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11 S 127/68 - Landgericht (-)
Decision Date: 25.04.1969
File Reference: 11 S 127/68
Decision Type: Urteil
Language: German
Norm: § 48 Abs. 3 Satz 2 BSchG
Court: Landgericht Köln
Department: -

Leitsatz:

Die Regelung des § 48 Abs. 3 Satz 2 BSchG, wonach bei der Berechnung der Dauer der Löschzeit Sonntage, allgemeine Feiertage und Tage der Verhinderung der Löschung infolge zufälliger Umstände nicht in Ansatz kommen, ist kein zwingendes Recht. Demgemäß kann sich ein Handelsbrauch des Inhalts herausbilden, dass der Rosenmontag in Köln bei der Berechnung der Löschzeit nicht in Ansatz gebracht und für diesen Tag kein Liegegeld berechnet wird.

Urteil des Landgerichts Köln

vom 25. April 1969

Zum Tatbestand:

Der Kläger transportierte mit seinem Schiff eine Teilladung Betonstahl von Belgien nach Köln. Er kündigte der Beklagten mit Fernschreiben vom 3. 2. 1967 seine Löschbereitschaft zum 6. 2. 1967 (Rosenmontag) im Kölner Hafen an. Die Beklagte erwiderte dem Kläger am gleichen Tage per Fernschreiben, dass am 6. 2. 1967 wegen des Rosenmontages in den Kölner Häfen nicht gelöscht werde.
Der Kläger verlangt für 1 Tag Liegegeld, weil das Schiff am 6. 2. 1967 löschbereit in Köln gelegen habe, aber erst am 7. 2. 1967 entladen und dadurch die Löschzeit um 1 Tag überschritten sei.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass er der Beklagten mit Fernschreiben vom 3. 2. 1967 mitgeteilt habe, ihr stehe ein Meldetag nicht zu und sie habe dem nicht widersprochen. Nach der Übung ordentlicher Kaufleute hätte aber die Beklagte, wenn sie mit einem Fortfall des Anmeldetages nicht einverstanden gewesen wäre, dem widersprechen müssen (§ 346 HGB). Sie hat aber dem Kläger lediglich mitgeteilt, dass sie am 6. 2. 1967, Rosenmontag, nicht zur Abnahme bereit sei, wohl aber am 7. 2. 1967. Darauf, dass sie auf eine Anzeige der Löschbereitschaft im Sinne des § 47 BSchG, die erst erfolgen kann, wenn das Schiff bereits am Ablieferungsort angekommen ist (Vortisch-Zschucke, Binnenschifffahrts- und Flößereirecht, 3. Aufl., § 47 BSchG, Anm. 1 c), bestehe, und sie erst an dem der Anzeige nachfolgenden Tage mit der Löschung beginnen wolle, sie erst an diesem Tage den Beginn der Löschzeit gegen sich gelten lassen wolle (§ 48 Abs. 1 BSchG), hat sie den Kläger nicht hingewiesen. Dazu hatte sie aber aufgrund der ausdrücklichen Mitteilung des Klägers, er gehe davon aus, ihr stehe ein Meldetag im Sinne des § 48 Abs. 1 BSchG nicht zu, besondere Veranlassung. Die insoweit widerspruchslose Entgegennahme des Fernschreibens des Klägers vom 3. 2. 1967 durch die Beklagte ist daher nach den Grundsätzen, die von der Rechtsprechung für das kaufmännische Betätigungsschreiben aufgestellt worden sind, als Annahme dieser Erklärung des Klägers zu werten, so dass der Beklagten kein Anmeldetag im Sinne des § 48 Abs. 1 BSchG zustand.

Daraus ergibt sich indessen nicht, dass die Löschzeit für die Beklagte am 6. 2. 1967 begann. Zwar war das Schiff des Klägers am 6. 2. 1967 löschbereit im Kölner Hafen und hat der Kläger versucht, sich löschbereit bei der Beklagten zu melden, was lediglich daran scheiterte, dass er keinen Angestellten der Beklagten erreichen konnte. Wenn der Kläger dies an einem anderen Werktage innerhalb der ortsüblichen Geschäftsstunden vergeblich versucht hätte, wäre dies ausreichend gewesen. Denn die Beklagte muss als Handelsgesellschaft dafür sorgen, dass sie während der normalen Geschäftsstunden geschäftliche Mitteilung ihrer Geschäftspartner in Empfang nehmen kann. Tut sie dies nicht, und verhindert sie so den Zugang von Mitteilungen ihrer Geschäftspartner, dann muss sie sich gemäß § 162 Abs. 1 BGB so behandeln lassen, als sei ihr die Mitteilung zugegangen, womit dann hier auch die Löschzeit für sie zu laufen begonnen hätte. Dies gilt indessen nicht an Tagen, die entweder gemäß § 48 Abs. 3 BSchG nicht bei der Berechnung der Löschzeit zu berücksichtigen sind oder die kraft Handelsbrauches der beteiligten Schifffahrtskreise bei der Berechnung der Löschzeit außer Betracht bleiben.

Der Rosenmontag ist kein „allgemeiner Feiertag" im Sinne des § 48 Abs. 3 BSchG, denn allgemeine Feiertage im Sinne dieses- Gesetzes sind nur die staatlich anerkannten allgemeinen Feiertage. Zu diesen gehört der Rosenmontag nicht (§ 2 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage in der Fassung vom 9. 5. 1961, GB NRW 1961, S. 209), Der Rosenmontag ist auch kein zufälliger Umstand, durch den die Löschung jeder Art von Gütern verhindert ist. Zufälliger Umstand im Sinne des § 48 Abs. 3 BSchG sind nicht alle Umstände, die weder von dem Empfänger noch von dem Frachtführer zu vertreten sind, sondern lediglich besondere plötzlich auftretende und nicht vorauszuberechnende Ereignisse, die weder in der Sphäre des Frachtführers noch des Empfängers liegen. Dies ergibt sich daraus, dass nach der ausdrücklichen Regelung des § 48 Abs. 3 Satz 2 BSchG auch die Tage zur Löschzeit zu rechnen sind, „an welchen der Empfänger, wenngleich ohne sein Verschulden, die Ladung abzunehmen verhindert ist". Allein das Nichtverschulden an der Situation, die Ladung nicht abnehmen zu können, reicht nicht aus, um den entsprechenden Tag nicht zur Löschzeit zu rechnen. Es muss neben dem Nichtverschulden an dieser Situation noch- hinzukommen, dass die Ursache für das Nichtlöschen können nicht in der Sphäre des Empfängers liegt, und dass die Ursache - wie sich aus den vom Gesetz beispielhaft aufgezählten Fällen von zufälligen Umständen, nämlich Hochwasser und Eisgefahr, ergibt - plötzlich auftretende nicht vorauszusehende Ereignisse sind. Beides ist hier nicht der Fall. Nach § 56 BSchG ist es Sache des Empfängers, das Beförderungsgut aus dem Schiff herauszuholen. Alle Ereignisse, die ihn hieran hindern, liegen in seiner Sphäre, so auch der Umstand, dass zu Rosenmontag in den Kölner Häfen nicht entladen wird. Zudem kann Rosenmontag in diesem Sinne nicht als zufälliger Umstand betrachtet werden.
Bei der Beurteilung geschäftlicher Beziehungen unter Kaufleuten ist jedoch neben der gesetzlichen und vertraglichen Regelung in besonderem Maße die Verkehrssitte des Handels zu berücksichtigen. Diese „im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche" gelten nach § 346 HGB unter Kaufleuten für die im Rahmen ihres Handelsgewerbes getätigten Geschäfte unmittelbar.
dass in Köln ein solcher örtlicher Handelsbrauch besteht, ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus der schriftlichen Auskunft der Industrie- und Handelskammer in Köln vom 28. 1. 1969. Danach hat die Industrie- und Handelskammer aufgrund einer Umfrage bei mehreren, in den Kölner Häfen ansässigen Speditionsunternehmen und bei anderen Wirtschaftskreisen, die ihre Geschäfte in den Kölner Häfen abwickeln, sowie bei der Verwaltung der Häfen der Stadt Köln festgestellt, dass in Köln für Rosenmontag Liegegeld tatsächlich nicht verlangt und nicht gezahlt wird. Nur eine einzige befragte Firma hat nach der Auskunft der Industrie- und Handelskammer mitgeteilt, dass man ihr gegenüber Ansprüche auf Liegegeld für den Rosenmontag geltend gemacht habe, sie habe diese Ansprüche jedoch stets mit Erfolg zurückgewiesen. Die von dem Kläger gegen die Richtigkeit dieser Auskunft der Industrie- und Handelskammer erhobenen Bedenken vermag die Kammer nicht zu teilen.
Zwar hat die Industrie- und Handelskammer in ihrer Auskunft vom 28. 1. 1969 erklärt, in Köln bestehe nach ihrer und der befragten Firmen Ansicht kein entsprechender Handelsbrauch, weil man Rosenmontag an sich als einen zur Zahlung von Liegegeld verpflichteten Tag ansehe. Dabei handelt es sich indessen lediglich um eine unbeachtliche und unzutreffende Rechtsansicht, die das Gericht in keiner Weise bindet. Bei der von der Industrie- und Handelskammer geäußerten Rechtsansicht wird verkannt, dass sich durchaus Handelsbräuche bilden können, die eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Regelung beinhalten, es sei denn, die gesetzliche Regelung sei zwingend und unabdingbar (BGH, NJW 1966, S. 502; Baumbach-Duden, § 346 Anm. 1 D). Bei § 48 Abs. 3 Satz 2 BSchG handelt es sich jedoch nicht um zwingendes Recht. Ebenso wie die Beteiligten vereinbaren können, dass auch Sonntage und allgemeine Feiertage zur Löschzeit zu rechnen seien, können sie auch vereinbaren, dass ein Werktag nicht bei der Berechnung der Löschzeit in Ansatz zu bringen ist. Demgemäß kann sich auch ein entsprechender Handelsbrauch bilden. Bei Handelsbräuchen ist es sogar sehr häufig der Fall, dass damit von der gesetzlichen Regelung abgewichen wird (z. B. enthalten die kraft Handelsbrauches unter Kaufleuten geltenden Grundsätze bezügl. des kaufmännischen Bestätigungsschreibens teilweise eine Abweichung von § 150 Abs. 2 BGB). Entgegen den Voraussetzungen zur Bildung von Gewohnheitsrecht ist bei der Bildung von Handelsbräuchen die allgemeine Überzeugung von ihrer Rechtmäßigkeit, die Überzeugung damit Recht anzuwenden, nicht erforderlich. Es ist vielmehr ausreichend, dass mit Zustimmung der Beteiligten in einer bestimmten Art und Weise verfahren wird, selbst wenn die Beteiligten wissen, dass die gesetzliche Regelung in eine andere Richtung geht (Schlegelberger-Hefermehl, § 346, Randnr. 1). Die richtige Überzeugung der beteiligten Wirtschaftskreise Kölns, dass der Rosenmontag an sich nicht zu den gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 BSchG bei der Berechnung der Löschzeit nicht in Ansatz zu bringenden Tage gehört, hinderte daher nicht die Bildung eines anderen Handelsbrauches. Es ist daher eben ausreichend, dass - wie sich aus der Auskunft der Industrie- und Handelskammer ergibt - die beteiligten Kölner Wirtschaftskreise über einen längeren Zeitraum hinweg die tatsächliche Übung verfolgt haben, Rosenmontag bei der Berechnung der Löschzeit nicht in Ansatz zu bringen, für Rosenmontag kein Liegegeld zu verlangen.
Die Bejahung einer entsprechenden tatsächlichen Übung bedeutet nicht, dass ausnahmslos kein Liegegeld verlangt und gezahlt wurde, sondern lediglich, dass grundsätzlich in den weit überwiegenden Fällen so verfahren wurde.
Aus welchem Grunde es zu dieser Übung kam, dass es den Frachtführern zu umständlich oder zu riskant erschien, auch die geringen Liegegeldbeträge für Rosenmontag einzufordern, das ist dabei unerheblich. Es ist ausreichend, dass sie es unterlassen haben, ihre Liegegeldansprüche für Rosenmontag geltend zu machen und ihnen dafür auch kein Liegegeld gezahlt wurde. dass diese bis 1964 auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers bestandene tatsächliche Übung auch danach noch eingehalten wurde, ergibt sich aber aus der Auskunft der Industrie- und Handelskammer vom 28. 1. 1969. Diese tatsächliche Übung wurde entgegen der Ansicht des Klägers auch seit langem mit der für die Bildung eines Handelsbrauchs erforderlichen „Zustimmung" aller Beteiligten, also auch der Schifffahrtstreibenden praktiziert. Zustimmung zu einer tatsächlichen Übung im Handelsverkehr bedeutet lediglich, dass alle Beteiligten diese tatsächliche Übung anerkennen und praktizieren, ihr gegenüber keine Vorbehalte geltend machen. Zustimmung bedeutet hier keinesfalls, dass diese tatsächliche Übung von allen Beteiligten auch als für sie wünschenswert gutgeheißen wird. Handelsbräuche sind häufig für einen der Handelpartner nachteilig (z. B.: Handelsbrauch, dass ein Schiffsmakler eine Provision von dem Verkäufer eines Schiffes in bestimmten Fällen nicht verlangen könne: BGH, NJW 1966 S. 502). Diese Handelsbräuche kommen aber zustande, weil auch die durch sie benachteiligten Handelspartner die tatsächliche Übung als gegeben akzeptieren und sich danach richten. In diesem Sinne haben auch die Schifffahrtstreibenden der tatsächlichen Übung, dass für Rosenmontag in Köln kein Liegegeld gezahlt wird, zugestimmt, denn sie haben, von wenigen geringen Ausnahmen abgesehen, ausweislich der Auskunft der Industrie- und Handelskammer für Rosenmontag niemals Liegegeld verlangt und auch niemals ein solches erhalten. Bei dieser tatsächlichen Übung handelt es sich somit um eine solche aller Beteiligten, nicht nur um die einseitige Übung der Empfänger.
Dieser Kölner Handelsbrauch galt auch zwischen den Parteien, denn Handelsbräuche werden auch ohne besondere Bezugnahme Inhalt der Vertragsbeziehung zwischen Kaufleuten. Wer sich dem Handelsbrauch nicht unterwerfen will, muss ihn ausdrücklich ausschließen (BGH in NJW 1966, S. 502). Das hat der Kläger nicht getan.
Auch in der Binnenschifffahrt ist der Löschvorgang nach den Gesetzen und Gebräuchen des Entlöschungshafens zu beurteilen. Wenn für jedes einen fremden Hafen anlaufende Schiff das Recht und die Gebräuche seines Heimathafens gelten würden, würden in ein und demselben Hafen verschiedene Rechte und Gebräuche zur Anwendung kommen, was zu einer großen Rechtsunsicherheit und zu einer Erschwerung des Handels führen würde.
Auch für die Berechnung der Löschzeit und damit auch des. Liegegeldes in den Kölner Häfen gilt daher kraft Schifffahrtsbrauches in der Binnenschifffahrt der örtliche Kölner Handelsbrauch, dass Rosenmontag nicht bei der Berechnung der Dauer der Löschzeit zu berücksichtigen ist, und für Rosenmontag daher kein Liegegeld zu zahlen ist.
Selbst wenn der Kläger diesen örtlichen Kölner Handelsbrauch nicht kannte, muss er sich danach behandeln lassen. Die Maßgeblichkeit eines Handelsbrauches gemäß § 346 HGB setzt nicht voraus, dass der Betroffene ihn kennt. Insofern ist oder schafft der Brauch objektives Recht (Baumbach Duden, 17. Aufl., § 346 Anm. 1 E). Für die Beklagte bestand gegenüber dem Kläger grundsätzlich auch keine Aufklärungspflicht über das Bestehen des Kölner Handelsbrauches (Baumbach-Duden, § 346 Anm. 3A). Aber selbst wenn man diese Aufklärungspflicht bejahen wollte, würde sich daraus nicht ergeben, dass der Kläger sich diesen Handelsbrauch nicht entgegen halten zu lassen brauchte. Denn als die Beklagte erstmalig davon erfahren hat, dass sich der Kläger zum 6. 2. 1967, Rosenmontag, löschbereit melden wollte, hat sie noch am selben Tag, am 3. 2. 1967, per Fernschreiben den Kläger darauf hingewiesen, dass an diesem Tage in Köln Feiertag sei, dass Rosenmontag gefeiert werde. Damit ist sie in ausreichendem Maße ihrer Aufklärungspflicht, falls sie überhaupt besteht, nachgekommen."