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406 Z - 2/01 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 10.05.2001
Aktenzeichen: 406 Z - 2/01
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

406 Z - 2/01

vom 10. Mai 2001

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 10. Dezember 1999 - 76 C 4/98 BSch -)

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Folgen eines Schiffsunfalls, der sich am 13.10.1996 gegen 9.00 Uhr im Nebel oberhalb von Worms bei Rhein-km 439,6 – 439,8 zwischen dem MS H und dem MS J ereignet hat.

Die Klägerin ist der Versicherer des MS H (683 ts; 60 m lang, 7.04 m breit und 2,51 m tief). Sie klagt aus übergegangenem Recht des Schiffers van der Woude. Der Beklagte ist Eigner des MS J (2.302 ts; 105 m lang, 9,50 m breit und 3,16 m tief), das er zur Unfallzeit verantwortlich führte.

Am 13.10.1996 befand sich MS H leer auf der Bergfahrt oberhalb von Worms. Im Stadtgebiet von Worms hatte MS H das vorher vorausfahrende beladene MS A überholt. Dieses Schiff wurde von dem Zeugen H geführt. Etwa gegen 9.00 Uhr erreichte MS H das Gebiet der Einmündung des Lampertheimer Altrheins. Es herrschte starker Nebel, so dass die Schifffahrt nur mit Hilfe des Radargeräts möglich war. Zur gleichen Zeit kam als Talfahrer MS J entgegen. Beide Schiffe kollidierten miteinander, wobei MS H schwere Schäden am Backbordvorschiff erlitt. Diese Schäden sind Gegenstand der Klage.

Die Klägerin hat vorgetragen:

MS H sei, wie üblich, an dieser Stelle linksrheinisch hart am grünen Tonnenstrich mit etwa 11 – 12 km/h über Grund gefahren. Talfahrt sei nicht zu sehen gewesen. Als MS H dann die Hochspannung bei Rhein-km 440,1 durchfahren habe, sei unmittelbar vor dem Kopf des MS H optisch ein Talfahrer zu sehen gewesen, der genau in dem linksrheinischen Bergkurs von MS H gefahren sei. Für Ausweichmanöver sei es viel zu spät gewesen. Nach ein paar Sekunden seien die Havaristen etwa bei Rhein-km 439,6 – 439,8 kollidiert.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten sowohl dinglich mit MS J als auch persönlich im Rahmen von § 114 BSchG haftend zu verurteilen, an die Klägerin 65.454,50 hfl. nebst 4% Zinsen p.a. hieraus seit dem 1.5.1997 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen :

MS J sei bei Rhein-km 439 zu Tal gefahren, als ihm 3 Bergfahrer entgegen gekommen seien. MS J habe zum Zwecke der Passage Kurs auf rechtsrheinischer Seite entlang den Tonnen gehalten. Entsprechend sei auch eine problemlose Backbord-Backbord-Begegnung mit dem ersten Talfahrer erfolgt. Bei der Annäherung des 2. Talfahrers, welche sich später als das MS H herausgestellt habe, habe er plötzlich erkennen müssen, dass MS H den linksrheinischen Kurs nicht beibehalten habe und schnell die Fahrrinne nach rechtsrheinisch gewechselt habe. Der Kursverfall des MS H sei so schnell erfolgt, dass für ein wirksames Ausweichmanöver oder eine Signalgebung keine Zeit mehr bestanden habe. Die Havarie sei also allein durch die Schiffsführung von MS H verursacht und verschuldet worden.

Vorsorglich hat der Beklagte die Aufrechnung mit seinen Unfallschäden in Höhe von 52.667,80 DM erklärt.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach Beweisaufnahme durch das am 10.12.1999 verkündete Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe nicht beweisen können, dass der Schiffsunfall auf das alleinige Verschulden des Beklagten zurückzuführen sei. Die Aussage des Zeugen W, er sei linksrheinisch mit 12 – 14 Km/h zu Berg gefahren, habe auf dem auf etwa 1800 – 2000 m Voraussicht eingestellten Radargerät keinen Talfahrer gesehen, erst bei Passieren der Hochspannungsleitung sei MS J plötzlich da gewesen und es habe geknallt, sei in wesentlichen Punkten nicht nachvollziehbar.

Bei der angegebenen Voraussicht hätte er das talfahrende MS J sehen müssen. Dessen Echo habe sich mindestens 2 Minuten vor dem Zusammenstoß auf dem Radarschirm befinden müssen, auch wenn wegen der bei Rhein-km 440,1 liegenden Hochspannungsleitung gelegentlich Fehlechos auftreten könnten.

Dass der Zeuge trotz der langen möglichen Beobachtungszeit von dem Talfahrer nichts mitbekommen habe, lasse nur den Schluss zu, dass er entweder das Radargerät nicht beobachtet habe oder dieses nicht betriebsbereit gewesen sei. Im übrigen habe der hinter MS H herfahrende Zeuge H beobachtet, dass dieses in der Mitte der Fahrrinne gefahren sei. Er habe MS J – ebenfalls als etwa in der Mitte der Fahrrinne fahrend – auf dem Radarschirm gut sehen können. Die Echos der beiden Fahrzeuge seien ohne für ihn erkennbare Ursache etwa 400 m oberhalb der Hochspannungsleitung auf dem Radarschirm verschmolzen. Da sich hiernach der Zusammenstoß eine erhebliche Strecke oberhalb der Hochspannungsleitung ereignet habe, könnten eventuelle Fehlechos für die Schiffsleitung von MS H nicht ursächlich gewesen sein. Da keine eindeutige Unfallursache in den Fahrweisen der beiden Schiffe zu erkennen sei, komme eine Verurteilung des Beklagten nicht in Betracht.

Gegen dieses ihr am 15.12.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch einen bei Gericht am 11.1.2000 eingegangen Schriftsatz Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und diese mit am 8.2.2000 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie macht geltend, das Rheinschifffahrtsgericht habe die Beweislastverteilung bei Begegnungskollisionen verkannt. Sie – die Klägerin – habe bewiesen, dass MS J nicht den gem. § 9.04 Ziff. 1 a RhSchPVO vorgeschriebenen Weg auf der rechtsrheinischen Seite der Fahrrinne genommen habe. Dagegen habe der Beklagte den ihm obliegenden Beweis, dass MS „H ihm keinen geeigneten Weg freigelassen habe, nicht erbracht. Im Gegenteil stehe nach der Beweisaufnahme fest, dass rechtsrheinisch noch ausreichend Platz für die Talfahrt gewesen sei.

Dass MS J auf dem Radarschirm von MS H nicht zu erkennen gewesen sei, hänge mit den erheblichen Streuechos der Hochspannungsleitung zusammen. Gerade weil diese in der Schifffahrt bekannt seien, hätte sich der Beklagte spätestens bei Rhein-km 435,5 melden müssen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten sowohl dinglich mit MS J als auch persönlich im Rahmen von § 114 BSchG haftend zu verurteilen, an sie 65.454,50 hfl. nebst 4% Zinsen p.a. seit dem 1.5.1997 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er meint, auch im Bereich der geregelten Begegnung dürfe auf jeder beliebigen Stromseite gefahren werden, solange eine Begegnung Backbord an Backbord stattfinden könne. Die Schiffe seien sich auch tatsächlich Backbord an Backbord begegnet. Der Unfall beruhe auf dem groben Verschulden des Schiffers W, der MS J bis zur Kollision überhaupt nicht gesehen habe, obwohl es mindestens schon 2 Minuten vor dem Zusammenstoß auf dem Radarschirm von MS H hätte abgebildet sein müssen. Im übrigen müsse es selbst bei Annahme eines hälftigen Mitverschuldens der jeweiligen Schiffsführungen im Hinblick auf die von ihm erklärte Aufrechnung mit eigenen Unfallschäden bei der Klageabweisung verbleiben.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Klägerin kann aus übergegangenem Recht des Schiffers W gem. §§ 823, 249 BGB, 3, 4, 92 ff., 114 BSchG Ersatz der Hälfte des bei dem Unfallereignis vom 13.10.1996 bei Rhein-km 439,6 – 439, 8 erlittenen Schadens beanspruchen. In Höhe von ½ muss sie sich gem. §§ 254 BGB, 92 c BSchG ein Mitverschulden des Schiffsführers W anrechnen lassen; denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben beide beteiligten Schiffsführer die Kollision gleichermaßen verschuldet.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dem Beklagten allerdings nicht schon allein daraus ein Vorwurf gemacht werden, dass er sich als Talfahrer im Bereich der geregelten Begegnung nach § 9.04 Ziff. 1 a RhSchPVO nicht auf der rechtsrheinischen Seite der Fahrrinne gehalten hat. Ein dem Straßenverkehr vergleichbares Rechtsfahrgebot gibt es hier nicht. Im Rahmen der RheinSchPVO bestehen Rechtsfahrgebote nur aus Gründen der Verkehrssicherung im engen Fahrwasser, nicht aber allgemein bei der geregelten Begegnung (Bemm/v. WALDSTEIN, RhSchPVO 3. Aufl., § 9.04 RdNr. 1; Pabst, ZfB 72, 1359). Dementsprechend hat auch die Berufungskammer der Zentralkommission keineswegs einem strengen Rechtsfahrgebot das Wort geredet und das Fahrwasser im Bereich der geregelten Begegnung nicht zwischen Berg- und Talfahrt aufgeteilt, sondern die beiderseitigen Pflichten beim Begegnungsverkehr an den bei diesem Manöver möglichen Gefahren ausgerichtet (ZfB 96, 1570 und 98, 1671; Urt. v. 22.11.2000 – 403 Z – 7/00). § 9.04 Ziff. 2 RhSchPVO gebietet es nur, dass die Bergfahrer und die Talfahrer beim Begegnen ihren Kurs soweit nach Steuerbord richten, dass die Vorbeifahrt ohne Gefahr Backbord an Backbord stattfinden kann.

Von einer Gefahrenlage ist aber auszugehen, wenn Berg- und Talfahrer nicht hart am Rande ihres Fahrwassers fahren (vgl. Bemm/v. Waldstein a.a.O. § 9.04 RdNr. 3). Dies war hier der Fall. Nach der Aussage des unbeteiligten Zeugen H, an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen, fuhren sowohl MS H als auch MS J in der Mitte der Fahrrinne. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, MS H sei nach dem Überholen des von ihm gesteuerten MS A die ganze Zeit vor ihm in der Mitte der Fahrrinne gefahren. Seiner Ansicht nach habe es die Biegung bei Rhein-km 440 zwar ein wenig zu großzügig ausgefahren, für die Talfahrt sei aber noch Platz gewesen. Mit seinem auf ca. 2 Km Voraussicht eingestellten Radargerät habe er MS J auch etwa in der Mitte der Fahrrinne zu Tal kommen sehen. Die Echos beider Schiffe seien dann immer näher zusammengekommen und hätten sich langsam vereinigt.

Hiernach ist davon auszugehen, dass sich die beiden Schiffe auf Kollisionskurs einander annäherten. Unstreitig hatte der Beklagte auf seinem Radarschirm MS H kommen sehen. Soweit er bei seiner Vernehmung bei der Wasserschutzpolizei angegeben hat, bis ca. 100 m vor der Begegnung habe der Abstand von der Kurslinie des MS J ca. 30 m betragen, dann sei ein plötzlicher Kurswechsel von MS H quer in die Kurslinie seines Schiffes erfolgt, kann ihm in Anbetracht der entgegenstehenden Aussage des Zeugen H nicht gefolgt werden. Einen plötzlichen Kurswechsel von MS H hat der Zeuge nicht zu bestätigen vermocht. Es ist daher anzunehmen, dass es sich insofern um eine bloße Schutzbehauptung des Beklagten handelt und ihm tatsächlich ein Fehler bei der Auswertung des Radarbilds unterlaufen ist. Kam aber – wie der Zeuge H bekundet hat – MS H dem Beklagten in der Mitte der Fahrrinne entgegen, dann war er zur Vermeidung einer möglichen Kollision gehalten, rechtzeitig nach Steuerbord zum rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne hin auszuweichen.

Ferner hätte er sich gem. § 6.30 Ziff. 2 S. 2 RhSchPVO über Kanal 10 bei MS H melden müssen, was unstreitig nicht geschehen war. Eine Absprache über Funk war insbesondere im Hinblick darauf unabdingbar, dass es aufgrund der bei Rhein-km 440,1 liegenden Hochspannungsleitung zu Fehlechos kommen konnte. Daraus ergab sich die Gefahr, dass der Gegenkommer MS J infolge einer Fehlinterpretation des Radarbilds nicht oder nicht rechtzeitig wahrnahm. Das mögliche Auftreten von Fehlechos durch eine Hochspannungsleitung ist in der Schifffahrt allgemein bekannt. Entsprechende Hinweise zur Hochspannung Lampertheimer Altrhein befinden sich auch im Rheinatlas. Der sich hieraus ergebenden Gefahrenlage hätte der Beklagte Rechnung tragen müssen.

Des weiteren war der Beklagte als Talfahrer im Verlauf der weiteren Annäherung der beiden Schiffe gem. § 6.32 Ziff. 3 RhSchPVO verpflichtet, das Dreitonzeichen zu geben und dieses Schallzeichen so oft wie notwendig zu wiederholen, seine Geschwindigkeit zu vermindern und, falls nötig, Bug zu Tal anzuhalten oder aufzudrehen. All dies hat der Beklagte unstreitig unterlassen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beklagte durch Zuwiderhandlung gegen die ihm als Talfahrer obliegenden nautischen Sorgfaltspflichten den Unfall schuldhaft verursacht hat (vgl. Bemm/v. Waldstein a.a.O. § 6.32 RdNr. 17 ff.; BGH Versicherungsrecht 74, 187 und 1122).

Die Klägerin muss sich aber ein mitwirkendes Verschulden des Schiffsführers W an der Kollision anrechnen lassen. Zwar kann nicht festgestellt werden, dass dieser gegen § 6.03 Ziff. 3 RhSchPVO verstoßen hätte. Nach dieser Vorschrift dürfen Fahrzeuge beim Begegnen, deren Kurse jede Gefahr eines Zusammenstoßes ausschließen, ihren Kurs oder ihre Geschwindigkeit nicht in einer Weise ändern, die die Gefahr eines Zusammenstoßes herbeiführen könnte. Wie oben ausgeführt, hat der Zeuge H den vom Beklagten behaupteten plötzlichen Kurswechsel von MS H nicht bestätigt.

Dem Schiffsführer W ist aber vorzuwerfen, dass er MS J auf seinem Radarschirm überhaupt nicht bemerkt hat. Die Berufungskammer teilt die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, dass dies nur darauf beruhen kann, dass er das Radarbild nicht beobachtet bzw. nicht sorgfältig genug ausgewertet hat oder das Gerät nicht betriebsbereit war. Beides gereicht ihm zum Verschulden.

Wenn der Zeuge W tatsächlich mit einem funktionsfähigen Radargerät und einer Voraussicht von ca. 1800 – 2000 m zu Berg fuhr, hätte er das talfahrende MS J bei der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit von ca. 12 – 14 Km/h mindestens die beiden letzten Minuten vor dem Zusammenstoß auf dem Radarschirm sehen müssen. Der Umstand, dass von der Hochspannungsleitung gelegentlich Fehlechos herrühren können, entlastet ihn nicht. Dies musste er wissen, und er hätte etwaige „Geisterechos“ durch verschiedene Einstellungen des Radargeräts von echten Echos unterscheiden können (vgl. Bemm/v. Waldstein a.a.O. § 6.32 RdNr. 4). Insbesondere erscheint es ausgeschlossen, dass bei einer Voraussicht von 1800 – 2000 m auf der gesamten Strecke im Zuge der Annäherung der beiden Schiffe das Echo von MS J ununterscheidbar durch Fehlechos überlagert war. Dies vermag die Berufungskammer aus eigener Sachkunde ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu beurteilen. Zudem hat der Zeuge H bekundet, dass er MS J bei einer Vorausschau von 2 Km auf seinem Radargerät habe zu Tal kommen sehen und die Hochspannungsleitung dabei für ihn kein großes Hindernis gewesen sei. Insbesondere kann der Zeuge W nicht mehr bei der Auswertung des Radarbilds durch die Hochspannungsleitung behindert worden sein, nachdem er diese passiert hatte. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen H hat die Kollision sich nämlich ca. 400 m oberhalb der Leitung bei Rhein-km 439,6 ereignet.

Des weiteren fällt dem Zeugen W zur Last, dass er sich nicht gem. § 6.30 Ziff. 2 S. 2 RhSchPVO über Sprechfunk gemeldet hat. Gerade dann, wenn er nicht wusste, ob ihm ein Talfahrer entgegen kam, weil er auf seinem Radarschirm echte von einem Gegenkommer stammende Echos nicht von durch die Hochspannungsleitung verursachten möglichen Fehlechos unterscheiden konnte, hätte er auf jeden Fall Funkkontakt zu etwaigen Talfahrern im Revier suchen müssen.

Nach alledem steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass auch der Schiffsführer van der Woude die Kollision durch Verstoß gegen die ihm bei der Radarfahrt obliegenden nautischen Sorgfaltspflichten schuldhaft verursacht hat.

Bei der gem. §§ 254 BGB, 92 c BSchG vorzunehmenden Abwägung erscheint eine hälftige Schadensverteilung angemessen. Beide Schiffsführer sind bei unsichtigem Wetter im Bereich der geregelten Begegnung ohne Not in der Mitte der Fahrrinne gefahren, was eine besondere Gefahrenlage heraufbeschwor. Sie haben auch beide das Radarbild fehlerhaft ausgewertet; während der Beklagte den Kurs von MS H nicht richtig eingeschätzt hat, hat Schiffsführer W MS J überhaupt nicht wahrgenommen. Zudem haben sie den erforderlichen Funkkontakt unterlassen. Des weiteren hat der Beklagte die gem. § 6.32 Ziff. 3 RhSchPVO gebotenen Maßnahmen nicht ergriffen.

Hiernach haben beide Schiffsführer in etwa gleichem Maße den Unfall verschuldet, so dass es gerechtfertigt erscheint, den Schaden im Verhältnis 1:1 zu teilen.

Entsprechendes gilt für den vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch aus dem Unfallereignis vom 13.10.1996, der ebenfalls zur Hälfte gerechtfertigt ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es nicht an der gem. § 387 BGB erforderlichen Gegenseitigkeit, da der Schuldner gem. § 406 BGB eine ihm gegenüber dem bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen kann. Auch die gem. § 118 BSchG eingetretene Verjährung hindert die Aufrechnung nicht, da sich die beiderseitigen Forderungen in unverjährter Zeit aufrechenbar gegenüber gestanden haben, § 390 BGB. Da die Höhe der auf beiden Seiten entstandenen Schäden noch weitgehend ungeklärt ist und auch die Frage, ob der Beklagte hinsichtlich einzelner, von ihm geltend gemachter Schadenspositionen aktivlegitimiert ist, der Aufklärung bedarf, ist schifffahrtsüblich ein Grundurteil zu erlassen und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs und die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung des Beklagten an das Rheinschifffahrtsgericht zurückzuverweisen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 304 RdNr. 8).

Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10. Dezember 1999 verkündete Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz – 76 C 4/98 BSch – wie folgt abgeändert :

Die Klage ist dem Grunde nach zur Hälfte gerechtfertigt.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs und die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung aus dem Unfallereignis vom 13.10.1996, die ebenfalls dem Grunde nach zur Hälfte gerechtfertigt ist, wird der Rechtsstreit an das Rheinschifffahrtsgericht Mainz zurückverwiesen. Diesem wird auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2001 - Nr.9 (Sammlung Seite 1835 ff.); ZfB 2001, 1835 ff.