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3 U 105/96 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 15.04.1997
Aktenzeichen: 3 U 105/96 BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Wird einer manövrierunfähigen Yacht Hilfe geleistet, haftet deren Eigner nach § 670 BGB für die an dem hilfeleistenden Schiff entstandenen Schäden auch dann, wenn diese bei der Auftragsbesorgung, die der Abwendung einer der Yacht drohenden Gefahr diente, leicht fahrlässig verschuldet worden sind.

Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln

vom 15.4.1997

3 U 105/96 BSch

(Schiffahrtsgericht St. Goar)

Zum Tatbestand:

Die Klägerinnen sind Versicherer des PMS R (16,65 m lang, 3,25 m breit, 75 PS stark), welches bei einem Hilfemanöver am 11.6.1994 auf dem Rhein unterhalb von Kaub gesunken ist.

Der Beklagte ist Eigentümer der Segelyacht T (11 m lang und 3,55 m breit). Mit dieser befand er sich am 11.6.1994 in Motorfahrt rheinaufwärts nach Basel. Der nicht benötigte Segelmast war über den Bug gelegt.
Unterhalb von Kaub setzte der Motor aus. Die Yacht wurde manövrierunfähig von der wegen des erhöhten Wasserstands starken Strömung rasch rheinabwärts getrieben. Der ausgeworfene Anker griff zunächst auf dem felsigen Grund nicht. Auf einen über Funk erfolgten Hilferuf bat die Nautische Informationszentrale in Oberwesel die in Höhe Kaub verkehrende Autofähre um Hilfe.

Einer der Eigner der Fähre, Schiffsführer E, versuchte, mit dem den Eignern der Fähre gehörenden PMS R die inzwischen vor Anker liegende Yacht ins Schlepptau zu nehmen. Dabei geriet PMS R vor den Bug der Yacht auf deren Ankerkette und wurde gegen den über den Bug ragenden Mast gedrückt, der sich in ein Fenster von PMS R bohrte. Dieses sank kurze Zeit danach infolge des wegen der Schräglage des Schiffes eingedrungenen Wassers. Auch an der Yacht entstanden Schäden.

Die Klägerinnen nehmen den Beklagten mit der Begründung, er hafte als Geschäftsherr für alle Aufwendungen der Hilfeleistungen, auf Ersatz der von ihnen den Eignern von PMS R gezahlten Versicherungsleistungen in Anspruch.

Das Schiffahrtsgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Das Schiffahrtsgericht hat der Klage zu Recht dem Grunde nach stattgegeben. Dabei kann wegen der Verweisung in § 683 BGB auf die Auftragsbestimmungen und der Anwendung der in § 680 BGB enthaltenen Haftungsbeschränkung auch auf den Auftrag dahinstehen, ob man eine Geschäftsführung ohne Auftrag oder einen erteilten Auftrag zur Hilfeleistung annimmt.

Nach herrschender Meinung (vgl. Palandt § 670, Rdn 9 ff.; BGHZ 38, 271 ff., 277; BGH VersR 1965, 588, 589; BGH DB 1972, 721 f.; OLG Karlsruhe VersR 1981, 774, 775), der sich der Senat anschließt, lassen sich aus § 670 BGB in Ausdehnung der Bestimmung auch die Kosten zur Beseitigung der dem Auftragnehmer/ Geschäftsführer aufgrund der Auftragsbesorgung widerfahrenen Schäden als Aufwendungen ableiten. Dies gilt nicht nur für unverschuldete Schäden, sondern, soweit die Tätigkeit des Auftragnehmers/ Geschäftsführers der Abwehr dringender Gefahr für den Auftraggeber/Geschäftsherrn dient, auch für leicht fahrlässig verschuldete.
Dem liegt der § 680 BGB zu entnehmende allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, daß der Geschäftsführer in allen Fällen nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckte (BGH DB 1972, 722).

Der Senat teilt die Auffassung des Schiffahrtsgerichts, daß der Schiffsführer E zur Abwendung einer dem Beklagten drohenden Gefahr gehandelt hat und ihm jedenfalls keine grobe Fahrlässigkeit zu Last gelegt werden kann....

Entgegen der Auffassung des Beklagten bedarf es nicht einer weiteren Gutachteneinholung...

Aus der nach Auffassung des Beklagten zu geringen Länge der Leine, die Thema des Gutachten war, könnte man selbst dann keinen Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit ableiten, wenn der Sachverständige Unrecht hätte. Wenn dieser schon die kurze Leine für richtig hält, kann man dem Schiffsführer E, der keine Kenntnisse und Fertigkeiten im Bergungsgeschäft zu haben brauchte, für dieselbe Auffassung schwerlich den Vorwurf machen, dies grob fahrlässig nicht gewußt zu haben.

Die danach gegebene Haftung des Beklagten läßt sich auch nicht aus Billigkeitsgesichtspunkten beschränken, denn es sind keine Besonderheiten vorhanden, welche die volle Haftung des Beklagten im Rahmen der Rechtsordnung als untragbar oder als unbefriedigend erscheinen lassen würden....."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1998 - Nr. 20 (Sammlung Seite 1708 f.); ZfB 1998, 1708 f.