mindestens 2,5 km unterhalb seines Standorts verfallen. Schon ein solcher Abstand lässt es zweifelhaft erscheinen, ob bei der Reichweite der Funksprechgeräte der Empfang einer Durchsage möglich war. Berücksichtigt man weiter, dass über Kanal 10 laufend Durchsagen erfolgen und die Sprechdisziplin der Schifffahrt nicht selten gering ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch sonstige Durchsagen - auch von oberhalb befindlichen Schiffen - der Empfang einer Warnung verhindert worden ist. Auch die Durchsagen der "L" vorausfahrenden Schiffe kann wegen unklarer Äußerungen und durch die Überlagerung infolge anderer Durchsagen für Schiffsführer P als Warnung unverständlich gewesen sein. Das Gegenteil lässt sich jedenfalls nicht feststellen.

Schiffsführer P kann auch nicht vorgeworfen werden, in der gegebenen Situation nautisch falsch gehandelt zu haben. Was zunächst den Abstand angeht, den er bei der Annäherung an die Unfallstelle zu dem vorausfahrenden Schubverband eingehalten hat, kann darin nichts Ungewöhnliches gesehen werden. Wenn der Zeuge P mit MS "L" in einer Kette von Talfahrern mit 300 m Abstand zu dem vorausfahrenden Schubverband "Fl" fuhr, entsprach diese Fahrweise der schiffahrtsüblichen Praxis, zumal das Fahrwasser auf dem Niederrhein fast überall eine Überholung zulässt. Lief MS "L" einem anderen Schiff auf, hätte der Zeuge P jederzeit überholen können. Dass er mit seinem leeren Schiff gegenüber anderen Schiffen beim Zurückschlagen nur mit verringerter Kraft drehen konnte, konnte er, falls notwendig, durch ein Überholmanöver ausgleichen. Dass plötzlich ein Schiffsstau eintreten und ihm der Fahrweg bei einem Überholmanöver in Höhe des stilliegenden Schubverbandes "M" verlegt werden könnte und insbesondere weiter auch der vorausfahrende Schubverband seinerseits durch einen Stillieger behindert ohne vorherige Warnung seinerseits zurückschlagen und verfallen könnte, brauchte der Zeuge P bei der Fahrt im Anschluss an vorausfahrende Schiffe bei einem Abstand von 300 m nicht zu besorgen, auch wenn ihm die leeren Leichter des Schubverbandes "Fl" die Sicht nach Unterstrom hin behinderten. Sein Versuch, durch die Lücke zwischen dem stilliegenden Schubverband "M" und den Schubverband "Fl" durchzufahren, kann nach alledem auch nicht beanstandet werden. Als "Fl" den Abstand zu "L" durch Zurückschlagen verkürzte und dazu noch verfiel, hatte der Zeuge P keine Möglichkeit mehr, die Kollision zu vermeiden, nachdem er vergeblich den Schubverband "Fl" zum Aufstrecken aufgefordert hatte.

Da die Schiffsführung des MS "L" kein Verschulden trägt, kommt eine Schadensverteilung nach § 92 c BinSchG nicht infrage. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Schiffsführung des Schubverbandes "Fl" - aus welchen Gründen auch immer - ein schadensursächliches Verschulden angelastet werden kann.

Die Berufung der Beklagten und ihres Streithelfers musste nach alledem in entsprechender Anwendung des §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 101 Abs. 2 ZPO auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen werden.

Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 31. März 1992 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten und ihre Streithelferin als Gesamtschuldner.

3. Die Festsetzung der Kosten erfolgt gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte durch das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.