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13/83 - Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (-)
Decision Date: 22.05.1985
File Reference: 13/83
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Luxemburg
Department: -

Leitsatz:

Das Urteil in Sachen Europäisches Parlament gegen den Rat der Europäischen Gemeinschaften zur Frage „Gemeinsame Verkehrspolitik - Verpflichtungen des Rates".

Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften

vom 22. Mai 1985

Rechtssache

Zum Tatbestand:

Das Europäische Parlament beschloss am 16. September 1982, gegen den Rat der Europäischen Gemeinschaften eine Untätigkeitsklage zu erheben, weil er es unterlassen habe, auf Grund von Art. 3e, 61 und 74 EWG-Vertrag den Rahmen einer Verkehrspolitik zwecks Verfolgung der Vertragsziele zu beschließen sowie zur Durchführung der Art. 61 und 74 die in den Artikeln 75-84 vorgesehenen Beschlüsse zu fassen.
Auftragsgemäß teilte der Präsident des Parlaments dem Rat mit Schreiben vom 21. September 1982 den Beschluss des Parlaments mit und forderte ihn auf, verschiedene Maßnahmen zu treffen, u. a.


- den Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik nach Artikel 3 Buchstabe e und 74 EWG-Vertrag zu beschließen,
- den in Artikel 61 vorgesehenen freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs herzustellen und dazu die Bestimmungen der Artikel 74 bis 84 anzuwenden,
- unverzüglich die Beschlüsse zu fassen, die bereits vor dem Ende der Übergangszeit hätte erlassen werden müssen, vor allem die in Artikel 75 Absatz 1 Buchstaben a und b vorgesehenen Beschlüsse,
- nach Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe c alle zweckdienlichen Vorschriften zu erlassen, um die Ziele des Vertrages im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik zu verfolgen,
- unverzüglich über eine Reihe von konkret bezeichneten Vorschlägen der Kommission zu entscheiden, zu denen das Parlament bereits Stellung genommen habe.

In dem Antwortschreiben vom 22. November 1983 übermittelte der Rat eine Analyse, aus der hervorgehen sollte, „wie der Rat zur Zeit die Weiterentwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik beurteilt". Er habe - gemäß beigefügter Aufzählung von 71 erlassenen Rechtsakten - bereits ein ganzes Bündel von Beschlüssen über Maßnahmen in verschiedenen Verkehrssektoren verabschiedet, wobei aber noch weitere Maßnahmen erforderlich seien.
Der Präsident des Parlaments hielt diese Antwort nicht für eine befriedigende Stellungnahme im Sinne des Artikels 175 Abs. 2 EWG-Vertrag und beschloss die Einreichung der Klage. Dem Rechtsstreit sind die Kommission der Europäischen Gemeinschaften als Streithelferin des Europäischen Parlaments und das Königreich der Niederlande als Streithelferin des Rates beigetreten.

Der Gerichtshof hat wie folgt entschieden:

1. Der Rat hat es unter Verletzung des Vertrages unterlassen, die Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des internationalen Verkehrs sicherzustellen und die    Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedsstaats, in dem sie nicht ansässig sind, festzulegen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten der Verfahrensbeteiligten werden gegeneinander aufgehoben.

Aus den Entscheidungsgründen:
„...

Die Zulässigkeit der Klage:

Der beklagte Rat hält die Klage aus zwei Gründen für unzulässig: Zum einen sei der Kläger nicht klagebefugt, und zum anderen seien die Voraussetzungen des Artikels 175 hinsichtlich des Vorverfahrens nicht erfüllt.

1. Die Klagebefugnis


...
Dazu ist zu bemerken, dass Artikel 175 Absatz 1, wie auch der Rat einräumt, die Möglichkeit, eine Untätigkeitsklage gegen den Rat und die Kommission zu erheben, unter anderem ausdrücklich den „anderen Organen der Gemeinschaft" eröffnet. Nach dieser Vorschrift haben somit alle Organe der Gemeinschaft dieselbe Befugnis zur Erhebung der Untätigkeitsklage. Man würde die vom Vertrag und insbesondere von Artikel 4 Absatz 1 gewollte institutionelle Stellung eines Organs beeinträchtigen, wollte man es in der Ausübung dieser Befugnis einschränken.
Die Tatsache, dass das Europäische Parlament zugleich das Organ der Gemeinschaft ist, das die Aufgabe hat, das Handeln der Kommission und in gewissem Umfang auch das Handeln des Rates auf politischer Ebene zu kontrollieren, lässt die Auslegung der Vorschriften des Vertrages, in denen die Klagemöglichkeiten der Organe geregelt sind, unberührt.
Der erste Unzulässigkeitseinwand ist daher zurückzuweisen.

2. Die Voraussetzungen hinsichtlich des Vorverfahrens


...
Es ist festzustellen, dass die Voraussetzungen des Artikels 175 Absatz 2 im vorliegenden Fall erfüllt sind. Das Parlament hat in dem Schreiben seines Präsidenten unter ausdrücklichem Hinweis auf diese Vorschrift deutlich gemacht, dass es den Rat gemäß Artikel 175 aufforderte, tätig zu werden. Außerdem hat es die Maßnahmen aufgezählt, die der Rat nach Auffassung des Parlaments treffen müsste, um seiner Untätigkeit ein Ende zu setzen.
Der Rat hat demgegenüber in seiner Antwort nur die Maßnahmen aufgeführt, die er im Verkehrssektor bereits getroffen hatte, ohne „zu den gerichtlichen Aspekten" des vom Parlament veranlassten Schriftwechsels Stellung zu nehmen. Die Antwort hat die behauptete Untätigkeit weder bestritten noch zugegeben und auch in keiner Weise erkennen lassen, welche Haltung der Rat zu den Maßnahmen einnimmt, die dem Parlament zufolge noch getroffen werden sollten. Eine solche Antwort kann nicht als Stellungnahme im Sinne von Artikel 175 Absatz 2 angesehen werden.
Der Gerichtshof ist im übrigen der Ansicht, dass im vorliegenden Fall die Ausführungen des Rates über den Ermessensspielraum, der ihm bei der Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik zustehe, nicht die Frage betreffen, ob die besonderen Voraussetzungen des Artikels 175 erfüllt sind, sondern im Zusammenhang mit der allgemeineren Frage zu sehen sind, ob das Fehlen einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet des Verkehrs eine Untätigkeit im Sinne von Artikel 175 darstellen kann; diese Frage wird später in diesem Urteil geprüft.
Auch der zweite Unzulässigkeitseinwand ist daher zurückzuweisen.

Der Gegenstand der Klage:

In seiner Klagebeantwortung wirft der Rat dem Parlament vor. sich nicht zu der für den Ausciana des Rechtsstreits entscheidenden Frage geäußert zu haben, ob der Ausdruck „einen Beschluss fassen" in Artikel 175 dahin ausgelegt werden könne, dass darunter die Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik falle. Bei dieser Politik handele es sich um eine äußerst komplexe Materie, die zahlreiche Elemente wie Infrastruktur, Preise, Transportkonditionen, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, Sozialprobleme, Wettbewerbsfragen usw. enthalte. Eine gemeinsame Politik in diesem Bereich, die sowohl den Straßenverkehr als auch die Binnenschifffahrt und die Eisenbahn umfassen müsse, könne daher nicht durch einen einzigen Beschluss eingeführt werden, sondern müsse schrittweise durch spezifische Regelungen erarbeitet werden.
Das Verfahren nach Artikel 175 sei auf Fälle zugeschnitten, in denen das betreffende Organ zum Erlass eines bestimmten Rechtsaktes rechtlich verpflichtet sei, und eigne sich schlecht für die Lösung von Fällen, in denen es darum gehe, in einem komplexen Gesetzgebungsprozeß ein ganzes System von Normen zu errichte. Stelle nämlich der Gerichtshof fest, dass ein Organ es unter Verletzung des EWG-Vertrages unterlassen habe, „einen Beschluss zu fassen", so habe dieses Organ gemäß Artikel 176 die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes ergebenden „Maßnahmen zu ergreifen". Der Kläger habe aber nicht angegeben, hinsichtlich welcher konkreter Maßnahmen dem Rat eine Untätigkeit zum Vorwurf gemacht werde.
Das Europäische Parlament räumt ein, dass eine gemeinsame Verkehrspolitik wahrscheinlich nicht „uno actu" verwirklicht werde, sondern in mehreren Schritten vollzogen werden müsse, die innerhalb eines in sich zusammenhängenden Systems aufeinander abzustimmen seien. Es liege jedoch auf der Hand, dass eine „Beschlussfassung" in der einen oder anderen Richtung erforderlich sei, um die Gesamtheit der hierfür erforderlichen Maßnahmen nach einem vorher aufgestellten Plan zu verwirklichen.
Nach Ansicht der Kommission, die das Vorbringen des Parlaments insoweit unterstützt, besteht aufgrund des EWG-Vertrages eine allgemeine Verpflichtung zur Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik. Danach seien zunächst in Obereinstimmung mit den allgemeinen Vertragszielen die Grundsätze einer gemeinsamen Verkehrspolitik festzulegen, die als Basis für den Erlass von Durchführungsvorschriften unerlässlich seien.
...
Das Parlament und die Kommission führen weiter aus, Artikel 75 setze jedenfalls für die Maßnahmen, die in den vom Vertrag offensichtlich als wesentlich angesehenen Bereichen zu treffen seien, eine sehr genaue Frist, denn die gemeinsamen Regeln für den internationalen Verkehr und die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig seien, hätten während der Übergangszeit, also bis Ende 1969, erlassen werden müssen.
...
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Parlament zwei unterschiedliche Anträge gestellt hat: Der eine bezieht sich darauf, dass der Rat es unterlassen habe, eine gemeinsame Verkehrspolitik einzuführen und speziell ihren Rahmen festzulegen, der andere darauf, dass er es unterlassen habe, über sechzehn ihm von der Kommission unterbreitete Vorschläge auf dem Gebiet des Verkehrs zu entscheiden. Nur hinsichtlich des ersten Antrags stellt sich die Frage, ob der Gerichtshof unter Berücksichtigung des Wortlauts von Artikel 175 und der Stellung dieser Vorschrift innerhalb des Klagesystems des Vertrages gegebenenfalls feststellen kann, dass eine Beschlussfassung unter Verletzung des Vertrages unterlassen worden ist.
Der Wortlaut des Artikels 175, insbesondere der deutschen und niederländischen Fassung, scheint zwar für eine Auslegung zu sprechen, wonach es auf das Fehlen eines bestimmten Rechtsaktes ankommt. Dieses Argument ist jedoch nicht entscheidend. Zum einen sind die anderen sprachlichen Fassungen dieser Vorschrift so formuliert, dass sie eine weniger deutlich umschriebene Untätigkeit erfassen. Zum anderen würde es für den Fall, dass es zu den im Vertrag festgelegten Pflichten eines Organs gehört, mehrere Beschlüsse oder ein Bündel von Beschlüssen zu fassen, der Zielsetzung des Artikels 175 zuwiderlaufen, wenn ein Kläger vor dem Gerichtshof nicht geltend machen könnte, dass das Organ es unterlassen habe, diese Beschlüsse zu fassen.
Unter diesen Umständen geht die vom Rat aufgeworfene Frage dahin, ob das Europäische Parlament in seinem ersten Klageantrag die Maßnahmen, deren Fehlen es dem Rat vorwirft, so genau bezeichnet hat, dass ein diesem Antrag stattgebendes Urteil des Gerichtshofes vom Rat gemäß Artikel 176 vollzogen werden könnte.
Eine derartige Genauigkeit ist um so mehr geboten, als im Klagesystem des Vertrages ein enger Zusammenhang besteht zwischen der Klage nach Artikel 173, mit der die Nichtigerklärung rechtswidriger Akte des Rates und der Kommission erreicht werden kann, und der Klage nach Artikel 175, die zu der Feststellung führen kann, dass der Rat oder die Kommission es unter Verletzung des Vertrages unterlassen hat, bestimmte Akte zu erlassen. Angesichts dieses Zusammenhangs müssen in beiden Fällen diejenigen Akte, die Gegenstand des Streits sind, hinreichend konkretisiert sein, damit der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit ihres Erlasses beziehungsweise ihres Nichterlasses beurteilen kann.
Dem ersten Antrag des Parlaments kann folglich, selbst wenn er sich als begründet herausstellen sollte, nur dann stattgegeben werden, wenn das dem Rat vorgeworfene Fehlen einer gemeinsamen Verkehrspolitik darin besteht, dass der Rat es unterlassen hat, Maßnahmen zu treffen, deren Tragweite sich hinreichend bestimmen lässt, so dass sie konkretisier werden und Gegenstand eines Vollzugs im Sinne von Artikel 176 sein können. Deshalb ist nunmehr das Vorbringen der Beteiligten dazu, ob es an einer gemeinsamen Verkehrspolitik fehlt oder nicht, zu prüfen.


Der erste Antrag: Fehlen einer gemeinsamen Verkehrspolitik

1. Die gemeinsame Verkehrspolitik

Das Europäische Parlament räumt ein, dass der Vertrag dem Rat einen weiten Ermessensspielraum in Bezug auf den Inhalt der gemeinsamen Verkehrspolitik lasse. Dieses Ermessen sei aber in zweifacher Hinsicht begrenzt: Erstens dürfe der Rat nicht über den Ablauf der im Vertrag, insbesondere in Artikel 75 Absatz 2, vorgesehenen Fristen hinaus untätig bleiben; zweitens habe der Rat einen allgemeinen Rahmen in Form eines in sich zusammenhängenden Systems von Grundsätzen festzulegen, der die komplexen wirtschaftlichen Gegebenheiten des Verkehrssektors in ihrer Gesamtheit berücksichtige. Diese Grundsätze müssten den Orientierungsrahmen für die verschiedenen Einzelmaßnahmen bilden, die für die Verwirklichung der allgemeinen Vertragsziele in diesem Sektor erforderlich seien.
In einer solchen Situation müssen die Grundprinzipien, die vom Rat aufzustellen gewesen wären, zumindest gewisse Ziele einhalten und gewisse Bereiche abdecken. Es liege im Wesen einer gemeinsamen Verkehrspolitik, dass gewisse Ziele erreicht werden müssten, damit insbesondere das Verkehrswesen liberalisiert und der grenzüberschreitende Verkehr erleichtert werde. Die betreffenden Grundsätze müssten auch etwas darüber aussagen, welche Bereiche von dem zu errichtenden Regelsystem erfasst würden; die wirtschaftliche Lage im Verkehrssektor mache es erforderlich, dass zu diesen Aktionsbereichen vor allem die Wettbewerbsbeziehungen zwischen Schienen- und Straßenverkehr sowie die Regelung zur Beschränkung der Kapazitäten in der Binnenschifffahrt und im Güterkraftverkehr gehörten.
Die Kommission weist darauf hin, dass es in allen Bereichen der Verkehrspolitik trotz der zahlreichen Vorschläge, die sie dem Rat seit mehr als zwanzig Jahren vorgelegt habe, noch bedeutende Lücken gebe. Sie verweist insbesondere auf die Unzulänglichkeit der Maßnahmen, die im Bereich des gewerblichen Güterkraftverkehrs getroffen worden seien, wo Kapazitätsbeschränkungen im wesentlichen durch bilaterale Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten aufgrund sehr unterschiedlicher Kriterien festgelegt würden, die wegen der zahlreichen Leerrückfahrten oft eine optimale Nutzung der vorhandenen Verkehrskapazität verhinderten, und wo außerdem die Beförderung innerhalb eines jeden Mitgliedstaats den dort ansässigen Unternehmen vorbehalten sei. Schließlich bet1ndere erhebliche Anzahl von Grenzkontrollen weiterhin den grenzüberschreitenden Verkehr.
In diesem Zusammenhang nennt die Kommission ferner die unzulängliche Haushaltslage der Eisenbahnen und die unbefriedigenden Beziehungen. zwischen Eisenbahnen und Staat, die erhebliche strukturelle Überkapazität im Binnenschiffsverkehr, die durch das Fehlen koordinierter Abwrackmaßnahmen verschlimmert werde, den fehlenden Fortschritt bei der Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen, die von Bedeutung für die Gemeinschaft seien, und die fehlende Koordinierung der nationalen Infrastrukturmaßnahmen sowie das fast völlige Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der Seeschifffahrt und der Luftfahrt.
Der Rat stellt die von der Kommission genannten Lücken nicht in Abrede. Er führt jedoch eine Reihe von Argumenten an, um darzulegen, dass diese Lücken nicht einer Untätigkeit im Sinne von Artikel 175 EWG-Vertrag gleichgestellt werden könnten. Insoweit beruft er sich besonders auf den ihm bei der Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik zustehenden Ermessensspielraum sowie auf die objektiven Schwierigkeiten geographischer, wirtschaftlicher und sozialer Art, die einen schnelleren Fortschritt hemmten. Außerdem verweist er auf das Problem der Sonderstellung, die die Eisenbahn auf dem Verkehrsmarkt einnähmen, und auf die besondere Rolle, die die Mitgliedstaaten in Verkehrsangelegenheiten beim Entscheidungsprozeß innerhalb des Rates spielten.
Der Rat bezieht sich sodann auf die Maßnahmen, die er in diesem Bereich bereits getroffen und in einer Aufzeichnung zusammen mit dem Schreiben seines Präsidenten vom 22. November 1982 dem Parlament mitgeteilt habe, sowie auf seinen Beschluss vom 13. Mai 1965 (ABI. 1965, S. 1500), in dem die im Bereich der Harmonisierung von Steuer- und Sozialvorschriften auf dem Verkehrsgebiet zu erreichenden Ziele festgelegt seien, und auf seinen Beschluss vom 14. Dezember 1967 (ABI. 1967, Nr. 322, S. 4), der ein Programm von Maßnahmen enthalte, die geeignet seien, die spätere Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik zu gewährleisten. Diese Beschlüsse zeigten im Übrigen, dass die von der Kommission mehrfach bestätigte Interdependenz der verschiedenen Verkehrssektoren und der verschiedenen noch ungelösten Probleme sich für das Vorgehen des Rates als hinderlich erwiesen habe.
Dazu trägt der Rat vor, nach seiner Sicht der Dinge sei die Liberalisierung des gewerblichen Güterkraftverkehrs ohne eine wesentliche Angleichung der Wettbewerbsbedingungen kaum vorstellbar, wobei diese Angleichung wiederum nicht erreichbar sei, wenn nicht das Problem der Eisenbahnen und ihrer Beziehungen zum Staat gelöst werde. Dem Rat sei jedoch niemals ein Vorschlag der Kommission vorgelegt worden, der es erlaubt hätte, dieses grundlegende Problem zu regeln.
Die niederländische Regierung unterstützt den Rat in diesem Punkt, ohne seine Argumentation in vollem Umfang zu teilen. Sie ist der Ansicht, das Fehlen einer gemeinsamen Verkehrspolitik bedeute nicht zwangsläufig, dass die allgemeinen Vorschriften des Vertrages und die durch sie gewährleisteten Freiheiten auf den Verkehr keine Anwendung fänden. Zwar unterliege der freie Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs gemäß Artikel 61 EWG-Vertrag den Vertragsbestimmungen über die gemeinsame Verkehrspolitik; daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass der Ablauf der Übergangszeit auf die Dienstleistungsfreiheit in diesem Sektor keine Auswirkungen gehabt hätte. Der Gerichtshof habe in anderen Bereichen, z.B. bei der Organisation der Agrarmärkte und der Erhaltung der Meeresschätze, entschieden, dass der Ablauf der Übergangszeit für sich allein Rechte und Pflichten entstehen lassen könne, die auf den allgemeinen Regeln des Vertrages beruhten.
Eine Schlussfolgerung lässt sich ohne weiteres aus diesem Vorbringen der vier Verfahrensbeteiligten ziehen: Die Beteiligten stimmen darin überein, dass es ein in sich zusammenhängendes Regelwerk, das als gemeinsame Verkehrspolitik im Sinne der Artikel 74 und 75 EWG-Vertrag bezeichnet werden könnte, noch nicht gibt. Diese Schlussfolgerung kann auf mehrere Umstände gestützt werden, nämlich auf das vom Parlament geltend gemachte Fehlen eines geschlossenen Rahmens für die Verwirklichung einer solchen Politik, auf die von der Kommission hervorgehobene Tatsache, dass die wesentlichen Probleme im Verkehrsbereich weiter bestehen, auf die vom Rat angeführte fehlende Durchführung der Beschlüsse von 1965 und 1967, mit denen der Zeitplan für Aktionen in diesem Bereich festgelegt wurde, oder auf die von der niederländischen Regierung erwähnten fortbestehenden Beeinträchtigungen der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs.
Es muss daher geprüft werden, ob angesichts des Fehlens einer Gesamtheit von Maßnahmen, die geeignet wären, eine gemeinsame Verkehrspolitik darzustellen, in der mangelnden Beschlussfassung durch den Rat eine Untätigkeit zu sehen ist, die nach Artikel 175 EWG-Vertrag justiziabel ist.
Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die objektiven Schwierigkeiten, die dem Rat zufolge den notwendigen Fortschritten auf dem Weg zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik entgegenstehen, im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich sind. Der Gerichtshof hat nach Artikel 175 gegebenenfalls die Vertragsverletzung festzustellen, die darin besteht, dass der Rat oder die Kommission in einer Situation eine Beschlussfassung unterlassen hat, in der das betreffende Organ dazu verpflichtet war. Das Ausmaß der Schwierigkeit, die für das Organ mit der Erfüllung dieser Verpflichtung verbunden sein kann, spielt im Rahmen des Artikels 175 keine Rolle.
Dagegen beruft sich der Rat grundsätzlich zu Recht auf seinen Ermessensspielraum. Zwar wird dieser Ermessensspielraum durch die Erfordernisse der Errichtung des Gemeinsamen Marktes und durch gewisse präzise Bestimmungen des Vertrages wie diejenigen, in denen bestimmte Fristen gesetzt sind, begrenzt. Jedoch ist es im System des Vertrages Sache des Rates, nach den im Vertrag vorgesehenen Verfahrensregeln die Ziele und die Mittel einer gemeinsamen Verkehrspolitik zu bestimmen.
Der Rat hat zwar im Rahmen seiner Verpflichtung zur Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik alle notwendigen Entscheidungen zu treffen, um eine solche Politik schrittweise zu verwirklichen. Der Inhalt dieser Entscheidungen ist jedoch im Vertrag nicht näher festgelegt. So überlässt der Vertrag dem Rat zum Beispiel die Entscheidung, ob die Maßnahmen im Verkehrssektor zunächst die Beziehungen zwischen den Eisenbahnen und den Staaten oder das Wettbewerbsverhältnis zwischen Straßen- und Schienenverkehr betreffen sollen. Auch ist es Sache des Rates, die Prioritäten bei der Harmonisierung der Rechtsvorschriften und der Verwaltungspraktiken in diesem Sektor festzulegen sowie zu entscheiden, welchen Inhalt eine solche Harmonisierung haben soll. Auf diesem Gebiet räumt der Vertrag dem Rat ein Ermessen ein.
Diese Überlegung wird durch die Ausführungen bestätigt, die die drei betroffenen Organe und die niederländische Regierung in dem Rechtsstreit gemacht haben. Daraus geht hervor, dass sich die Auffassungen zum Inhalt einer gemeinsamen Verkehrspolitik seit dem erwähnten Beschluss des Rates von 1965 weiterentwickelt haben und dass insbesondere die jeweilige Bedeutung der verschiedenen Bestandteile einer solchen Politik im Laufe der Zeit unterschiedlich beurteilt worden ist.
Diese Ausführungen lassen noch eine zweite Feststellung zu. Es ergibt sich daraus in der Tat, dass das Parlament als Kläger in diesem Rechtsstreit trotz dahin gehender Aufforderungen nicht angegeben hat, welche Maßnahmen der Rat aufgrund des Vertrages treffen müsste und in welcher Reihenfolge dies geschehen sollte. Das Parlament hat lediglich erklärt, diese Maßnahmen müssten ein zusammenhängendes System bilden, für alle Mitgliedstaaten gleich sein und die Ziele des Vertrages im Verkehrssektor verwirklichen.
Wie bereits dargelegt wurde, stellt das Fehlen einer gemeinsamen Politik, deren Verwirklichung der Vertrag vorschreibt, als solches nicht notwendig eine inhaltlich hinreichend bestimmte Untätigkeit dar, um nach Artikel 175 justiziabel zu sein. Diese Feststellung gilt auch im vorliegenden Fall, wenngleich die aufgrund von Artikel 75 in Angriff genommenen Arbeiten ständig weiterzuführen sind, damit eine gemeinsame" Verkehrspolitik schrittweise verwirklicht werden kann, und wenngleich ein wesentlicher Teil dieser Arbeiten gemäß Arti¬kel 75 Absatz 2 vor Ablauf der Übergangszeit abgeschlossen sein musste.

2. Der freie Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs

Das Parlament und die Kommission tragen dazu vor, die Vorschriften des Artikels 75 Absatz 1 Buchstaben a und b über die gemeinsamen Regeln für den internationalen Verkehr sowie über die Bedingungen für die Zulassung von nicht gebietsansässigen Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats seien nicht nur innerhalb einer bestimmten Frist zu erlassen, sondern erlegten dem Rat auch hinreichend bestimmte Verpflichtungen auf, so dass sie Gegenstand eines die Untätigkeit feststellenden Urteils nach Artikel 175 EWG-Vertrag sein könnten. Zwischen diesen Bestimmungen und der Dienstleistungsfreiheit, deren Verwirklichung zu den wichtigsten Aufgaben der Gemeinschaft gehöre, besteht ein enger Zusammenhang.
Der Rat ist demgegenüber der Ansicht, dass auch im Bereich des Artikels 75 Absatz 1 Buchstaben a und b der Inhalt und das Ziel der zu erlassenden Vorschriften nicht hinreichend bestimmt seien.
Die Kommission weist darauf hin, dass jedenfalls ein Bestandteil der vom Vertrag gewollten gemeinsamen Verkehrspolitik inhaltlich hinreichend umschrieben sei, so dass von einer bestimmen Verpflichtung gesprochen werden könne, nämlich die Dienstleistungsfreiheit. Der Umfang dieser Verpflichtung könne anhand der Vorschriften des Vertrages über die Dienstleistungen, insbesondere der Artikel 59 und 60, sowie der einschlägigen Richtlinien und Rechtsprechung ermittelt werden.
Die niederländische Regierung hebt ebenfalls die Bedeutung der Dienstleistungsfreiheit hervor.
Im Folgenden ist daher auf das Vorbringen der Beteiligten zur Dienstleistungsfreiheit im Verkehrssektor einzugehen und zu prüfen, welcher Zusammenhang zwischen der Dienstleistungsfreiheit und der Einführung der gemeinsamen Verkehrspolitik besteht.
Die Kommission und die niederländische Regierung führen an, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Artikel 59 und 60 seit Ablauf der Übergangszeit unmittelbar anwendbar sind. Der Umstand, dass die Dienstleistungen auf dem Gebiet des Verkehrs gemäß Artikel 61 im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik zu liberalisieren seien, sei für sich allein kein hinreichender Grund dafür, die Vorschriften über die Dienstleistungen auf unbestimmte Zeit ohne Wirkung zu lassen, wenn der Rat es seit Jahren unterlasse, diese gemeinsame Politik einzuführen.
Die niederländische Regierung meint, gemäß Artikel 8Absatz 7 EWG-Vertrag sei das Ende der Übergangszeit der Endtermin für die Durchführung aller für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes notwendigen Maßnahmen gewesen; es gebe keinen Grund, den Verkehrsmarkt davon auszunehmen. Außerdem habe die Tatsache, dass im Vertrag ausdrücklich vorgeschriebene Durchführungsbestimmungen nicht zustande gekommen seien, niemals die Anwendung allgemeiner Bestimmungen oder Grundsätze des Vertrages entgegengestanden. Die niederländische Regierung folgert daraus, dass seit dem Ende der Übergangszeit die Dienstleistungsfreiheit auch im Verkehrssektor anerkannt werden müsse. Da die unmittelbare Geltung der Artikel 59 und 60 für sich allein für die Erreichung der Ziele einer gemeinsamen Verkehrspolitik ausreiche, ohne dass es anderer Maßnahmen von Seiten des Rates bedürfe, sei diesem keine Untätigkeit vorzuwerfen.
Nach Auffassung der Kommission sind die Artikel 59 und 60 dagegen im Verkehrssektor nicht unmittelbar anwendbar. Gemäß Artikel 61 müsse die Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs nach Maßgabe des Artikels 75 Absatz 1 Buchstaben a und b verwirklicht werden. Nach dieser Bestimmung solle dem Rat für seine Aufgabe, den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs im Rahmen einer gemeinsamen Politik zu verwirklichen, eine angemessene Frist zur Verfügung stehen, die gegebenenfalls über den Ablauf der Übergangszeit hinausgehe. Diese angemessene Frist könne jedoch nicht endlos währen, und mehr als 15 Jahre nach dem Ablauf der Übergangszeit müsse sie bald abgelaufen sein. Anderenfalls bliebe von der Dienstleistungsfreiheit, obwohl sie vom Vertrag garantiert sei, ein einziger Wirtschaftszweig ausgenommen; dies wäre auf die Dauer geeignet, Wettbewerbsverzerrungen zu verursachen. Unter diesen Umständen müsse der Gerichtshof in seinem Urteil mahnend darauf hinweisen, wenn die angemessene Frist nach Artikel 61 ablaufe.
Zunächst ist festzustellen, dass gemäß Artikel 61 Absatz 1 für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs die Bestimmungen des Titels über den Verkehr gelten. Die Anwendung der insbesondere in den Artikeln 59 und 60 EWG-Vertrag niedergelegten Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit muss daher nach dem Vertrag durch die Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik erreicht werden und zwar vor allem durch die Festlegung der gemeinsamen Regeln für den internationalen Verkehr und der Bedingungen für die Zulassung von nicht gebietsansässigen Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, wie sie in Artikel 75 Absatz 1 Buchstaben a und b vorgesehen sind und welche notwendigerweise die Dienstleistungsfreiheit betreffen.
Der von der niederländischen Regierung vertretenen Ansicht, der Ablauf der Übergangszeit habe dazu geführt, dass die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag auch im Verkehrssektor unmittelbar anwendbar seien, kann somit nicht gefolgt werden.
Dagegen macht das Parlament, die Kommission und die niederländische Regierung zu Recht geltend, dass der Rat gemäß Artikel 75 Absatz 1 Buchstaben a und b unter anderem zur Einführung der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs verpflichtet ist und dass der Umfang dieser Verpflichtung durch den Vertrag eindeutig bestimmt wird. Aufgrund der Artikel 59 und 60 umfassen nämlich die zwingenden Erfordernisse der Dienstleistungsfreiheit, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17. Dezember 1981 in der Rechtssache 279/80 (Webb, SIg. 1981, 3305) entschieden hat, das Gebot der Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen des Leistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands, dass er in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll.

Daraus folgt, dass der Rat insoweit nicht über den Ermessensspielraum verfügt, auf des er sich in anderen Bereichen der gemeinsamen Verkehrspolitik berufen kann. Da das zu erreichende Ergebnis aufgrund der Artikel 59, 60 und 61 in Verbindung mit Artikel 75 Absatz 1 Buchstaben a und b feststeht, kann nur hinsichtlich der näheren Einzelheiten, die zur Herbeiführung dieses Ergebnisses unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Verkehrs gemäß Artikel 75 in Betracht zu ziehen sind, ein gewisses Ermessen ausgeübt werden.
Unter diesen Umständen sind die in Artikel 75 Absatz 1 Buchstaben a und b vorgesehenen Verpflichtungen, soweit sie die Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit zum Inhalt haben, hinreichend genau bestimmt, so dass ihre Nichterfüllung Gegenstand eines die Untätigkeit feststellenden Urteils nach Artikel 175 sein kann.
Der Rat war verpflichtet, die Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 2 vor Ablauf der Übergangszeit auf den Verkehrssektor zu erstrecken, soweit dies den internationalen Verkehr aus oder nach dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder den Durchgangsverkehr durch das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten betraf, sowie im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in diesem Sektor gemäß Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, festzulegen. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen sind unstreitig noch nicht ergriffen worden.
In diesem Punkt ist also die Untätigkeit des Rates festzustellen, denn der Rat hat es unterlassen, Maßnahmen zu ergreifen, die vor Ablauf der Übergangszeit hätten ergriffen werden müssen und deren Gegenstand und Wesen mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden können.
Das Parlament, die Kommission und die niederländische Regierung weisen noch auf die Rechtslage hin, die sich ergäbe, wenn der Rat es nach einer etwaigen Verurteilung immer noch unterließe, einen Beschluss zu fassen. Diese Frage ist jedoch hypothetisch. Der Rat hat nach Artikel 176 die sich aus diesem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen; da in dieser Bestimmung keine Frist festgesetzt wurde, ist davon auszugehen, dass er hierfür über einen angemessenen Zeitraum verfügt. Es besteht keine Veranlassung, in diesem Urteil zu prüfen, welche Folgen es hätte, wenn der Rat weiterhin untätig bliebe.
Es ist somit festzustellen, dass der Rat es unter Verletzung des Vertrages unterlassen hat, die Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des internationalen Verkehrs sicherzustellen und die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, festzulegen.
Dabei steht es dem Rat frei, zusätzlich zu den gebotenen Liberalisierungsmaßnahmen Begleitmaßnahmen zu ergreifen, die er für erforderlich hält, und zwar in der Reihenfolge, die ihm richtig erscheint.


Der zweite Antrag: Unterlassung, über die sechzehn Vorschläge der Kommission zu entscheiden

Mit seinem zweiten Klageantrag wirft das Europäische Parlament dem Rat vor, er habe es unterlassen, über sechzehn in der Klageschrift aufgelistete Vorschläge der Kommission zu entscheiden. Zu allen diesen Vorschlägen hatte das Parlament bereits Stellung genommen.
...
Nach Ansicht des Parlaments ist der Rat aufgrund der Artikel 74 und 75 EWG-Vertrag verpflichtet, binnen einer angemessenen Frist über die ihm von der Kommission im Verkehrsbereich unterbreiteten Vorschläge zu entscheiden. Der Rat brauche einen Vorschlag nicht in der Form anzunehmen, wie die Kommission ihn vorlege; er müsse jedoch in der einen oder anderen Richtung entscheiden.
Diese Darlegung bedeutet, dass die vom Parlament geltend gemachte Verpflichtung des Rates mit der allgemeinen Verpflichtung des Rates zusammenfällt, eine gemeinsame Verkehrspolitik einzuführen, soweit diese Politik innerhalb einer gewissen Frist festgelegt werden muss. Unter diesen Umständen können nur die Vorschläge in Betracht kommen, die sich auf die Sachgebiete dieses Artikels 75 Absatz 1 Buchstaben a und b beziehen.
Ein einziger dieser Vorschläge ist auf Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe b gestützt: der dem Rat 1967 unterbreitete Vorschlag einer Verordnung über den Zugang zum Markt im Binnenschiffsgüterverkehr. Aus den Erklärungen des Rates und der Kommission geht hervor, dass dieser Vorschlag in seiner ursprünglichen Form nicht mehr aktuell ist. Die Kommission hat den Rat wissen lassen, sie erhalte nur Artikel 38 des Vorschlags aufrecht; die anderen Bestimmungen seien Gegenstand der Diskussion über das Mandat der Kommission für die Verhandlungen mit der Schweiz im Rahmen der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt.
Die Mehrzahl der auf Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe a gestützten Vorschläge betrifft den Straßenverkehr. Dies gilt für die beiden Vorschläge über die Genehmigungen für zusammengekoppelte Fahrzeuge und für den Vorschlag betreffend die Liberalisierung der Beförderung von lebenden Tieren und von Kunstgegenständen mit Spezialfahrzeugen.
Soweit die auf Artikel 75 Absatz 1 Buchstaben a und b beruhenden Vorschläge zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Verkehrsbereich beitragen sollen, ergibt sich die Verpflichtung des Rates, darüber zu entscheiden, bereits aus der getroffenen Feststellung, dass der Rat untätig geblieben ist. Soweit diese Vorschläge nicht in diesen Rahmen fallen, gehören sie zur Kategorie der Begleitmaßnahmen, die zusätzlich zu den gebotenen Liberalisierungsmaßnahmen ergriffen werden können und deren Erlass im Ermessen des Rates steht.
Daher braucht nicht mehr im Einzelnen auf die Verpflichtung des Rates, über die betreffenden Vorschläge zu entscheiden, eingegangen zu werden.

Kosten:

Nach Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten gegeneinander aufheben, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Im vorliegenden Fall sind daher die Kosten der Verfahrensbeteiligten gegeneinander aufzuheben.
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