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4 C 13/04.BSch - Amtsgericht (Schiffahrtsgericht)
Entscheidungsdatum: 01.08.2005
Aktenzeichen: 4 C 13/04.BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Amtsgericht St. Goar
Abteilung: Schiffahrtsgericht

Amtsgericht St. Goar Schifffahrtsgericht

Urteil vom 1. August 2005

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Renn-Einers, mit dem das Vereinsmitglied S. am 24. Juli 2003 auf der Lahn sein Training absolvierte. Nach Beendigung der vorgesehenen Trainingseinheit steuerte S. sein Fahrzeug an dem an dem rechten Zahnufer bei Stromkilometer 137,0 befindlichen Bootsanleger der Klägerin und verließ das Boot. Er traf Vorkehrungen, das Boot alsbald aus dem Wasser zu heben, wollte hierzu jedoch auch noch auf Ruderkameraden warten, die in Kürze zu dem Bootssteg zurückkehren würden.

Währenddessen passierte das dem Beklagten gehörende FGS "SE" (Länge 33 m, Breite 5,20 m, Tiefgang ,35 m), von dem Beklagten gesteuert, den Steg. Der Zeuge S. hatte das FGS aus der Schleuse Lahnstein ausfahren sehen und seine weitere Fahrt beobachtet. Als der Beklagte den Bootsanlegesteg passierte, beugte er sich zu dem Ruderboot, um es mit beiden Händen an dem landseitigen Ausleger festzuhalten. Dies gelang ihm indes nicht. Vielmehr wurde das Ruderboot zunächst abgesenkt und anschließend unter den Anlegesteg gedrückt.

Die Klägerin behauptet, der Renn-Einer, der erst ein Jahr zuvor für 8.000,00 Euro angeschafft worden sei, sei hierbei schwer beschädigt worden. Dies sei auf den von dem FGS ausgegangenen Sog und Wellenschlag zurückzuführen. Zwar sei der Beklagte bei der Anfahrt aus der Schleuse vorsichtig gefahren und habe auch das Bootshaus Radermacher mit niedriger Fahrstufe passiert. Der Beklagte habe die Geschwindigkeit seines Schiffes kurz vor der Vorbeifahrt an dem Renn-Einer aber schlagartig erhöht, was zu den entsprechenden Auswirkungen auf das für den Beklagten leicht sichtbare Boot geführt habe. Zwar habe Niedrigwasser geherrscht. Es sei jedoch ausreichend Wasser für einen entsprechend verstärkten Motoreneinsatz vorhanden gewesen.

Die Reparatur des Fahrzeugs erfordere einen Betrag von 900,00 Euro.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von 900,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab 18. September 2004 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, mit niedriger Fahrstufe und entsprechender Vorsicht an dem Bootssteg vorbeigefahren zu sein. Schon das extreme Niedrigwasser habe eine abrupte Erhöhung der Motorendrehzahl verboten, weil das Schiff sich ansonsten festgefahren hätte. In dem entsprechenden Bereich stehe nämlich besonders wenig Wasser an. Der Zeuge S. habe den Unfall selbst verschuldet. Ihm habe es oblegen, den Renn-Einer an Land zu nehmen und ihn somit vor den Auswirkungen des Sog- und Wellenschlages, der natürlich von jedem Schiff ausgingen, zu schützen.

Wegen des Sachvortrages der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S., C., M., V. und Z. sowie Einholen eines Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. B.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Es kann nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte hat mit seinem Schiff den Anlegesteg der Klägerin mit unzulässig hoher Geschwindigkeit passiert. Deshalb haftet der Beklagte nicht wegen unerlaubter Handlung für den an dem Renn-Einer eingetretenen Schaden. Eine sonstige Haftungsgrundlage ist nicht ersichtlich.

1. "Besondere Vorsicht" im Sinne des § 6.20 Nr. 1 BinSchPVO oblag dem Beklagten nicht. Unzweifelhaft handelt es sich bei dem Ruderboot der Klägerin um ein Kleinfahrzeug, weshalb die
Verpflichtung zur besonderen Vorsicht gemäß § 6.20 Abs. 2 BinSchPVO nicht zu beachten war.

2. Auch eine Haftung des Beklagten wegen Verstoßes gegen § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1.04 BinSchPVO ist nicht gegeben. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte die ihm hiernach obliegende allgemeine Sorgfaltspflicht außer acht gelassen hat.

Allerdings hat der Zeuge S. ausgesagt, der Beklagte habe die Geschwindigkeit des FGS "SE" erhöht, nachdem er die unmittelbar oberhalb der Unfallstelle befindliche Eisenbahnbrücke passiert gehabt habe. Er habe gehört, dass der Motor des Schiffes plötzlich aufgebrummt habe. Er habe deshalb durch ein lautes "Ey" den Beklagten auf sich aufmerksam machen wollen und versucht, das Boot an dem Ausleger festzuhalten. Der von dem FGS ausgehende Sog habe jedoch bewirkt, dass das zuvor in einer Tiefe von 0,50 m unter dem Renn-Einer anstehende Wasser gänzlich weggesogen worden sei und das Boot auf dem Flußgrund aufgeschlagen habe. Anschließend sei dann das Boot unter den Steg gedrückt und beschädigt worden.

Daraus könnte zwar geschlossen werden, der Beklagte habe ungeachtet des an dem Steg liegenden Renn-Einers die Geschwindigkeit seines Schiffes in rücksichtsloser Weise erhöht. Dem stehen indes die Angaben der Zeugen C., M., V. und Z. entgegen, wonach der Beklagte jedenfalls nicht als rücksichtsloser Schiffsführer bekannt ist. Insbesondere der Zeuge C., der sich an Bord des Schiffes befand, hat bekundet, ihm sei eine abrupte Erhöhung der Geschwindigkeit nicht aufgefallen. Den Angaben des Zeugen S., der allerdings auch nicht behauptet hat, das Fahrzeug sei mit besonders hoher Geschwindigkeit gefahren, stehen auch die Gegebenheiten des Wasserstandes, der seinerzeit herrschte, entgegen: Nach den Angaben des Zeugen M. war die Lahn seinerzeit an der fraglichen Stelle nur 1,58 m tief, so dass unter dem 1,35 m tiefen FGS des Beklagten nur 0,23 m Wasser anstanden. Der Sachverständige Dipl.-Ing. B. hat die Behauptung des Beklagten, angesichts dieses Wasserstandes sei nur eine sehr vorsichtige Fahrweise möglich gewesen, bestätigt. Er hat ausgeführt, FGS "SE" habe mit einer Geschwindigkeit von 6 bis 6,5 km/h über Grund gefahren werden müssen, um überhaupt navigationsfähig zu sein. Nach dem seinem Gutachten beigefügten Diagramm über das Absenkungsverhalten des Schiffes wäre dieses aber schon bei einer Wassertiefe von 1,58 m bei einer Geschwindigkeit von nur 7,2 km/h über Grund aufgesetzt. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte habe die Geschwindigkeit seines FGS kurz vor dem Passieren des Steges überhaupt erheblich heraufsetzen können.
Demgegenüber kommt als Unfallursache eigenes Fehlverhalten der Klägerin bzw. seiner Mitglieder in Betracht. Dabei muss nicht angenommen werden, der Zeuge S. habe diejenige mangelnde Sorgfalt walten lassen, die dem Sachverständigen anläßlich seiner Augenscheinseinnahme aufgefallen ist. Angesichts der zur Unfallzeit herrschenden Wasserverhältnisse und der deshalb zu erwartenden besonderen Auswirkungen der Vorbeifahrt eines jeden Schiffes hätte es dem Zeugen Stibbe aber oblegen, das nur 14 kg schwere Rennboot bei Annäherung des FGS aus dem Wasser zu nehmen und so vor Schaden zu bewahren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Gemäß § 708 Nr. 11 ZPO war das Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Klägerin war indes nachzulassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.

Streitwert: 900,00 Euro.
gez. Gerharz
Direktor des Amtsgericht