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II ZR 135/82 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 30.05.1983
Aktenzeichen: II ZR 135/82
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Zur Zulässigkeit einer Gerichtswahlklausel in einem Konnossement, welche für Streitigkeiten aus dem Verlust oder der Beschädigung von nach einem deutschen Hafen zu befördernden Gütern die ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts (hier: Bombay/Indien) bestimmt, wenn dieses Gericht zwar die Haager Regeln, jedoch mit einem erheblich niedrigeren Haftungsbetrag anwendet, als ihn § 660 HGB vorsieht.

2) Konnossementsbedingungen, die infolge ihrer drucktechnischen Gestaltung nur mit der Lupe und selbst dann nicht ohne Mühe zu lesen sind, werden nicht Bestandteile des Konnossementsvertrags.

Urteil des Bundesgerichthofs

vom 30. Mai 1983

(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

Die in Bombay ansässige Beklagte hatte den Transport von 11 Ballen Wollteppiche von Kalkutta nach Hamburg übernommen und die Übernahme an Bord ihres Schiffes in einem Konnossement bestätigt. Bei der Ankunft in Hamburg fehlten 3 Ballen.

Die Klägerin (Transportversicherung) verlangt in der vor dem Landgericht in Hamburg erhobenen Klage von der Beklagten Zahlung eines Betrages von 3750,- DM.

Die Beklagte bestreitet die Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg, da nach der Gerichtswahlklausel in Ziffer 4 der Konnossementsbedingungen (KB) ausschließlich die Gerichte in Bombay zu entscheiden hätten.

Das Landgericht hat seine internationale Zuständigkeit verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung war erfolglos. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit der Klage bejaht.

Aus den Entscheidungsgründen:

I.

Das Überprüfungsverbot des § 549 Abs. 2 ZPO umfasst nicht die Frage der internationalen Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts (BGH, Urt. v. 13. Juni 1978- VI ZR 189/77, LM § 549 ZPO Nr. 90). Der Senat ist deshalb befugt zu prüfen, ob die Vorinstanzen zu Unrecht die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg verneint haben.

II.

1. Nach deutschem Recht bestehen gegen die Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts in einem Seefrachtvertrag, der die Beförderung von Gütern nach einem deutschen Bestimmungshafen zum Gegenstand hat, grundsätzlich keine Bedenken (Senatsurt. v. 21. Dezember 1970 - II ZR 39/70, LM § 38 ZPO Nr. 12 sowie v. 3. Dezember 1973 - II ZR 91/72, VersR 1974, 470, 471). Für den Empfänger in einem deutschen Bestimmungshafen ist eine solche Abrede nach dem Schutzzweck des § 662 HGB nur dann unwirksam, wenn dadurch die zwingende Haftung des Konnossementsverfrachters nach den Haager Regeln ausgeschaltet wird (vgl. die genannten Senatsurteile). Das ist aber, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, hier nicht der Fall. Nach seinen Feststellungen gelten die Haager Regeln auch in Indien. Allerdings liegt dort der Haftungsbetrag des Verfrachters mit 100 englischen Pfund je Packung oder Einheit in Verlust geratener oder beschädigter Güter derzeit nur bei einem Drittel der in § 660 HGB auf 1250,- DM festgesetzten Haftungssumme. Damit lässt sich jedoch nicht die Unwirksamkeit der Gerichtswahlklausel in Ziffer 4 KB begründen.

2. Revision ist zuzugeben, dass die Gerichtswahlklausel in Ziffer 4 KB dann nicht als wirksam betrachtet werden könnte, wenn das indische Recht oder dessen Handhabung durch die indischen Gerichte zwingende Vorschriften der Haager Regeln verletzen würde (§§ 138,242 BGB). Eine solche Verletzung ist jedoch, was die Haftungssumme des Verfrachters nach Art. 4 § 5 dieser Regeln angeht, zu verneinen.

3. Nach § 10 Nr. 8 AGBG ist die Vereinbarung der Geltung ausländischen Rechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn kein anerkennenswertes Interesse des Verwenders hierfür besteht. Indes ist zwischen den Parteien unbestritten, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin zum Kreis jener Personen gehört, auf die nach § 24 Nr. 1 AGBG die Vorschrift des § 10 Nr. 8 AGBG nicht anzuwenden ist. Unwirksam könnte Ziffer 4 KB, die ergänzend zur Gerichtswahlklausel eine Rechtswahl des indischen Rechts enthält, hingegen sein, wenn ihr Inhalt die Rechtsvorgängerin der Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt hätte (§ 9 Abs. 1 AGBG). Das hat das Berufungsgericht verneint, weil gerade im Überseeverkehr die von der Beklagten verwendete Rechts- und Gerichtswahlklausel sehr gebräuchlich sei; außerdem habe für sie ein anerkennenswertes Interesse an der Vereinbarung indischen Rechts bestanden, weil sie in Indien ansässig sei und die Beförderung der Partie Wollteppiche mit ihrem MS „R" von einem indischen Hafen aus begonnen habe. Die Bedenken der Revision gegen diese Ausführungen sind unbegründet.

III.

Das Berufungsgericht hat lediglich die Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung geprüft, aus welcher die Beklagte die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte in Bombay herleitet. Hingegen hat es nicht besonders erörtert, ob die Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Klägerin überhaupt zustande gekommen ist. Anscheinend hat es die Frage auf Grund der Vorschrift des § 656 Abs. 1 HGB bejaht, wonach für das Rechtsverhältnis zwischen dem Verfrachter und dem Empfänger der Güter das Konnossement maßgebend ist. Die Regelung besagt aber nicht mehr, als dass sich die Beziehungen zwischen dem Verfrachter und dem Empfänger allein nach dem Konnossementsvertrag richten. Davon unabhängig ist jedoch die Frage, ob die Bedingungen eines Konnossements, insbesondere eine darin enthaltene Gerichtswahlklausel, Gegenstand des Konnossementsvertrags geworden sind. Für den Streitfall ist das zu verneinen.

1. Die Frage des Zustandekommens einer Gerichtsstandsvereinbarung ist materiellrechtlicher Natur (BGHZ 49, 384, 387; 59, 23, 27). Nach welchem Recht sie bei einem Vertrag mit Auslandsberührung zu beurteilen ist, ist nach den Regeln des internationalen Privatrechts zu entscheiden. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte und die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine kollisionsrechtliche Bestimmung getroffen haben, sind nicht gegeben. Auf die Rechts- und Gerichtswahlklausel in Ziffer 4 KB lässt sich hierfür nicht zurückgreifen, da es gerade um ihr Zustandekommen geht. Maßgebend für die Beurteilung der Frage ist daher das Recht des Bestimmungshafens (Senatsurt. v. 21. Dezember 1970 - II ZR 39/70, LM § 38 ZPO Nr. 12; Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht 2. Aufl. vor § 556 Anm. F 1), somit deutsches Recht.

2. Die Konnossementsbedingungen der Beklagten sind auf der Rückseite des von ihr für das Konnossement verwendeten Formulars in einer Weise abgedruckt (zwei knapp 9,5 cm breite Spalten auf einer nicht ganz DIN A4 großen Seite mit jeweils mehr als 150 Zeilen bei allenfalls 1 mm Zeilenhöhe und einem noch kleineren Zeilenabstand), dass sie lediglich mit der Lupe und selbst dann nicht ohne Mühe zu lesen sind. Drucktech-nisch derart gestaltete Allgemeine Geschäftsbedingungen werden aber nicht Vertragsinhalt (vgl. BGH, Urt. v. 7. Juni 1978 - VIII ZR 146/77, WM 1978, 978, 979; vgl. auch Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 4. Aufl. § 3 Rnr. 54; MünchKomm-Kötz § 2 AGBG Rnr. 6; Palandt, BGB 42. Aufl. AGBG § 2 Anm. 3 c). Das gilt auch dann, wenn es -- wie hier - um eine Klausel geht, die im Überseeverkehr sehr gebräuchlich ist und gegenüber einem Kaufmann verwendet wird. Zwar wird man in einem solchen Fall von keiner überraschenden Klausel sprechen können. Auch bedürfen Kaufleute gegenüber dem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen keines so umfassenden Schutzes, wie er für Nichtkaufleute wegen ihrer in geschäftlichen Angelegenheiten vielfach bestehenden Unerfahrenheit oder Unkenntnis geboten ist (vgl. auch § 24 AGBG). Indes kann der redliche Verwender auch gegenüber einem kaufmännischen Vertragspartner nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht davon ausgehen, dass sich dieser durch die bloße Entgegennahme eines nur schwer entzifferbaren Klauselwerks mit dessen Inhalt einverstanden erklärt.

IV.

Fehlt es danach an dem Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung zwischen der Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Klägerin, so ist die Frage der Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des deutschen Prozessrechts zu beurteilen. Aus ihnen ergibt sich die örtliche - und damit auch internationale (vgl. BGHZ 44, 46f.; 69, 37, 44) - Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg (§ 29 Abs. 1 ZPO), da Hamburg Erfüllungsort für die Beförderungverpflichtung der Beklagten nach dem Konnossement gewesen ist."