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296 Z - 19/93 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 08.12.1993
Aktenzeichen: 296 Z - 19/93
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 3.42 RheinSchPVO,
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Fährt ein Schiff über an erlaubter Stelle liegende Anker-Döpper nach § 3.42 RheinSchPVO, spricht ein Beweis des ersten Anscheins für das Verschulden der Schiffsführung, es sei denn, daß die Döpper nicht erkennbar gewesen sind, weil sie sich z.B. infolge der Strömungsverhältnisse über eine längere Zeit unter oder horizontal im Wasser befunden haben.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Vom 08.12.1993

296 Z - 19/93

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 22. September 1992 - C 103/92 RhSch -)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin nimmt als Eigentümerin des Meßschiffes W die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil das dem Beklagten zu 1 gehörende und von dem Beklagten zu 2 verantwortlich geführte MS K am 19.2.1989 bei Rhein-km 402,30 die beiden Döpper eines von dem Meßschiff ausgebrachten Ankers überfahren und dabei abgerissen hat. MS K kam am Unfalltag bei klarem und sonnigem Wetter nahezu unbeladen auf dem Oberrhein zu Berg. Etwa gegen 10.20 Uhr umfuhr das Schiff den (rechtsrheinischen) Speyerer Grund. Dort lag zwischen den Kribben bei Rhein-km 402,63 das Meßschiff der Klägerin, um Messungen der Wasserfließgeschwindigkeit durchzuführen. Es hatte bei Rhein-km 402,30 im Bereich der roten Tonnenstreichlinie einen Vorausanker angebracht. Zur Kennzeichnung war an dem Anker eine Boje mit Radarreflektor befestigt. Etwa 5 m unterhalb davon lag eine weitere Boje. Beide wurden von MS K überfahren, rissen ab und gingen verloren. Das Schiff selbst erlitt einen Schraubenschaden. Diesen Schaden hat der jetzige Beklagte zu 1 in einem Parallelprozeß gegen die jetzige Klägerin und den Schiffsführer des Meßschiffes geltend gemacht. Die Klage hat die Berufungskammer durch Urteil vom 2.9.1992 - 262Z - 11/92 (VersR 1993, 727; ZfB 1993 Nr. 4, 37) als unbegründet abgewiesen.
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin ihren - auf 429,31 DM bezifferten - Schaden von den Beklagten ersetzt.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„1. Dem Rheinschiffahrtsgericht ist zuzustimmen, daß für das Verschulden der Führung eines Schiffes ein Beweis des ersten Anscheins spricht, wenn dieses, wie hier MS K, über an erlaubter Stelle liegende Bojen fährt. Entsprechend hat die Berufungskammer bereits in ihrem Urteil vom 22.11.1984 - 168 Z - 10/84 (ZfB 1985, 107) für den Fall des Abfahrens einer schwarzen Fahrwasserbegrenzungstonne entschieden. Zutreffend haben die Beklagten allerdings darauf hingewiesen, daß ein Beweis des ersten Anscheins nicht in Betracht kommen könnte, wenn die Bojen nicht erkennbar gewesen sein sollten. Das kann aber nicht angenommen werden. Wie die Berufungskammer bereits in ihrem Urteil vom 2.9.1992 in der Parallelsache 262 Z - 11/92 festgestellt hat, besaß die gelbe Radarboje die Form eines Doppelkegels von 90 cm mit einem Durchmesser von 50 cm, während die zweite gelbe Boje kugelförmig war bei einem Durchmesser von 60 cm. Bojen mit diesen Abmessungen sind aber grundsätzlich erkennbar. Weshalb das hier nicht der Fall gewesen sein soll, haben die Beklagten nicht dartun können....

Werden solche Bojen mit den beschriebenen Abmessungen und Farben nicht gesehen, so läßt sich das vernünftigerweise nur damit erklären, daß es die Zeugen an der gebotenen Aufmerksamkeit haben fehlen lassen oder ihre Sicht durch einen tiefen Stand der Sonne beeinträchtigt gewesen sein kann, dann aber auch eine besondere Aufmerksamkeit der Führung des MS K erforderte, die mit ihrem Schiff zumindest nahe der roten Tonnenstreichlinie, also am Rande der Fahrrinne zu Berg gelaufen ist, und zwar in einem Bereich, in dem das Meßschiff zwischen der roten Tonnenstreichlinie und dem rechten Ufer innerhalb der Kribben gelegen hat. Im übrigen hat die Strömungsgeschwindigkeit des Rheins zur Unfallzeit im Unfallbereich nicht mehr als knapp 5 km/h betragen, so daß nicht angenommen werden kann, daß sich die Bojen infolge der Strömungsverhältnisse über eine längere Zeit unter oder horizontal im Wasser befunden haben.

2. Zuzustimmen ist dem Vortrag der Beklagten, daß der Beklagte zu 1 für ein unaufmerksames Verhalten des Beklagten zu 2 gemäß §§ 3,4 Abs. 1 Nr. 3 BinSchG nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht haftet. Diese Haftung wird allerdings nach § 114 BinSchG um eine beschränkte persönliche Haftung des Beklagten zu 1 ergänzt, wenn er in Kenntnis der Klageforderung MS K zu einer neuen Reise ausgesandt hat. Hierzu hat die Klägerin in dem Verfahren vor dem Rheinschiffahrtsgericht nichts vorgetragen, obwohl sie insoweit darlegungspflichtig ist (vgl. Urt. der Berufungskammer vom 13.5.1993 - 282 Z - 4/93, ZfB 1993 Nr. 14, 30). Ihr ist aber zu folgen, soweit sie in der Berufungserwiderung darauf hingewiesen hat, daß schon im Hinblick auf den geringen Schraubenschaden des MS K nach allgemeiner Erfahrung angenommen werden kann, daß dieses Schiff wieder zu neuen Reisen ausgesandt worden ist. Etwas anderes haben auch die Beklagten nicht vortragen können. Allerdings wird das Rheinschiffahrtsgericht, das bisher nur über den Grund des Klageanspruchs entschieden hat, bei der Entscheidung über dessen Betrag klarstellen müssen, daß eine persönliche Haftung der Beklagten zu 1 für den der Klägerin darin zuerkannten Betrag nur im Rahmen des § 114 BinSchG besteht (vgl. auch das vorstehend erwähnte Urteil der Berufungskammer vom 13.5.1993)...."