Rechtsprechungsdatenbank

3 U 52/87 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 21.07.1987
Aktenzeichen: 3 U 52/87
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zur Anwendung der §§ 68, 69 BSchG im Falle der durch einen schweren Maschinenschaden dauernd verhinderten Fortsetzung der Reise.

Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht - in Köln

vom 21. Juli 1987

3 U 52/87

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Bei Rhein-km 832,5 erlitt das mit 2174 t Erz beladene MS I des Beklagten schweren Maschinenschaden, der die Antriebsmaschine außer Betrieb setzte. Der Beklagte erklärte das Außerkrafttreten des Frachtvertrages gemäß §§ 68, 69 BSchG und forderte die Ladungsinteressenten zur Leichterung des Schiffes auf, was auch geschah. Nach Aufforderung der Klägerin (Transportversicherer der Ladung) beantragte die Beklagte das Verklarungsverfahren, das beim Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort durchgeführt worden ist. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin trug die unstreitig entstandenen Umschlag- und Liegegeldkosten für MS I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Zahlung von etwa 36500,- DM mit der Begründung, daß kein Fall einer dauernden Verhinderung der Reise vorgelegen habe und die Reparatur des Schiffes ohne vollständige Löschung der Ladung möglich gewesen sei. Der im Fall der Reparatur entstehende Zeitverlust sei für den Erztransport ohne Bedeutung gewesen. Der Beklagte behauptet die Notwendigkeit einer umfassenden Ausbesserung des Schiffes, dessen alte Kurbelwelle nach dem Unfall für ein Abschleifen zu schwach gewesen sei. Auch die für Schiff und Ladung tätig gewesenen Experten hätten selbst vereinbart, daß die Ladung wegen des Maschinenschadens gelöscht werden müsse.
Das Schiffahrtsaericht hat die Klage abaewiesen. Die Berufung wurde vom Schiffahrtsobergericht zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:
„.....
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus eigenem oder abgetretenen Recht gemäß §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2, 10 Abs. 2 BSchG, 398 BGB oder aus positiver Forderungsverletzung (§§ 325, 326, 280, 275 analog, 242 BGB) ist nicht begründet. Eine Pflichtverletzung des Beklagten ist nicht dargetan. Soweit der Beklagte die Beteiligten über den Geschehensablauf unterrichtet hat, war seine Darstellung zutreffend. Eine Pflichtverletzung ist auch nicht daraus herzuleiten, daß der Beklagte die Ladungsinteressenten zur Löschung aufgefordert hat. Zur Abgabe dieser Erklärung war er berechtigt, weil die Voraussetzungen der §§ 68, 69 BSchG vorgelegen haben. Die Reise von MS I ist durch Zufall dauernd verhindert worden. Darüber, daß die Antriebsmaschine ohne Verschulden des Beklagten ausgefallen und funktionsuntüchtig geworden ist, besteht zwischen den Parteien kein Streit. Eine Weiterfahrt mit fremder Motorhilfe im Koppelverband war für MS I nicht möglich. In einer Kopplung Seite an Seite mit einem andern Motorschiff hätte MS I Thionville nicht erreichen können, weil die zu befahrende Mosel mit ihren Staustufen wegen der nur begrenzten Breite der Staukammern dies nicht zugelassen hätte. Für eine Längskopplung von MS I war dieses Schiff bautechnisch nicht eingerichtet. Danach kam nur eine Unterbrechung der Reise zwecks Reparatur des Schiffes in Betracht. Die aufgrund des Maschinenschadens erforderlichen Ausbesserungsarbeiten waren so umfassend, daß die Ladung gelöscht werden mußte. Theoretisch hätte zwar der beschädigte Schiffsmotor aus dem beladenen Schiff ausgebaut und repariert und in das beladene Schiff wieder eingebaut werden können. Dies wäre jedoch mit wirtschaftlich unvernünftigen und unzumutbaren Kosten verbunden gewesen, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen B. vom 6. März 1986 ergibt. Da § 68 BSchG dem Schiffer keine unvernünftige, sondern nur eine sachgerechte Ausbesserung seines Schiffes abverlangt, konnte und mußte der Beklagte eine Ersatzmaschine einbauen, zumal wenn er nicht den Versicherungsschutz für den Motor verlieren wollte. Dieser Einbau war aber, wie der Beklagte bisher unbestritten vorgetragen hat, nur möglich, wenn das Schiff zuvor entladen wurde, weil eine andere Maschine als die bisherige aufzustellen war und daher
- die Bodenplatte für den Motor geprüft und gegebenenfalls angepaßt werden mußte und
- die Trimmlage des Schiffes kontrolliert und angepaßt werden mußte.

Die Voraussetzungen für die Beendigung des Frachtvertrages gemäß § 68,69 BSchG sind aber auch aus einem weiteren Grunde gegeben. Die Anknüpfung des § 68 BSchG an die dauernde Verhinderung der Reise und die Notwendigkeit, die Ladung zu löschen, soll einen Ausgleich zwischen den Interessen der Ladung und dem Eigner des beschädigten Schiffes schaffen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfes zu § 68 BSchG (vgl. hierzu Vortisch-Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flössereirecht, 3. Aufl. § 68 Anm. 3 b; BGH VersR 63, 720m. w. N.) ist nämlich der Aufenthalt, der das Entladen des Schiffes erforderlich macht, regelmäßig als so erheblich anzusehen, „daß bei der stets vorhandenen Gelegenheit zur Benutzung eines anderen Transportmittels dem Absender nicht zugemutet werden kann, die Vollendung der Ausbesserung abzuwarten; auch im Interesse des Frachtführers selbst wird es meist liegen, daß er sobald als möglich die freie Verfügung über sein Schiff erhält und nicht genötigt wird, die Reparatur an dem Ort vorzunehmen, wo sich das Schiff gerade befindet". Nach dieser Interessenwertung der Norm kann daher von einem dauernden Hindernis der Reise auch dann gesprochen werden, wenn es sich um eine - in kurzer Zeit - zurückzulegende Reise handelt und die Dauer des Hindernisses hierzu außer Verhältnis steht, so daß dem Absender bzw. Ladungsinteressenten ein Zuwarten nicht zuzumuten ist (angesprochen und offengelassen in BGH VersR 60,80). So liegen die Dinge hier. Die Reise von Antwerpen nach Thionville hätte höchstens 3 bis 4 Tage gedauert, zumal in einem Tag von MS „Inge" bereits mehr als die halbe Strecke zurückgelegt worden ist. Die Verhinderung an der Weiterreise begann zunächst am 24. Januar 1986 und dauerte bis zur Besichtigung des Schiffes im Verklarungsverfahren am 6. Februar 1986. Sodann war die Gutachtenerstattung abzuwarten, die - ausweislich des gerichtlichen Eingangsstempels auf dem Gutachten - für den 12. März 1986 anzunehmen ist. Von da ab war mit einer Reparaturzeit von ca. 4 Wochen zu rechnen. Insgesamt umfaßte der Zeitraum der Verhinderung danach mindestens 44 Tage, das heißt das 10- bis 14fache der normalen Transportzeit. Selbst wenn es sich bei der Erzfracht um kein „Eilgut" handelte, so folat doch aus diesem Zeitverhältnis in Verbindung mit der Tatsache, daß auch die Ladungsinteressenten den Weitertransport der Ladung am 5./6. Februar 1986 veranlaßt haben, daß im vorliegenden Fall die Verhinderung an der Weiterfahrt die Löschung der Ladung faktisch und wirtschaftlich notwendig gemacht hat. Der Klägerin steht auch aus § 812 BGB kein Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten zu, soweit Leistungen an ihn erbracht worden sind. Die Ladungsinteressenten haben ursprünglich in Übereinstimmung mit dem Beklagten eine Löschung der Ladung nach der Besichtigung des Schiffes MS I ins Auge gefaßt. Auch wenn insoweit keine feste Vereinbarung getroffen worden ist und auch wenn durch das Fernschreiben vom 29. Januar 1986 eine Eintrittspflicht der Ladung abgelehnt worden ist, so folgt doch gerade aus der Tatsache, daß zeitlich danach eine Löschung durch die Ladungsinteressenten vorgenommen worden ist und ferner aus der vorbehaltlosen Zahlung der vom Beklagten geforderten Distanzfracht, daß die Ladungsbeteiligten den Streit um die Notwendigkeit des Löschens im Sinne eines Anerkenntnisses beenden und die sich daraus ergebende Schuldverpflichtung tilgen wollten. Dieses Einigungsangebot hat der Beklagte durch widerspruchslose Annahme der überwiesenen Geldbeträge angenommen.
Damit ist aber - ähnlich wie bei einem Anerkenntnis nach einer streitigen Auseinandersetzung bei Verkehrsunfällen - auch zugleich der Grund der Zahlung geregelt worden.
.....“

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1988 - Nr.2 (Sammlung Seite 1222 f.); ZfB 1988, 1222 f.