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3 U 87/03 BSchMo - Oberlandesgericht (Moselschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 27.01.2004
Aktenzeichen: 3 U 87/03 BSchMo
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Moselschiffahrtsobergericht

Urteil des Oberlandesgerichts – Moselschiffahrtsobergericht Köln

vom 27.01.2004

3 U 87/03 BSchMo

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12. Mai 2003 verkündete Grundurteil des Amtsgerichts - Moselschifffahrtsgericht - St. Goar - 4 C 10/02 BSchMo - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage ist dem Grunde nach zu ¾ gerechtfertigt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten auch des Berufungsverfahrens bleibt dem Moselschifffahrtsgericht vorbehalten.

Zum Tatbestand:

Die Klägerin als Eigentümerin von GMS A macht den Ersatz des Schadens (in Höhe von 121.220,35 €) geltend, der ihr dadurch entstanden ist, dass es am 18.9.2001 auf der Mosel oberhalb von Bernkastel-Kues zwischen GMS A als Bergfahrer und GMS B, dessen Schiffsführer der Beklagte ist, als Talfahrer im Begegnungsverkehr bei starkem Nebel zum Zusammenstoß kam.

Wegen des Parteivorbringens erster Instanz wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Moselschifffahrtsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, weil der Beklagte den Unfall allein verschuldet habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit der frist- und formgerecht eingelegten Berufung rügt der Beklagte insbesondere, dass Moselschifffahrtsgericht habe ihm zu Unrecht die Beweislast auferlegt, und beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll vom 20.3.2003, den Inhalt der Verklarungsakte 4 11 1/01 BSch AG St. Goar sowie die Akte des Wasserschutzpolizeiamtes Rheinland - Pfalz, Station Bernkastel, Anzeige Nr. 246/01 Bezug genommen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Beklagte ist dem Grunde nach zum Ersatz von ¾ des der Klägerin infolge der Havarie vom 18.9.2001 entstandenen Schadens verpflichtet.

Der Beklagte ist gem. §§ 3, 92 b BSchG, 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 6.04 Nr. 5 und § 6.32 Nr. 3 und 4 MoselSchPV (Fassung 1997) zum Schadensersatz verpflichtet, weil er als Schiffsführer von GMS B den Zusammenstoß mit GMS B verschuldet hat.

Der Beklagte hat entgegen seiner Pflicht aus § 6.04 Nr. 5 MoselSchPV als Talfahrer nicht den Weg genommen, den ihm der Bergfahrer gewiesen hat. Er hat nicht hinreichend bestritten, dass ihm der Bergfahrer rechtzeitig eine sachgemäße Kursweisung über Funk erteilt hat. Die Erteilung über Funk (§ 4.05 Nr. 4 MoselSchPV) in Abweichung der Regelung in § 6.04 Nr. 3 MoselSchPV war wegen des starken Nebels (Sichtweite etwa 100 m) angezeigt. Nach dem Vortrag der Klägerin hat ihr Schiffsführer Ermers, als er auf seinem Radarbildschirm einen Talfahrer entgegen kommen sah, der von Bug zu Bug ca. 630 m entfernt war, über Kanal 10 angewiesen: „für die Talfahrt Steuerbord an Steuerbord". Diesen Vortrag hat der Beklagte nicht hinreichend bestritten, denn er räumt ein, einen Funkspruch „der talfahrende Schubverband Steuerbord an Steuerbord" gehört zu haben. Diese Kursweisung konnte nur von GMS A stammen, da dem Talfahrer kein anderes Schiff entgegenkam und wegen der geraden Streckenführung der Mosel an jener Stelle die Durchsage nicht aus einem anderen Bereich herrühren konnte. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte den Bergfahrer auf dem Radarbildschirm wahrnahm - er konnte mit Radar 800 m voraussehen - handelte er pflichtwidrig, als er die Kursweisung nicht auf sich bezog und auch nicht über Sprechfunk nachfragte. Selbst wenn er die Weisung als an einen Schubverband gerichtet verstanden hatte, musste er sie nunmehr auf sich beziehen, denn auf dem Radarbildschirm war zwischen seinem Schiff und dem Bergfahrer kein anderes Schiff zu sehen, insbesondere kein zu Tal fahrender Schubverband. Der Beklagte musste die Weisung befolgen, da sie rechtzeitig erfolgt war. Dem steht nicht die Aussage der Zeugen S. und Firmbach über das von ihnen mitgehörte Funkgespräch entgegen. Denn dieses Funkgespräch hat erst später kurz vor dem Zusammenstoß stattgefunden. Die Zeugen haben die Forderung des Talfahrers gehört, Backbord an Backbord zu begegnen, die der Beklagte nach eigenen Angaben erst gestellt hat, als die Schiffe ca. 150 - 100 m von einander entfernt waren; diese Entfernung ließ keine schadensverhütende Reaktion mehr zu.

Soweit der Beklagte geltend macht, die Befolgung der Weisung sei auch schon zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich gewesen, weil der Bergfahrer auf der linken Seite gefahren sei, während er sich im rechten Teil des Fahrwassers befunden habe, der Bergfahrer mithin eine kreuzende Kursänderung vorgegeben habe, hat er den ihm hierfür obliegenden Beweis nicht geführt. Bei einem Schiffszusammenstoß, der auf die Nichtbefolgung einer gegebenen Kursweisung zurückgeführt wird, genügt der Bergfahrer seiner Behauptungs- und Beweislast, wenn er darlegt, dass der Talfahrer den gewiesenen Weg nicht genommen hat, während der Talfahrer seine Behauptung, der Bergfahrer habe ihm keinen geeigneten Weg freigelassen und er habe die Kursweisung des Bergfahrers nicht befolgen können, beweisen muss (vgl. BGH VersR 1989,216; 1965, 152).

Der Beklagte hat keinen geeigneten Beweis angeboten. Die von ihm beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Moselschifffahrtsgericht in Ermangelung hinreichender Anknüpfungstatsachen zu Recht abgelehnt. Dies gilt auch für die Berufungsinstanz. Ohne Beweis des Längs- und Seitenabstandes beider Schiffe sowie ihres Kurses und ihrer Geschwindigkeit lässt sich nicht feststellen, dass der Bergfahrer dem Talfahrer keinen geeigneten Weg für eine Steuerbordbegegnung freigelassen hat. Diese Anknüpfungstatsachen sind nicht bewiesen und können auch vom Sachverständigen nicht festgestellt werden. Die an beiden Schiffen entstandenen Schäden geben keinen hinreichenden Aufschluss über den von ihnen gesteuerten Kurs. Die von dem Beklagten geschilderte Streifbewegung, in der beide Schiffe gegeneinander geraten sind,

lässt sich auch mit dem von dem Schiffsführer E. geschilderten Fahrverhalten erklären. Der Winkel, in dem beide Schiffe unmittelbar vor der Kollision aufeinander zu fuhren, war nach beiden Sachverhaltsvarianten etwa gleich groß. Daher kann ein Sacherständiger allein aufgrund des Schadensbildes nicht feststellen, ob der Bergfahrer von der linken zur rechten Moselseite wechselte und quer auf der Mosel lag, während der Talfahrer abstoppte und mit dem Heck zur Steuerbordseite hin verfiel (so der Beklagte) oder ob der Bergfahrer auf der rechten Moselseite fuhr und nach Backbord auswich, während der Talfahrer von der Mitte des Flusses nach seiner Steuerbordseite hinzog (so die Klägerin).

Besondere Umstände, wonach der Talfahrer die Kursweisung nicht befolgen konnte, ergeben sich auch dann nicht, wenn die Kursweisung des Bergfahrers - so der Vortrag des Beklagten - ohne Standortbestimmung und ohne Mitteilung, dass das Blinklicht gesetzt sei, erfolgt ist. Beider Voraussetzungen bedurfte es zur Einhaltung der Kursweisung nicht, da der Talfahrer den Bergfahrer bereits ab 800 m Entfernung auf dem Radarbildschirm wahrnehmen konnte.

Der Talfahrer war auch dann nicht von der Pflicht zur Befolgung der Kursweisung entbunden, wenn die Unfallstelle bereits in dem Bereich der Mosel lag (km 134), in dem die Begegnung Backbord an Backbord üblich ist, denn die Kursweisung Steuerbord an Steuerbord war rechtzeitig erfolgt.

Darüber hinaus hat der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag schuldhaft gegen § 6.32 Nr. 4 und Nr. 5 Abs. 2 MoseISchPV verstoßen. Als er den Bergfahrer auf dem Radarbildschirm bemerkte, musste er erkennen, dass dessen Kursweisung eine Gefahrenlage verursachen konnte. Denn nach seinem Vorbringen fuhr der Bergfahrer ganz auf der linken Seite, während sich der Talfahrer im rechten Teil des Fahrwassers befand und damit der Bergfahrer eine kreuzende Kursänderung vorschrieb, die eine erhebliche Kollisionsgefahr begründete. Hiernach musste der Beklagte das Dreitonzeichen nach § 4.06 Nr. 1 b MoselSchPV geben und so oft wie notwendig wiederholen sowie seine Geschwindigkeit vermindern und notfalls Bug zu Tal anhalten oder aufdrehen. Ferner musste er über Sprechfunk auf die Begegnungsanweisung antworten und auf die nach seiner Auffassung bestehende Gefahrenlage hinweisen. Dies hat der Talfahrer jedoch erst mit erheblicher Verspätung getan, als beide Schiffe nur noch ca. 150 - 100 m von einander entfernt waren. Hätte er die Situation frühzeitig geklärt, als er den Bergfahrer erstmals auf dem Radarbildschirm bemerkte, hätte ein Kollisionskurs unstreitig vermieden werden können.

Der Beklagte hat jedoch nicht den gesamten infolge des Zusammenstosses entstandenen Schaden zu, ersetzen, vielmehr muss sich die Klägerin gem. § 254 BGB ein geringes Mitverschulden zurechnen lassen, das der Senat mit ¼ bewertet.

Das Mitverschulden des Bergfahrers kann nur auf solche Umstände gestützt werden, die unstreitig oder bewiesen sind. Da der Beklagte das von ihm behauptete Unfallgeschehen, soweit es vom Klagevortrag abweicht, nicht bewiesen hat, ist der Beurteilung allein der Klagevortrag zugrunde zu legen. Hiernach hat der Talfahrer die rechtzeitige Begegnungsanweisung des Bergfahrers „Steuerbord über Steuerbord für die Talfahrt" über Funk bestätigt. Obwohl der Talfahrer seinen Kurs in der Mitte der Fahrrinne beibehielt, stand der angewiesenen Begegnung nichts im Wege, weil der Bergfahrer seinen Kurs nach Backbord zum rechten Ufer verlegt hatte. Da der Talfahrer jedoch trotz der behaupteten Bestätigung der Begegnungsweisung seinen Kurs nicht nach Backbord geändert hatte, um eine gefahrlose Begegnung zu ermöglichen, musste es für den Bergfahrer zweifelhaft sein, ob der Talfahrer die Begegnungsanweisung tatsächlich befolgen würde. Jedenfalls konnte er nicht sicher damit rechnen und musste sich daher darauf einrichten, dass der Talfahrer sich nicht nach der Weisung richten würde. Diese Situation erforderte Vorsichtsmaßnahmen entsprechend § 6.04 Nr. 4 MoselSchPV bzw. ein rechtzeitiges erneutes Melden über Sprechfunk.

Hingegen ist dem Bergfahrer nicht vorzuwerfen, dass er die zur Kursweisung erforderlichen Ansagen nicht rechtzeitig gemacht hat, sobald er den Talfahrer auf dem Radarbildschirm erkannte. Die entsprechende Behauptung der Klägerin ist nicht widerlegt. Dies gilt auch für ihren weiteren Vortrag, Schiffsführer E. habe den Standort bestimmt, indem er sich kilometermäßig gemeldet habe. Soweit er nicht mitgeteilt haben sollte, dass das Blinklicht gesetzt sei, ist dies unerheblich, da das Unterlassen nicht unfallursächlich geworden ist. Ein Blinklicht war bei dem starken Nebel für den Talfahrer ohnehin nicht erkennbar.

Ferner kann dem Bergfahrer kein Fehlverhalten im Hinblick auf eine unterbliebene Bestätigung seiner ersten Weisung angelastet werden. Für das Unterlassen dieser Bestätigung ist der Beklagte beweispflichtig. Er hat den Beweis nicht geführt. Im Gegenteil hat die als Zeugin vernommene Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin - wenn auch in Abweichung von ihren Angaben gegenüber der Wasserschutzpolizei - im Verklarungsverfahren bekundet, der Talfahrer habe die Begegnungsweisung bestätigt. Aus dem Umstand, dass die Zeugen S. und Firmbach eine Bestätigung über Funk nicht gehört haben, kann nichts hergeleitet werden. Denn diese Zeugen haben auch nicht die erste Begegnungsweisung gehört, die der Talfahrer nach seinen Angaben im Verklarungsverfahren als Anweisung „der talfahrende Schubverband Steuerbord an Steuerbord" verstanden hat.

Soweit der Bergführer bei Erkennen der Gefahrenlage unterlassen hat, das in § 6.32 Nr. 5 Abs. 1 MoselSchPV vorgeschriebene Schallzeichen zu geben, hat sich dieses Verhalten nicht unfallursächlich ausgewirkt, weil der Talfahrer den Bergfahrer auf dem Radarbildschirm gesehen und auch dessen erneute Kursweisung über Funk, die nach Angaben des Beklagten bei einer Entfernung der Schiffe von ca. 200 - 300 m erfolgt ist, gehört hat.

Schließlich hat der Beklagte nicht bewiesen, dass der Bergfahrer unzulässigerweise eine kreuzende Kursänderung vorgeschrieben hat, die eine erhebliche Kollisionsgefahr begründet hätte. Wie bereits oben ausgeführt, hat er keinen geeigneten Beweis dafür angeboten, dass der Bergfahrer die Kursweisung „Steuerbord an Steuerbord" erteilt hat, obwohl er ganz auf der linken Seite fuhr und der Talfahrer sich im rechten Teil des Fahrwassers befand und der Bergfahrer bei der zweiten Weisung von dem linken zum rechten Moselufer hinüber wechselte.

Der Senat hält bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens eine Verteilung der Unfallverantwortlichkeit im Verhältnis von ¼ zu Lasten der Klägerin und ¾ zu Lasten des Beklagten für sachgerecht und angemessen. Denn die Kollision der beiden Schiffe ist maßgeblich durch die Nichtbefolgung der Kursweisung verursacht worden. Die Klage ist daher dem Grunde nach zu ¾ gerechtfertigt.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteils wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts- oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).