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23 W 1/03 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Decision Date: 10.03.2003
File Reference: 23 W 1/03 BSch
Decision Type: Urteil
Language: German
Norm: § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO
Court: Oberlandesgericht Karlsruhe
Department: Schiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Die Kosten eines Privatgutachtens sind normalerweise nicht unter dem Begriff „Prozesskosten" im Sinne des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu subsumieren und nicht zu erstatten.

2) Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines prozessbegleitenden Sachverständigengutachtens kann ausnahmsweise gegeben sein, wenn

a) ein eindeutiger Prozessbezug vorliegt und

b) sich eine Partei mangels Sachkunde außerstande sieht, ihrer Darlegungslast zu genügen, einen gebotenen Beweis anzutreten oder Angriffe des Gegners abzuwehren.

(Leitsätze der Schriftleitung)

 

OLG Karlsruhe, Schifffahrtsobergericht

Beschluss vom 10.03.2003

23 W 1/03 BSch

(Vorinstanz: AG Kehl, Schifffahrtsgericht, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.09.2002 - 4 C 4/01 SchG)

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es um den Umfang der Kostenerstattungspflicht gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, und zwar speziell um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kosten eines Privatgutachtens zu erstatten sind.

Zugrunde liegt folgender Sachverhalt:

Die Beklagte, eine Schiffswerft, hatte für das MS „ST. M." eine Ruderanlage konstruiert und montiert. Wenige Monate nach dem Einbau des neuen Ruders ließ der Schiffseigner des Motorschiffes an einer anderen Schiffswerft zwei Propellerdüsen einbauen. Anschließend trat das Motorschiff ohne Begutachtung durch die SUK und ohne Probefahrt eine Schiffsreise an. Dabei kam es zu einer Kollision mit einem Bergfahrer. Die klagende Kaskoversicherung, die die Schiffswerft aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch nahm, vertrat die Auffassung, die Beklagte habe für diese Kollision zu haften, da sie das Ruder fehlerhaft dimensioniert habe. Das Schifffahrtsgericht hat die Klage nach Durchführung eines Verklarungsverfahrens und umfangreicher Beweiserhebung - unter anderem Anhörung des im Verklarungsverfahren beigezogenen Sachverständigen und Einholung eines weiteren schriftlichen Sachverständigengutachtens - die Klage abgewiesen. Die Beklagte hatte während des Rechtsstreits eine anerkannte wissenschaftliche Institution in Duisburg privat beauftragt, eine Stellungnahme zu erarbeiten. Diese sog. „Stellungnahme zu dem Gerichtsverfahren", für die die erwähnte Institution eine Rechnung über netto DM 6.900,- erteilte, hatte der Beklagtenvertreter zum Inhalt seines Parteivortrages gemacht.
Das Amtsgericht - Schifffahrtsgericht - Kehl hat diese von der Beklagten im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemachten Kosten als erstattungsfähig anerkannt. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das OLG Karlsruhe - Schifffahrtsobergericht - die Erstattungsfähigkeit des prozessbegleitenden Privatgutachtens verneint und den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Kehl durch Beschluss entsprechend abgeändert und neu gefasst.

Das OLG hat dazu folgendes ausgeführt:

Gründe:

Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere sind die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Prozesskosten im Sinne der genannten Bestimmung sind dabei nicht nur die im Prozess selbst entstandenen Kosten, vielmehr können auch solche Aufwendungen unter den Begriff Prozesskosten fallen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Rechtsstreit vor- oder außerprozessual entstanden sind. Kosten eines Privatgutachtens sind nur ausnahmsweise zu erstatten. Dabei sind die Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um ein vorprozessuales oder ein prozessbegleitendes Sachverständigengutachten handelt. Kosten für ein prozessbegleitendes Privatgutachten sind in aller Regel nicht erstattungsfähig, denn noch mehr als für eine vorprozessuale Gutachtertätigkeit gilt während eines Rechtsstreites, dass es von seltenen Ausnahmen abgesehen Aufgabe des Gerichtes ist, die Beweiserhebung durch Einholung von Sachverständigengutachten durchzuführen. Damit die Kosten eines privat eingeholten Sachverständigengutachtens ausnahmsweise erstattungsfähig sind, muss dieses prozessbezogen sein. Außerdem darf die Sachkunde der Partei für ein klares Urteil in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichen, sodass sie sich außerstande sieht, ihrer Darlegungslast zu genügen, einen gebotenen Beweis anzutreten oder Angriffe des Gegners abzuwehren (ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe, Beschl. v. 20.07.1999 - 3 W 27/99 -; Beschluss vom 29.07.2002 - 3A W 59/02 - m.w.N.; vgl. nunmehr auch BGH Beschl. v. 17.12.2002 - VI ZB 56/02 -). Eine solche Ausnahme ist nur bei unabweisbarer Notwendigkeit gegeben, die beispielsweise dann anzunehmen sein kann, wenn einer Partei besondere technische, mathematische oder sonstige fachliche Kenntnisse der Gegenpartei fehlen, oder es gilt, ein vorliegendes privates oder gerichtliches Sachverständigengutachten zu überprüfen, zu widerlegen, zu erschüttern oder dem gerichtlich bestellten Sachverständigen bei seiner Erläuterung sachdienliche Vorhalte zu machen. Diese Voraussetzungen lagen nach Auffassung des Beschwerdegerichts nicht vor. Die Beklagte war nicht durch fehlende Sachkenntnisse gehindert, sachgerecht vorzutragen. Das Gericht verwies dazu auf den Briefkopf der Beklagten, der die Bezeichnung trägt „Schiffswerft für Schraubenwechsel und Havariebeseitigung...". Im Kern sei es daher darum gegangen, ob die Beklagte als Fachbetrieb ihre vertraglich übernommenen Pflichten erfüllt oder aber in haftungsbegründender Weise verletzt habe. Deshalb sei die - durch eine in Binnenschifffahrtssachen erfahrenen Rechtsanwalt vertretene Beklagte hinreichend sachkundig und in der Lage gewesen, sich mit den im Verklarungsverfahren und im Hauptsacherechtsstreit eingeholten Gerichtsgutachten selbst auseinander zu setzen und entsprechenden Vortrag zu halten. Bei dieser Sachlage sah das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise gegebene Erstattungsfähigkeit der durch die private prozessbegleitende Hinzuziehung der Versuchsanstalt veranlassten Kosten nicht als erfüllt an.

Es erkannte deshalb darauf, den Kostenfestsetzungsbeschluss insoweit abzuändern, als die festgesetzten Kosten des Privatgutachtens abzusetzen waren.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2003 - Nr.5 (Sammlung Seite 1893); ZfB 2003, 1893