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136 Z - 11/81 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 03.11.1981
File Reference: 136 Z - 11/81
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

Urteil vom 3.11.1981

Tatbestand:

Die Klägerin unterhält die Rheinfähre Walsum-Orsoy und ist die Eignerin des Fährschiffs "G". Dieses ist etwa 30 m lang, 9,5 m breit und wird von 3 je 80 PS starken Motoren angetrieben, die auf Voith-Schneider-Propeller wirken. Am 5.7.1978 stieß es zwischen 12.30 und 12.40 Uhr bei einer Querfahrt mit dem TMS "E" zusammen. Dieses Schiff, das sich leer auf der Bergfahrt befand, ist 82 m lang, 8,20 m breit, fasst 634 t und hat einen 750 PS starken Motor, Es gehört der Beklagten zu 1). Sein verantwortlicher Führer zur Unfallzeit war der Beklagte zu 2). Beide Schiffe wurden bei dem Zusammenstoß beschädigt. Auf dem Fährschiff entstand ein Schaden von DM 68.012,16 DM, dessen Ersatz zur Hälfte im vorliegenden Rechtsstreit verlangt wird. Die Klägerin ist der Ansicht, die andere Schadenshälfte selbst tragen zu müssen, da ihr Schiff eine Querfahrt in einer Situation, die eine solche nicht erlaubte, angetreten habe. Sie meint weiter, die Schuld des Beklagten zu 2) an dem Zusammenstoß sei ebenso groß wie diejenige der Führung der Fähre. Der Beklagte zu 2) sei angesichts der Querfahrt und der mit ihr erkennbar verbundenen Gefahr mit unverminderten Geschwindigkeit weitergefahren und habe weder durch Schallzeichen noch über Sprechfunk auf sich aufmerksam gemacht, sondern sogar den Kurs seines Schiffes nach Backbord in denjenigen der Fahre verlegt.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie DM 34.006,08 nebst 4 % Zinsen von DM 29.056,08 seit dem 15.5.1979 und von DM 4.950,- seit dem 20.1.1980 zu bezahlen, weiter auszusprechen, dass die Beklagte zu 1) dinglich mit dem TMS "E" und persönlich im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes’ hafte.
 
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise ihnen zu gestatten, die vorläufige Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden.

Sie tragen vor, der Beklagte zu 2) habe darauf vertraut, dass Fährschiff werde angesichts der Berg- und Talfahrt im Revier seine Querfahrt in Etappen durchführen und sich immer wieder aufstrecken, um Schiffe in durchgehender Fahrt passieren zu lassen. Als er in einer Entfernung von 50 m von der Fähre festgestellt habe, dass diese ohne Rücksicht auf den Kurs seines Schiffes ihre Querfahrt fortsetzte, habe er die Fahrt verlangsamt und zu diesem Zwecke die Maschine sogar rückwärts laufen lassen. Der Zusammenstoß sei aber nicht mehr vermeidbar gewesen. Die Beklagten haben bestritten, dass ihr Schiff den Kurs in denje¬nigen des Fährschiffes verlegt habe und behauptet, es habe seinen Kurs beibehalten. Schließlich habe die Beklagten die behauptete Schadenshöhe bestritten.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat Zeugen gehört. Außerdem hat es die Akten 5 OWi 24/79 des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort beigezogen. Sie betreffen ein Bußgeldverfahren, das aus Anlass der umstrittenen Havarie gegen den Führer des Fährschiffs Otto Kleider eingeleitet worden ist. Gegen ihn ist ein Bußgeld von DM 80,- verhängt worden.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat das Rheinschifffahrtsgericht die Klage bis zum Betrag von DM 22.670,72 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und sie im Übrigen abgewiesen. Es ist der Ansicht, dass die Klägerin 2/3 ihres Schadens selbst tragen müsse. In der Querfahrt ihrer Fähre liege bei der damaligen Verkehrslage im Revier ein Verstoß gegen die §§ 6.l6, 6.23 RSchPVO. Er wiege doppelt so schwer wie derjenige des Beklagten zu 2) gegen § 1.04 RSchPVO, der darin zu sehen sei, dass er ange¬sichts der Querfahrt und der mit ihr verbundenen Gefahr seine Fahrt mit unverminderten Geschwindigkeit zunächst fortgesetzt und nicht durch Schallzeichen auf sein Schiff aufmerksam gemacht habe.

Die Beklagten haben gegen das Urteil Berufung eingelegte Vor der Berufungskammer wiederholen die Parteien ihren Vortrag und ihre Argumentation aus dem ersten Rechtszuge.

Es beantragen:

Die Beklagten, die Klage im vollen Umfange abzuweisen.

Die Klägerin, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist formell nicht zu beanstanden. In der Sache hat sie aus den folgenden Gründen keinen Erfolg.

Die Berufungskammer schließt sich im vollen Umfange der Bewertung des Verhaltens der an der Havarie beteiligten Schiffsführer durch das Rheinschifffahrtsgericht an. Zutreffend ist insbesondere die Wertung des Verhaltens des Rudergängers Steffen auf dem TMS "E". Er hat seine Passivität angesichts der auch von ihm erkannten Gefahr der Querfahrt der Fähre dem Rheinschifffahrtsgericht bei seinen beiden Vernehmungen vom 13.6.79 (in der Bußgeldsache) und vom 5.1.81 (im vorliegenden Rechtsstreit) geschildert. Von der Richtigkeit dieser im wesentlichen übereinstimmenden Darstellungen kann ausgegangen werden. Danach fuhr die Fähre zunächst ganz linksrheinisch zu Berg. Das MS "A" schickte sich an, sie an ihrer Backbordseite in geringem Abstand zu überholen. "A" seinerseits wurde wieder backbords von dem TMS "E" in einem Seitenabstand von etwa 100 m überholt. Beide Schiffe lagen etwa auf gleicher Hohe, als die Fähre zur Querfahrt ansetzte. Dabei kreuzte sie zunächst den Kurs des MS "A" in einem Abstand, der geringer als 100 m war. Trotzdem fuhr das TMS "E" mit der unverminderten Geschwindigkeit von 12 km/h über Grund und mit unverändertem Kurs weiter. Seine Führung ging davon aus, die Fähre werde sich zwischen "A" und dem eigenen Schiff zunächst aufstrecken, um in dieser Lage dieses Schiff und herankommende Talfahrt vorbeizulassen und erst dann die Querfahrt fortsetzen. In Wirklichkeit geschah dies ohne die erwartete Unterbrechung, Erst jetzt, in einem Abstand zur querfahrenden Fähre von etwa 50 m, setzte man auf "E" die Geschwindigkeit herab. In einer Entfernung von etwa 30 m ließ man die Maschine rückwärts laufen. Beide Maßnahmen konnten nicht mehr verhindern, dass das Schiff bis zum Zusammenstoß mit der Fähre Fahrt behielt. Die Führung des TMS "E" hat weder ein akustisches Signal gegeben noch versucht, über Sprechfunk mit der Fähre Verbindung aufzunehmen. Das geschilderte Verhalten ist ein Verstoß der Führung von "E" gegen § 1.04 RSchPVO.

Spätestens als die Fähre den Kurs von "A" in einem Abstand von unter 100 m kreuzte, musste "E" seine hohe Geschwindigkeit von 12 km/h über Grund stark vermindern. Zwischen beiden Schiffen bestand ein Seitenabstand von etwa 100 m. Bei der Fortsetzung der Querfahrt der Fähre bestand angesichts der genannten Abstände die Gefahr eines Zusammenstoßes. Zu dessen Verhinderung konnte "E" weder Fühlbar nach Steuerbord noch nach Backbord ausweichen, denn steuerbords lag etwa auf gleicher Höhe das MS "A" und backbords kam Talfahrt. Die Herabsetzung der Geschwindigkeit war also die allein Erfolg versprechende Maßnahme zur Vermeidung einer Kollision. Die Führung von "E" hatte keinen gegründeten Anlass, darauf zu vertrauen, die Fähre werde sich aufstrecken, um das eigene Schiff passieren zu Lassen. Sie konnte nicht einmal sicher davon ausgehen, dass es von ihr gesehen worden war, denn "A" lag zwischen ihm und der Fähre. Auf dieser wurde "E" erst mit Sicherheit sichtbar, als sie vor "A“ vorbeigefahren war. Es war zumindest zweifelhaft, ob ihre Führung sie zu diesem Zeitpunkt noch so schnell aufstrecken konnte, dass der spätere Zusammenstoß vermieden worden wäre, selbst wenn man diese Maßnahme hätte durchführen wollen. Auf "E" konnte man auch deshalb nicht annehmen, von der Führung der Fähre gesehen worden zu sein, weil man in keiner Weise auf das Schiff aufmerksam gemacht hatte. Das war weder durch ein akustisches Signal noch über Sprechfunk geschehen, obschon das Funkgerät auf "E" in Betrieb war. Angesichts dieser Umstände konnte die Führung von "E" nicht mehr ernsthaft darauf vertrauen, dass die Fähre ihre Querfahrt unterbrechen würde.

Der Verstoß der Führung des TMS "E" gegen § 1.04 RSchPVO liegt auch darin, dass angesichts der besonderen Situation, kein akustisches Signal gegeben und nicht der Versuch gemacht wurde, mit der Fähre über Sprechfunk in Verbindung zu treten. Beide Maßnahmen hätten die Fähre auf den Bergfahrer und seinen Kurs hingewiesen bzw. eine Abstimmung der beiderseitigen Kurse ermöglicht. Auch. so hätte ein Zusammenstoß vermieden werden können.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Schwere des Verschuldens der Führung von "E" gegenüber demjenigen der Führung der Fähre richtig abgewogen und festgestellt, dass letzteres doppelt so schwer ist.,. Der in der unzulässigen Querfahrt liegende Verstoß gegen § 6.23 RSchPVO ist so gegenüber demjenigen gegen § 1.04 RSchPVO richtig eingeordnet.

Aus den dargelegten Gründen, wird für Recht erkannt:

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 13.3.1981 wird zurückgewiesen. Das angefochtene Urteil wird bestätigt.

2) die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

3) Die Festsetzung der Kosten erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort gemäß Art. 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte.