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II ZR 182/87 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 25.01.1988
Aktenzeichen: II ZR 182/87
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsatz:

Zum Beförderungsanspruch des Drittabladers gegen den (Haupt-)Verfrachter. Zur Fälligkeit eines solchen Anspruchs bei vom (Haupt-)Befrachter geschuldeter Vorausfracht.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 25. Januar 1988

II ZR 182/87

(Landgericht Hamburg: Oberlandesgericht
Hamburg)

Zum Tatbestand:

Die belgische Klägerin beauftragte im Oktober 1984 über ihren Spediteur NSS in Antwerpen die französische Firma Sta., 2000 t gesackte Düngemittel von Gent nach Douala (Kamerun) zur vereinbarten Fracht von 240000,— DM zu befördern. Zur Durchführung dieses und eines anderen Transportauftrages charterte die Firma Sta., für die in Gent als Vertreter die TTM tätig war, Mitte Dezember 1984 das MS „Yona B" der Beklagten gegen eine Lumpsum-Fracht von 315 000 US-Dollar, zahlbar binnen 3 Tagen nach Ausstellung der Konnossemente. Für die Beklagte, als deren Agentin in Gent ebenfalls die TTM benannt wurde, hat den Chartervertrag die Hamburger Firma Ger. geschlossen.
Die vom Kapitän am 31. 12. 1984 gezeichneten Konnossemente, die den Firmenstempel von Ger., nicht aber den Namen des Verfrachters enthalten, wurden der Klägerin zunächst nicht übergeben, weil Sta. trotz Aufforderung vom 3. 1. 1985 die Lumpsum-Fracht nicht bezahlt hatte. Ger. hat die Klägerin hiervon am 11. 1. 1985 unterrichtet und ihr gleichzeitig die anteilige Übernahme der Fracht in Höhe von 126 000 US-Dollar sowie einer Lösch- und Liegegeldgarantie vorgeschlagen. Während noch über Gegenvorschläge verhandelt wurde, lieferte TTM — nach Zahlung der Fracht durch die Klägerin auf das Treuhandkonto eines belgischen Rechtsanwalts — die Konnossemente über NSS an die Klägerin, die die Beklagte von diesen Vorgängen unterrichtete. Die Beklagte wies die Klägerin noch am selben Tag (21. 1. 1985) darauf hin, daß TTM zur Auslieferung der Konnossemente nicht berechtigt gewesen sei, wovon sie zuvor schon TTM am 10. und 14. 1. 1985 sowie NSS am 14. 1. 1985 jeweils fernschriftlich Kenntnis gegeben hatte. MS „Yona B" hat Gent am 7. 1. 1985 verlassen und ist nach Hamburg versegelt, wo die Ladung gelöscht und auf Lager genommen wurde. Gemäß einer Vereinbarung der Frachtparteien von Mitte Februar 1985 ist die Ladung von der Beklagten gegen Sicherheitsleistung der Klägerin freigegeben und mit einem anderen Schiff nach Douala befördeft worden.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von ca. 145000,— DM, 705 000 BF und 257 000 FF wegen Nichtbeförderung der Güter von Gent nach Douala und beantragt Feststellung, daß die nach dem 16. 5. 1985 entstandenen Kosten einer Bankbürgschaft vom 15. 2. 1985 über 160 000 US-Dollar von der Beklagten zu erstatten seien.
Die Beklagte hält die Ansprüche für unbegründet, weil eine Beförderungspflicht gegenüber der Klägerin nicht bestanden habe.
Das Landgericht hat den Zahlungsanspruch — unter Abweisung eines Betrages von 10176 BF — dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt sowie dem Feststellungsantrag stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:
„....
Die Klägerin war Unterbefrachterin der Güter. Als solche hat sie mit Sta. die Hauptbefrachterin und Unterverfrachterin gewesen ist, in frachtrechtlichen Beziehungen gestanden, hingegen nicht mit der Beklagten, der Hauptverfrachterin. Mangels eines Frachtvertrages zwischen den Parteien kommt daher ein Beförderungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus einem solchen Vertragsverhältnis nicht in Betracht. Ein Beförderungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich auch nicht daraus, daß die Klägerin Drittablader der Güter (vgl. Schlegelberger/ Liesecke, Seehandelsrecht 2. Aufl. Einf § 556 Rn. 24; Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht 2. Aufl. Vor § 556 Anm. II C) gewesen ist. Zwar erlangt ein derartiger Ablader einen eigenen (vertraglichen) Beförderungsanspruch gegen den Verfrachter, sobald ihm die Beförderung der Güter schiffsseitig zugesagt ist (Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht 2. Aufl. S. 226; Schlegelberger/Liesecke a.a.O.; Schaps/Abraham, Seerecht 4. Aufl. Seehandelsrecht 1. Teil Vor § 556 Rn. 7; Prüßmann/Rabe a.a.O.; OLG Hamburg, HansGZ 1893, 261). Eine solche Zusage ist hier jedoch nicht erfolgt. Richtig ist, daß der Klägerin als Drittablader bestimmte gesetzliche- Rechte gegenüber der Beklagten zugestanden haben (vgl. §§ 566, 642, 645, 647, 654 HGB). Indes billigt keine dieser Bestimmungen dem Ablader einen Beförderungsanspruch zu. Sie stützen daher nicht die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe einen eigenen Beförderungsanspruch gegen die Beklagte erlangt, sobald sich die Düngemittel an Bord des MS „Yona B" befunden hätten. Das gilt auch für die vom Berufungsgericht angeführten Schrifttumsstellen. Seine Ansicht ließe sich allenfalls damit begründen, daß der Ablader die Stellung eines Ladungsbeteiligten hat, also auch ihm der Kapitän und der Verfrachter für einen alsbaldigen Antritt der Reise und deren sorgfältige Durchführung verantwortlich sind (§§ 512, 515, 606, 607 HGB). Dem braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Auch wenn man einen Beförderungsanspruch der Klägerin auf Grund der Übernahme der Güter an Bord des MS „Yona B" bejaht, so kann dieser, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht ohne Blick auf den Inhalt des Hauptfrachtvertrages gesehen werden. Da dieser die Vorauszahlung der Fracht an die Beklagte bestimmt, ist das auch im Rahmen eines etwaigen Beförderungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte zu berücksichtigen. Es ist nicht ersichtlich, wieso sich die Stellung des Hauptverfrachters (Beklagte) im Falle eines dem Drittablader (Klägerin) erwachsenen Beförderungsanspruchs diesem gegenüber verschlechtern soll (vgl. auch Schaps/Abraham a.a.O. § 605 Rn. 6), zumal er bei der Abladung der Güter als Vertreter des Hauptbefrachters (Sta) tätig gewesen ist. Auch wäre es nicht hinnehmbar, daß ein Befrachter eine für den Verfrachter günstige Frachtregelung dadurch unterlaufen könnte, daß er das Abladen der Güter nicht selber vornimmt, sondern damit einen Dritten betraut. Ähnlich läge es übrigens, wenn man den Hauptfrachtvertrag (Reisecharter) zwischen Sta und der Beklagten als Vertrag zu Gunsten der Klägerin im Sinne des § 328 BGB behandeln würde, soweit es um den Beförderungsanspruch gegen die Beklagte geht. Auch dann müßte sich die Klägerin entgegenhalten lassen, daß Sta die mit der Beklagten vereinbarte Vorausfracht nicht gezahlt hat und diese deshalb die geschuldete Leistung verweigern durfte (§§ 334, 273 BGB; vgl. auch Prüßmann/Rabe a.a.O. § 642 Anm. A la sowie Schlegelberger/Liesecke a.a.O. § 642 Rn. 4). Davon abgesehen, dürfte der Hauptfrachtvertrag ohnehin keine solche Vereinbarung zu Gunsten der Klägerin enthalten. Zwar hatte Sta den Hauptfrachtvertrag mit der Beklagten geschlossen, um (auch) den Unterfrachtvertrag mit der Klägerin erfüllen zu können. Ferner hatte die Klägerin als Exporteur der Düngemittel gewiß ein nicht geringes Eigeninteresse an der Durchführung der Frachtreise. Jedoch folgt daraus allein nicht schon, daß die Klägerin unmittelbar den Transport ihrer Güter von der Beklagten sollte verlangen können, zumal dieser ein Frachtanspruch gegen die Klägerin selbst nicht zustand, somit ihre Interessen denen der Klägerin gegenläufig waren.
Unbegründet ist schließlich die Rüge der Revision, jedenfalls habe das Berufungsgericht zu Unrecht einen konnossementsmäßigen Beförderungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten verneint. Zwar gilt nach § 644 HGB der Reeder als Verfrachter, wenn in einem vom Kapitän oder einem anderen Vertreter des Reeders ausgestellten Konnossement der Name des Verfrachters nicht angegeben ist. Jedoch hat die Klägerin mangels eines wirksamen Begebungsvertrages zwischen der TTM als Agentin der Beklagten und NSS als Vertreterin der Klägerin keinerlei Rechte aus dem Konnossement erworben. Nach den rechtlich fehlerfreien Ausführungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte schon vor Übergabe des Konnossements mit Fernschreiben vom 10. und 14. Januar 1985 gegenüber TTM die Vollmacht widerrufen, das Konnossement an die Klägerin zu begeben und außerdem NSS davon mit Fernschreiben vom 14. Januar 1985 unterrichtet. Soweit die Revision den genannten Fernschreiben einen anderen Inhalt entnimmt, berücksichtigt sie nicht, daß es sich jeweils um Individualerklärungen handelt, deren Auslegung dem Tatrichter vorbehalten und an die der Senat — mangels eines Rechtsfehlers des Berufungsgerichts — gebunden ist (§ 561 ZPO). Auch kann sich der Umstand, daß die Klägerin trotzdem das Konnossement erhalten hat, nicht zu ihren Gunsten auswirken, nachdem ihre Vertreterin (NSS) bei dessen Entgegennahme Kenntnis von der fehlenden Vertretungsmacht der TTM hatte. Daß ferner die Beklagte in der Berufungsbegründungsschrift bemerkt hat, über den Abschluß eines Begebungsvertrages mit der Klägerin als Drittablader bestehe kein Zweifel', vermag der Revision ebenfalls nicht weiterzuhelfen. Denn bereits in dem folgenden Satz wird bezweifelt, daß die Beklagte Partner dieses Vertrages gewesen ist."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1988 - Nr.5 (Sammlung Seite 1237 f.); ZfB 1988, 1237 f.