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4 C 25/03.BSchRh - Amtsgericht (Rheinschiffahrtsgericht)
Entscheidungsdatum: 30.05.2005
Aktenzeichen: 4 C 25/03.BSchRh
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Amtsgericht St. Goar
Abteilung: Rheinschiffahrtsgericht

Urteil des Amtsgerichts – Rheinschiffahrtsgericht St.Goar

vom 30.05.2005

4 C 25/03.BSchRh

Zum Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin der Bundeswasserstraße Rhein und des dazu gehörenden Bauhafens Brohl. Am 4. Januar 2003 hatte ein Verband von 4 Gütermotorschiffen und einem Tankmotorschiff an der Verladestelle des Brohler Mineralbrunnens innerhalb des Hafens Brohl festgemacht. Innen lag GMS A, das ein Voraustau ausgebracht hatte, mit zwei Tauen in doppelter Bucht an zwei Dalben gemeert war und nach achtern ein Laufdraht gesetzt hatte. Das dem Beklagten gehörende GMS C, das unmittelbar daneben lag, war an GMS A befestigt und hatte zusätzlich einen Laufdraht ausgebracht, der an einem der Klägerin gehörenden in die Ufermauer einbetonierten Ring befestigt war. Da die Überschreitung der Hochwassermarke II zu befürchten war, waren weitere Schiffe in den Hafen der Klägerin eingelaufen. Hiervon hatte TMS V an dem Beklagten festgemacht und ein Voraustau ausgebracht. GMS T und GMS S hatten sich dem "Päckchen" angeschlossen.

Aufgrund des stetig steigenden Wasserstandes kam es, nachdem die Hafenmole überspült war, zu wechselnden Strömungen, welche in der Nacht den Verband in Bewegung setzten. Dabei brachen zwei Laufdrähte und der Ring, an dem der Beklagte sein Schiff festgemacht hatte, wurde aus der Ufermauer herausgerissen. Die Schiffe wurden zunächst stromaufwärts und alsdann stromabwärts getrieben, wobei auch das Steuerhaus von GMS A, das gegen einen Verladekran stieß, beschädigt wurde. Den Schiffern gelang es schließlich, den treibenden Verband unter Kontrolle zu bringen, nachdem sie die Motoren gestartet hatten.

Die Klägerin hat den Festmachering, an dem der Beklagte sein Schiff befestigt hatte, wieder in die Uferböschung einbetoniert und hierfür 922,87 Euro aufgewandt. Die Erstattung dieser Kosten begehrt sie mit der Klage und trägt hierzu vor:

Der Bauhafen Brohl sei nicht als Schutzhafen ausgewiesen. Demnach seien die dort vorhandenen Festmacheeinrichtungen nicht geeignet, mehr als ein Schiff aufzunehmen. Dies sei den Rheinschiffern bestens bekannt. Der Beklagte habe deshalb die Schiffsführer von TMS V, GMS T und GMS So daran hindern müssen, noch an ihm festzumachen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von 922,87 Euro zuzüglich 6,44 Euro Mahn- und Portokosten sowie Verzugszinsen in Höhe von 5 über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Mai 2003 zu verurteilen, und zwar sowohl dinglich mit GMS C als auch persönlich haftend.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:
Der Hafen Brohl stehe der Schifffahrt uneingeschränkt zur Verfügung, ohne dass Nutzungseinschränkungen bekannt seien. Dabei sei bei normalen Wasserverhältnissen ein sicheres Liegen auch im Verbund gewährleistet. Dass die Festmachung bei Hochwasser infolge wechselnder Strömungsverhältnisse schwierig sei, habe der Beklagte nicht gewusst. Es habe deshalb kein Anlaß bestanden, die weiter an seinem Schiff festmachenden Schiffsführer daran zu hindern, noch habe er hierzu die Möglichkeit gehabt. Der Festmachering sei nur deshalb aus der Verankerung gerissen worden, weil er keine ausreichende Festigkeit gehabt habe. Ansonsten wäre das Tau gebrochen, womit man auch habe rechnen müssen.

Wegen des Sachvortrages beider Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichte Schriftsätze und Urkunden verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Gutachtens des Sachverständigen F. Zur Darstellung des Beweisergebnisses wird auf den Inhalt des Gutachtens und die dazu vorgelegten Ergänzungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der Beklagte brauchte beim Festmachen seines Schiffes an dem Festmachring der Klägerin nicht damit zu rechnen, dass dieser aus der Verankerung gerissen werde.

I. Nach dem Gutachten des Sachverständigen F und den von ihm in Bezug genommene Empfehlungen des Arbeitsausschusses "Ufereinfassungen Häfen und Wasserstraßen" EAU 1996, 9. Auflage ist für die Belastung für Pollern eine Trossenzuglast von mindestens 100 kN anzusetzen. Dabei sind alle Festmacheeinrichtungen, auch Festmacheringe als Poller im Sinne der Empfehlungen anzusehen. Von diesen Gegebenheiten konnte der Beklagte ausgehen. Der Sachverständige hat nicht bestätigt, es sei der Schifffahrt bestens bekannt, die Poller im Bauhafen Brohl seien nur in der Lage, ein Schiff aufzunehmen. Der Hafen Brohl steht der Schifffahrt uneingeschränkt zur Verfügung, auch wenn er nicht als Schutzhafen ausgewiesen ist. Er wird tatsächlich, wie dem Gericht bekannt ist, auch als Hochwasserschutzhafen genutzt. Beschränkungen sind weder im Hafen vermerkt, noch entsprechenden Verordnungen zu entnehmen. Soweit die Klägerin behauptet, Einschränkungen seien der Schifffahrt allgemein bekannt, hat dies der Sachverständige, der lange Zeit als Rheinschiffer tätig war, nicht bestätigt. Obgleich direkt darauf angesprochen, hat er die Empfehlungen des Arbeitsausschusses "Ufereinfassungen, Häfen und Wasserstraßen" EAU 1996 in Bezug genommen und die Auffassung vertreten, die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und zu verhindern, dass mehrere Schiffe den Festmachering übermäßig belasteten.


II. Allerdings ist festzustellen, dass die Festmachereinrichtungen mit insgesamt 12.531 t belastet und somit überlastet waren. Es hätte deshalb den Schiffsführern des "Päckchens" oblegen, für eine Nachtwache zu sorgen, um bei allzu starken Belastungen der Festmacheeinrichtungen, die nach dem Überfluten der Hafenmole durch wechselnde Strömungen zu erwarten waren, Gefahren abwehren zu können. Diese Verpflichtung betraf aber die Schiffsführer insoweit, als sie für ein sicheres Liegen des Verbandes insgesamt Sorge zu tragen hatten. Mit einem Herausbrechen des Festmacheringes indes brauchte der Beklagte nicht zu rechnen: Wie der Sachverständige weiter auf Nachfrage des Beklagten mitgeteilt hat, muss bei einem Nylontau von 40 mm Stärke bereits bei einer Belastung von 7.400 kg mit einem Bruch gerechnet werden. Auch wenn das von dem Beklagten verwendete Nylontau eine Stärke von 42 mm hatte und die Bruchlast eines Taus von den verschiedensten Umständen abhängig ist, muss angenommen werden, das Tau könne eine Belastung von 100 kN nicht standhalten. Somit konnte der Beklagte aber eher mit dem Bruch des von ihm ausgebrachten Drahtes als mit einem Herausreißen des Festmacherings rechnen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Festmachering bei weitem einer Belastung von 100 kN nicht standhielt, was die Klägerin auch nicht in Frage stellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Gemäß § 708 Nr. 11 ZPO war das Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wobei es der Klägerin nachzulassen war, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung abzuwenden (§ 711 ZPO).

Streitwert: 922,87 Euro.