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6 U 182/11 - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 06.02.2012
Aktenzeichen: 6 U 182/11
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 102 Nr. 1 BinSchPRG, § 102 Nr. 3 BinSchPRG, § 103 Abs. 2 BinSchPRG, § 426 Abs. 2 BGB, § 1250 BGB, § 1257 BGB
Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Die Schiffsgläubigerrechte gem. § 102 BinSchG erfassen nicht nur Forderungen gegen den Schiffseigner oder den Schiffsausrüster.

2) Das Schiffsgläubigerpfandrecht gem. §§ 103 Abs. 2, 102 Nr. 1 und 3 BinSchG geht bei Zahlung eines Gesamtschuldners auf diesen über (§ 426 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1257, 1250 BGB). Der mit diesen Vorschriften verfolgte Zweck, bestimmte, vor allem öffentliche Forderungen in besonderer Weise zu schützen, führt nicht dazu, dass die Befriedigung des Gläubigers durch einen Gesamtschuldner zum Erlöschen des Pfandrechts führt.

 

Verfahrensgang

vorgehend LG Hamburg, 10. November 2011, Az: 403 HKO 67/11

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10.11.2011, Az. 403 HKO 67/11, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist ebenso wie das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10.11.2011, Az. 403 HKO 67/11 ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.787,44 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

1   Die Parteien streiten um das Bestehen und den Übergang eines Schiffsgläubigerrechts.

2   Die Klägerin ist Kanalagentin im Nord-Ostsee-Kanal und übernimmt bei entsprechender Beauftra­gung die Abwicklung der öffentlichen Abgaben und Begleichung der öffentlichen Forderungen. Hierzu hat sie eine Vereinbarung mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, Was­ser- und Schifffahrtsdirektion Nord, nach der die Klägerin die Abgabeforderungen der Schiffe, für die sie mit der Klarierung beauftragt wurde, direkt an die Öffentliche Hand zahlt und hierzu ge­samtschuldnerisch den Abgabeforderungen beitritt.

3   Die Beklagte ist im Schiffregister (Anlage K 1) eingetragene Eigentümerin der TMS „T... B...“. Die Beklagte hat das Schiff mit Bareboat-Charter-Vertrag vom 10.09.2010 zum 15.09.2010 an die B. Luxemburg S.A.R.L. verchartert (Anlage B 1). Bereits zuvor hatte die B. er Luxemburg S.A.R.L. das Schiff mit Zeitchartervertrag vom 08.06.2010 (Anlage B 4) der O. GmbH, Hamburg, über­lassen. Letztere wird in den Anmeldungen nach § 43 SeeSchStrO für den Nord-Ostsee-Kanal als Zahlungspflichtige aufgeführt (Anlagen B 3, B 5 und B 6).

4   Die Klägerin wurde von der Fa. O. GmbH, Hamburg, am 06.11.2010, 13.11.2010, 24.11.2010, 11.12.2010 und 17.12.2010 mit der Klarierung und der Veranlassung aller erforderlichen Maß­nahmen für die Kanalfahrt der TMS „T... B...“ beauftragt. Die von der Klägerin erbachten Zahlun­gen für Abgaben (insb. für Lotsen), Kanal- und Hafengebühren sowie Liegegebühren, beliefen sich auf € 6.787,44 (Anlagenkonvolut K 3).

5   Die Beklagte wurde mit Schreiben der Klägerin vom 10.03.2011 (Anlage K 5) zur Zahlung von € 6.787,44 bis zum 31.03.2011 aufgefordert, hiernach mandatierte die Klägerin ihren Bevoll­mächtigten, der die Beklagte nochmals zur Zahlung zur Abwendung der Vollstreckung in das Schiff aufforderte (Anlagen K 4 und K 6). Ein Antwortschreiben der B. Luxemburg S.A.R.L. vom 21.03.2011 bezog sich auf die Schiffe „Eckhard B...“ und „Heinrich B...“ (Anlagen B 8 und B 9) und verwies die Klägerin insoweit an die Fa. O. GmbH.

6   Die Klägerin vertrat in erster Instanz die Auffassung, dass § 426 Abs. 2 BGB auch anwendbar sei, wenn das Außenverhältnis gegenüber dem Gläubiger öffentlich-rechtlich ist. Das Pfandrecht nach den §§ 102, 103 BinSchG gehe nach den §§ 426 Abs. 2, 412, 401 Abs. 1, 1257, 1249, 1250 BGB ebenfalls auf die Klägerin über. Schuldner des Schiffsgläubigerrechts sei immer der Eigner bzw. Ausrüster, dieser müsse nicht Vertragspartner sein. Ein Schiffsgläubigerrecht erlösche je­denfalls dann nicht, wenn ein Dritter, der nicht Schuldner ist, den Gläubiger befriedigt. Zudem hätte die Beklagte vorgerichtlich nicht mitgeteilt, dass ein Ausrüster existiere, so dass sie sich je­denfalls nach Treu und Glauben als Schiffseigner behandeln lassen müsse.

7   Die Beklagte vertrat erstinstanzlich die Auffassung, sie sei als nur sachenrechtliche Eigentüme­rin nicht passiv legitimiert. Dies seien nur diejenigen, die das Schiff auch verwendeten. Vertrags­partner sei die O. GmbH, die für die Klarierungskosten in Anspruch genommen werden müsse. Darüber hinaus setze § 102 BinSchG voraus, dass ein Anspruch gegen den Schiffseigner/ Ausrüs­ter bestehe, die O. GmbH sei als bloßer Zeitcharterer nicht umfasst, so dass ein Pfandrecht erst gar nicht entstehen könne. Zudem sei das Schiffsgläubigerrecht aufgrund der strengen Akzess-orietät durch die Zahlung der Klägerin an die zuständigen Stellen erloschen, § 102 BinSchG sei als gesetzliches Pfandrecht nicht nach § 426 Abs. 2 BGB übertragbar und auch nicht analog an­wendbar. Geschützt werde durch § 102 BinSchG allein die Befriedigung der öffentlichen Hand, ei­ner weiteren Sicherung bedürfe es nicht. Auch sei die Klägerin, da sie als Gesamtschuldnerin für die Forderungen hafte, nicht Dritte, so dass die Forderungen nicht nach den § 1257, 1249, 1250 BGB übergehen könnten. Die Klage hätte gegen den Schiffseigner oder -rüster gerichtet werden müssen.

8   Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

9   Mit Urteil vom 10.11.2011 zur Geschäfts-Nr. 403 HKO 67/11 hat das Landgericht die Beklagte entsprechend dem klägerischen Antrag verurteilt, die Zwangsvollstreckung in das TMS "T... B...", Unterscheidungssignal Dj4349, wegen einer Forderung in Höhe von € 6.787,44 zuzüglich Zin­sen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 11.04.2011 zu dulden Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin in gleicher Höhe gegen die Firma O. GmbH, Hamburg, aus den zu­grunde liegenden Klarierungsverträgen gemäß Anlagenkonvolut K 2. Ferner hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 507,50 freizuhalten. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Beklagte sei als Eigentüme­rin zwar nicht zum Ausgleich der gesicherten schuldrechtlichen Forderung verpflichtet, sie sei je­doch verpflichtet, die Befriedigung des Pfandgläubigers aus dem Eigentum zu dulden. Eine Be­schränkung der Haftung auf den Schiffseigner im Sinne von § 1 BinSchG oder den Ausrüster ent­sprechend den bis 1972 anwendbaren § 762 HGB a.F. scheide aus, da es an einer entsprechen­den Regelung im BinSchG fehlt. Vielmehr bestätige § 760 Abs. 2 HGB (n.F.), dass auch der Eigen­tümer in Anspruch genommen werden könne. Das Pfandrecht nach den §§ 102, 103 BinSchG sei nach den §§ 426 Abs. 2, 1257, 1259 BGB auf die Klägerin übergegangen. § 426 Abs. 2 BGB gel­te auch für öffentlich-rechtliche Forderungen. Schließlich werde auch die angefallene Mehrwert­steuer durch das Pfandrecht, ebenso wie ein Zinsanspruch, gesichert. Wegen der Begründung des Landgerichts im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des ange­fochtenen Urteils.

10  Das Urteil ist der Beklagten am 16.11.2011 zugestellt worden. Sie hat gegen das Urteil am 02.12.2011 Berufung eingelegt und diese am 13.01.2012 begründet.

11  Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die vom Landgericht angenommene Passivle­gitimation der Beklagten wie auch den vom Landgericht angenommenen Übergang des Schiffs­gläubigerrechts nach den §§ 426 Abs. 2, 412, 401 Abs. 1, 1257, 1250 BGB. Schließlich umfasse die Duldung der Zwangsvollstreckung keine Mehrwertsteuerbeträge. Die Beklagte hafte als rein sachenrechtliche Eigentümerin, die das Schiff nicht verwende, nicht. Für die Zahlungsansprüche der Klägerin sei weder ein Schiffsgläubigerrecht entstanden noch ein solches auf die Klägerin übergegangen, da diese auf eine eigene Schuld geleistet habe. Wegen der strengen Akzessorie-tät der Schiffsgläubigerrechte gingen diese nicht nach § 426 BGB auf andere Gesamtschuldner über. Ferner behauptet die Beklagte, die Klägerin sei vorsteuerabzugsberechtigt und könne da­her keine Umsatzsteuer geltend machen. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag.

12  Die Beklagte beantragt,

13           die Klage unter Abänderung des am 10.11.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, Az. 403 HKO 67/11 abzuweisen.

14  Die Klägerin beantragt,

15           die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

16  Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist nochmals darauf hin, dass sie nicht zumVorsteuerabzug berechtigt sei.

17  Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug ge­nommen.

II.

18  Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Be­klagte zu Recht verurteilt, die Zwangsvollstreckung in das TMS "T... B...", Unterscheidungssignal Dj4349, wegen einer Forderung in Höhe von € 6.787,44 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozent­punkten seit dem 11.04.2011 zu dulden.

19  Ein Anspruch der Klägerin auf Duldung der Vollstreckung folgt aus den §§ 3 LTV, 2 Ziff. 2 NOKBe-fAbgV, 2 Abs. 5 HafAbgV SH, 426 Abs. 2 BGB, 103 Abs. 1, 102 Ziff. 1 und 3, 105 BinSchG 1257, 1250 BGB.

20  Nach § 3 LTV ist der Eigentümer eines Wasserfahrzeuges neben dem Veranlasser der Fahrt zur Zahlung der Lotsenabgaben und Lotsengelder als Gesamtschuldner verpflichtet. Nach § 2 Ziff. 2 NOKBefAbgV ist zur Zahlung der Befahrungsabgaben auf dem Nord-Ostsee-Kanal neben dem Veranlasser der Fahrt derjenige verpflichtet, dessen Fahrzeug den Kanal benutzt, wobei auch hier mehrere Zahlungspflichtige als Gesamtschuldner haften. Nach § 2 Abs. 5 HafAbgV SH ist der Ei­gentümer eines Fahrzeugs neben dem Benutzer zur Abgabenzahlung in den Häfen Brunsbüttel als Gesamtschuldner verpflichtet. Alle drei Regelungen beinhalten eine Haftung der Beklagten für die vorliegend streitbefangenen Lotsengelder, Kanal-, Hafen- und Liegegebühren. Die Beklag­te ist als Eigentümerin im Schiffsregister eingetragen und als solche zur Zahlung verpflichtet. Zwar stellt § 2 Ziff. 2 NOKBefAbgV anders als die beiden anderen Regelungen nicht ausdrücklich auf das Eigentum ab, es ergibt sich jedoch aus der Auslegung des Wortlautes und unter Berück­sichtigung des Sinnes und Zwecks der Regelung, dass eine Haftung des Eigentümers dort gere­gelt ist. Hierfür spricht die Abgrenzung zu Ziff. 1, in der die Zahlungspflicht des Veranlassers ge­regelt ist. Veranlasser der Fahrt ist derjenige, der das Schiff im konkreten Fall verwendet. Einen selbständigen Regelungsgehalt entfaltet die Ziff. 2 daher bei Personen, deren Schiff betroffen ist, ohne dass diese es verwenden, d.h. dem Eigentümer, der das Schiff nicht selbst nutzt.

21  Der Einwand der Beklagten, allein der Abgabenbescheid sei forderungsbegründend, verkennt, dass die Bescheide der Herbeiführung eines Titels dienen, die Zahlungspflichtigkeit der Beklag­ten ergibt sich jedoch aus dem Gesetz. Gleiches gilt für die Haftung als Gesamtschuldner. Zudem sind die Bescheide der Anlage K 3 mit einer Ausnahme ausdrücklich an die Reeder, Master, Char­terer, Owner, etc. z.Hd. der Klägerin gerichtet. Unter "Owner" ist hier dem Wortlaut nach die Be­klagte als Eigentümerin zu verstehen. Lediglich die Rechnung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Brunsbüttel vom 20.11.2010 über € 88,80 ist nicht ausdrücklich auch an den Eigentümer gerich­tet. Allerdings ist der Adressatenkreis erkennbar so weit gefasst worden, dass auch die Beklag­ten von "oder dergl." mit umfasst wird.

22  Alle drei angeführten Anspruchsgrundlagen beinhalten auch eine Zahlungspflicht der O. GmbH gegenüber den zuständigen staatlichen Stellen, da diese das Schiff als Zeitcharterer genutzt hat. Für diese hat die Klägerin aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit der O. , die im Innen­verhältnis für die Kosten alleine aufzukommen hatte, die Zahlungen auch in Erfüllung ihrer ver­traglichen Verpflichtungen gegenüber den jeweils zuständigen staatlichen Stellen erbracht.

23 Zutreffend hat das Landgericht zudem ausgeführt, dass die Beklagte es zu dulden hat, dass sich der Pfandgläubiger aus dem Eigentum befriedigt. Dies belegen die Regelungen in §§ 2 Abs. 2 und 103 Abs. 2 BinSchG. § 2 Abs. 2 BinSchG verpflichtet ausdrücklich den Eigentümer zur grundsätz­lichen Duldung der Vollstreckung aus dem Schiffspfandrecht. Auch der BGH geht aufgrund von § 103 Abs. 2 BinSchG von einer Haftung selbst des gutgläubigen Erwerbers aus dem Schiffspfand­recht aus (BGH NJW-RR 1997, 538, Rn. 9 zitiert nach juris).

24 Die streitbefangenen Lotsengelder, Kanal-, Hafen- und Liegegebühren unterliegen nach § 102 Ziff. 1 und 3 BinSchG dem Schiffspfandrecht des § 103 BinSchG. Diese Regelungen gewähren nach § 102 Ziffern 1 und 3 BinSchG für öffentliche Abgaben einschließlich Kanal- und Hafengeldern sowie Lotsengeldern ein besitzloses Pfandrecht an dem Schiff sowie das Recht, sich aus dem Pfand zu befriedigen. Dies beinhaltet auch die auf die Hafengebühren angefallene Mehr­wertsteuer, da diese in den Rechnungen der "Brunsbüttel Ports" ausgewiesen ist und damit von dem unter § 102 Ziff. 1 BinSchG fallenden Hafengeld umfasst wird.

25  Entgegen der Auffassung der Beklagten erfasst § 102 BinSchG nicht nur Ansprüche gegen den Schiffseigner oder -ausrüster (so v. Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Auflage 2007, § 102, Rn. 4). Die angenommene Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Ansprüche gegen den Eigner oder Ausrüster findet sich im Gesetzeswortlaut nicht wieder. Auch belegt der Wortlaut von § 102 Ziff. 6 BinSchG, der bestimmte Forderungen gegen der Schiffseigner ebenfalls dem Pfandrecht unterwirft, dass es im Übrigen allein auf die Forderung und nicht auf die Personen des Berechtigten oder des Schuldners ankommt. Einer solchen Differenzierung bedürfte es nicht, wenn eine entsprechende Einschränkung auch bei den anderen Ziffern gegeben wäre.

26  Selbst wenn die Beklagte gegenüber den staatlichen Stellen für die Gebühren und Abgaben nicht als Gesamtschuldnerin haften würde, hätte sie dennoch nach §§ 103 Abs. 2, 102 Ziff. 1 und 3 BinSchG die Vollstreckung in das Schiff zu dulden.

27  Die Schiffsgläubigerstellung kann durch Zahlung eines Dritten auf diesen übergehen. Das Land­gericht hat zutreffend einen Forderungsübergang nach § 426 Abs. 2 BGB angenommen verbun­den mit einem Übergang des Pfandrechts nach den §§ 1257, 1250 BGB. Nach § 1250 Abs. 1 Satz 1 BGB geht das Pfandrecht mit der Übertragung der Forderung auf den neuen Gläubiger über. § 1257 BGB regelt, dass dies auch für gesetzliche Pfandrechte gilt. Bei §§ 102, 103 BinSchG han­delt es sich um ein gesetzliches Pfandrecht. Dieses wird nach allgemeiner Auffassung von § 1257 BGB erfasst (Soergel-Habersack, 13. Aufl. 2001, § 1257 Rn. 2; MünchKomm-Damrau, 5. Aufl. 2009, § 1257 Rn. 1; Erman-Michalski, 13. Aufl. 2011, § 1257 Rn. 1). Dem Übergang nicht entge­gen steht § 1250 Abs. 2 BGB, da der Übergang des Pfandrechts bei der Übertragung der Forde­rung nicht ausgeschlossen worden ist. Auch im BinSchG ist ein Forderungsübergang auf den leis­tenden Gesamtschuldner nicht ausgeschlossen.

28  Gegenüber den staatlichen Stellen ist die Klägerin als Gesamtschuldnerin zur Zahlung der streit­befangenen Abgaben und Gebühren verpflichtet, so dass § 426 BGB vorliegend anwendbar ist.

29  Beschränkt ist der Übergang der Forderung auf den Leistenden nach § 426 Abs. 2 Satz 1 der Hö­he nach, soweit dieser von den übrigen Schuldnern Ausgleich verlangen kann. Ein Ausgleichs­anspruch kommt nur in Betracht, "soweit nicht ein anderes bestimmt ist". Auch der Forderungs­übergang wird nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB entsprechend beschränkt. Die Forderung erlischt in dem Ausmaß der vom Zahlenden intern zu tragenden Quote (MünchKomm-Bydlinski, 6. Aufl. 2012, § 426 Rn. 38). Im Verhältnis der Klägerin zu der O. GmbH hat letztere im Innenverhältnis allein für Gebühren und Abgaben aufzukommen, da diese Charterer des Schiffes gewesen ist, die Klägerin mit der Abwicklung der Durchfahrt beauftragt hat und die Klägerin kein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Nutzung des Schiffes hatte. Vorliegend steht der Klägerin daher im Innen­verhältnis zu der Fa. O. GmbH ein uneingeschränkten Ausgleichsanspruch zu. Hiermit verbunden ist ein Übergang der Rechte eines Schiffsgläubigers nach den §§ 102 ff. BinSchG sein. Die von der Beklagten mit ihrem Bareboat-Charterer getroffenen Regelungen sind hier nicht zu berück­sichtigen.

30  § 426 Abs. 2 BGB gilt auch für die Befriedigung öffentlich-rechtlicher Forderungen, wie Abga­ben, Gebühren und Steuern (BGHZ 120, 50, Rn. 12 bis 14 zitiert nach juris; OLG Düsseldorf MDR 1978, 853). Ebenso kommt es zu einem Übergang von Vorrechten der Staatskasse (OLG Düssel­dorf MDR 1978, 853 und LG Hannover MDR 1955, 684 für den Übergang des Konkursvorrechts der Staatskasse für die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer durch den Spediteur). Der übergegan­gene Anspruch verändert seinen Charakter durch den Übergang grundsätzlich nicht, auch wenn der Ausgleichsberechtigte selbst keinen Verwaltungsakt erlassen oder die öffentliche Beitreibung in Anspruch nehmen kann (MünchKomm-Bydlinski, 6. Aufl. 2012, § 426 Rn. 42; OLG Düsseldorf MDR 1978, 853).

31  Ein der Vollstreckung entgegenstehendes Erlöschen des Schiffsgläubigerrechts ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der §§ 102, 103 BinSchG. Die dortigen Regelungen dienen er­kennbar der Sicherung vom Gesetzgeber als besonders schutzwürdig eingestufter Forderungen, wie etwa öffentlichen Abgaben, Gehältern der Besatzung nebst Sozialabgaben sowie Ansprüche Dritter aus Schädigungen infolge des Schiffsbetriebes. Das Gesetz gibt diesen Interessen Vor­rang vor dem Eigentumsrecht des dinglichen Eigentümers, obwohl dieser seinerseits etwa bei ei­ner Havarie oder Insolvenz des Schiffseigners oftmals auch erhebliche Ansprüche zu haben ver­mag.

32  Nicht überzeugend ist die Argumentation der Beklagten, das Pfandrecht sei mit der Zahlung er­loschen. Eine entsprechende Regelung gibt es im BinSchG nicht. Auch sprechen die §§ 1250 Abs. 1 Satz 1, 1257 BGB als maßgebliche allgemeine Regelungen gegen eine solche Annahme. Die Zahlung der Klägerin diente nicht der Entlastung der Beklagten, sondern unter Berücksichtigung der mit den zuständigen Behörden getroffenen Vereinbarungen der Aufrechterhaltung des zügi­gen Schiffsverkehrs, der anderenfalls bei während der Reise zu leistenden Zahlungen gefährdet wäre, etwa wenn Kreditkarten nicht akzeptiert werden oder nur unzureichend Gelder vorhanden sind. Gleichermaßen gehen sowohl die Seehandelsrechtskommentierung von Rabe (4. Aufl., vor § 754 Rn. 5) wie auch die BinSchG-Kommentierung von Waldstein/Holland (§ 102 Rn. 4) davon aus, dass die Zahlung nicht zum Wegfall des Pfandrechts führt, da anderenfalls dieses nicht auf den die Vollstreckung durch Zahlung abwendenden Eigentümer übergehen könnte.

33  Schließlich steht auch der Umstand, dass sowohl die Klägerin aufgrund der Vereinbarung mit den staatlichen Stellen, wie auch die Beklagte aufgrund der oben angeführten gebührenrechtlichen Verpflichtungen als Gesamtschuldner zur Zahlung verpflichtet sind, einem uneingeschränkten Forderungsübergang verbunden mit dem Schiffspfandrecht nach den §§ 426 Abs. 2, 1257, 1250 BGB nicht entgegen. Ohne eine gebührenrechtliche Verpflichtung der Beklagten würde diese mit dem Eigentum an dem Schiff für die in § 102 Ziffer 1 bis 6 BinSchG aufgeführten Forderungen haften. Dies gilt für die streitbefangenen Forderungen uneingeschränkt, da die O. GmbH im In­nenverhältnis allein gegenüber der Klägerin für die Forderungen einzustehen hat und es im Rah­men von § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB maßgeblich darauf ankommt, ob der Gläubiger im jeweiligen Innenverhältnis verpflichtet ist, einen Anteil selbst zu tragen. Die gebührenrechtlichen Verpflich­tungen der Beklagten aus den §§ 3 LTV, 2 Ziff. 2 NOKBefAbgV, 2 Abs. 5 HafAbgV SH dienen je­doch nicht der Verbesserung der Rechtsstellung der Beklagten, indem diese durch das zu der Klägerin hierdurch geschaffene zusätzliche Gesamtschuldnerverhältnis nur noch zur anteiligen Zahlung verpflichtet wäre. Vielmehr bestätigt die Inanspruchnahme des Eigentümers in den §§ 3 LTV, 2 Ziff. 2 NOKBefAbgV, 2 Abs. 5 HafAbgV SH, dass dieser vorrangig vor der nur ergänzend vertraglich verpflichteten Klägerin im Innenverhältnis haftet.

34  Diesem Ergebnis stehen entgegen der Auffassung der Beklagten auch keine Billigkeitsgesichts­punkte entgegen. Dem Schiffseigentümer ist durchaus zuzumuten, die Bonität und Verlässlich­keit seines Charterers zu prüfen. Er kann im Rahmen des Chartervertrages die Frage der Sicher­heiten berücksichtigen und entsprechende Vorkehrungen treffen. Inwieweit es hierbei zu Weiter-vercharterungen kommt, liegt ebenfalls durchaus in seinem Einflussbereich. Demgegenüber wird die Klägerin bei der Abwicklung von Kanaldurchfahrten tätig. Hierbei handelt es sich um einen Geschäft mit deutlich höherer Fluktuation der jeweiligen Geschäftspartner, deren Bonität unter Berücksichtigung des jeweiligen zeitlichen Vorlaufes nicht unbedingt eingehend geprüft werden kann. Zudem ist eine solche Prüfung unter Berücksichtigung der Höhe der Auslagen nicht unbe­dingt wirtschaftlich vertretbar.

35 Auf die mit der Berufung aufgeworfene Frage des Vorsteuerabzuges kommt es nicht an, da die Klägerin nach ihrem am Ende unwidersprochen gebliebenen Vortrag nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

36  Soweit die Beklagte sich im Termin auf das Fehlen eines Titels als Voraussetzung der Zwangs­vollstreckung berufen hat, ist anzumerken, dass dieser im vorliegenden Rechtsstreit geschaffen wird.

37  Nicht zu berücksichtigen ist das mit Schriftsatz vom 08.11.2012 erfolgte - erstmalige - Bestrei­ten der Zahlungen der Klägerin auf die streitgegenständlichen Bescheide. Hier steht einer Be­rücksichtigung schon § 314 Satz 1 ZPO entgegen, da die Zahlungen der Klägerin auf die Beschei­de in Höhe von € 6.787,44 nach Maßgabe des Tatbestandes des angegriffenen Urteils unstreitig sind. Mit der Berufungsbegründung sind die Zahlungen ebenfalls nicht bestritten worden, auch wenn es hierauf nicht ankommt. Nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 3 ZPO ist die Berücksichtigung solcher tatsächlichen Umstände ausgeschlossen, die in erster Instanz nicht vorgebracht wurden, obwohl sie und ihre Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits der Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht bekannt waren oder hätten be­kannt sein müssen. Hier ist der Beklagten ohne weiteres erkennbar gewesen, dass es sowohl für den zwischen den Parteien streitigen Forderungsübergang wie auch den damit verbundenen Übergang des Schiffsgläubigerrechts auf die tatsächliche Leistungserbringung der Klägerin ge­genüber den öffentlichen Stellen ankommt.

38  Die Sicherung des Zinsanspruchs durch das Pfandrecht folgt aus § 105 BinSchG. Zwar ist nach dem Vortrag der Klägerin kein Zinsanspruch gegen die O. GmbH ersichtlich, es ist jedoch zu be­rücksichtigen, dass die Beklagte aus den §§ 3 LTV, 2 Ziff. 2 NOKBefAbgV, 2 Abs. 5 HafAbgV SH auch selber Kostenschuldnerin gewesen ist. Demgemäß konnte die Klägerin die Beklagte durch das Schreiben vom 10.03.2011 mit Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist vor der Mandatierung ih­res Prozessbevollmächtigten mit der Zahlung in Verzug setzen. Es handelt sich bei der hierbei geltend gemachte Forderung um eine nach § 102 BinSchG privilegierte Forderung, da der nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB übergegangene Anspruch seinen Charakter durch den Übergang grund­sätzlich nicht verändert. Es kommt, wie bereits festgestellt, nicht darauf an, dass der Ausgleichs­berechtigte selbst keinen Verwaltungsakt erlassen oder die öffentliche Beitreibung in Anspruch nehmen kann.

39  Der Freihaltungsanspruch in Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus den §§ 286, 280 BGB, da die Mandatierung erst nach Ablauf der mit Schreiben vom 10.03.2011 (Anlage K 5) gesetzten Zahlungsfrist erfolgte, wobei die Klägerin eine schuldrechtlich aufgrund des Forderungsübergangs geschuldete Zahlung begehrt hat, auch wenn sie diesbezüglich auf die anderenfalls erforderliche Vollstreckung des Schiffspfandrechts hingewiesen hat.

40  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Voll­streckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

41  Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisions­gerichts.

42  Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt die Höhe der mit dem Pfandrecht gesicherten Hauptfor­derung der Klägerin.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2013 - Nr.3 (Sammlung Seite 2222 ff.); ZfB 2013, 2222 ff.