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Leitsätze:
1) Anweisungen, die von zuständigen Beamten der Wasserschutzpolizei in pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens erteilt werden, z.B. die Verfügung eines Weiterfahrverbots, müssen beachtet werden, und zwar unabhängig davon, ob sie dem Betroffenen als richtig erscheinen.
2) Polizeiliche Kontrollen sind für die Sicherheit der Schiffahrt von großer Bedeutung. Wer den Beamten die Erfüllung ihrer Kontrollpflichten ungebührlich erschwert, muß mit einer Bestrafung rechnen.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 20.11.1995
243 B - 14/95
(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim)
 
Zum Tatbestand:
Am 11. August 1993 übermittelte die Wasserschutzpolizei Mannheim der  Wasserschutzpolizei Karlsruhe um 6 Uhr morgens ein Telefax. Dieses  enthielt die Mitteilung, man habe um 4 Uhr morgens das TMS "Z"  kontrollieren wollen. Die Kontrolle habe nicht durchgeführt werden  können, da der das Fahrzeug führende Schiffsführer A nicht alle  verlangten Papiere vorgelegt und sich nicht getraut habe, den  "anscheinend cholerischen" ersten Schiffführer 0 zu wecken.  Schiffsführer A sei nicht im Besitz eines Patentes für die Strekke  Mannheim - Basel. Es sei ihm gegenüber ein Weiterfahrverbot  ausgesprochen worden, welches aber nicht beachtet worden sei. Es werde  darum gebeten, bei Eintreffen des Schiffes in Karlsruhe eine Kontrolle.  "insbesondere auf Vollzähligkeit/Eignung der Besatzung" durchzuführen.
 
Als  das TMS "Z" um 10.40 Uhr bei Rheinkilometer 368 angelangt hatte,  begaben sich die Beamten E und St an Bord. Im Steuerhaus befand sich der  Betroffene, Schiffsführer O. Aufgefordert, sein Patent und die  Befähigungsausweise der Besatzung zur Kontrolle vorzulegen, präsentierte  der Betroffene sein Patent, das Bordbuch und das Schiffsattest. Die  Befähigungsausweise der übrigen Besatzungsmitglieder legte er nicht vor;  er gab zu erkennen, daß diese Papiere im Besitz der  Besatzungsmitglieder seien, die er in ihrer Ruhezeit nicht stören wolle.  Nachdem die Beamten das Bordbuch kontrolliert und Mängel darin  festgestellt hatten, antwortete ihnen der Betroffene auf weitere Fragen  nicht mehr. Die Beamten sprachen aufgrund des Verdachtes der Verletzung  von Besatzungsvorschriften ein Weiterfahrverbot aus. Danach brachen sie  die Kontrolle ab. Der Betroffenefuhre trotz des ihm gegenüber  ausgesprochenen Fahrverbotes, weiter.
Die Wasser- und  Schiffahrtsdirektion Südwest, Mainz, erließ einen Bußgeldbescheid über  650,- DM gegen den Betroffenen. Es wurden ihm drei Ordnungswidrigkeiten  vorgeworfen: Verletzung der Dokumenten vorlagepflicht, Mißachtung eines  Fahrverbotes, mangelhafte Eintragungen im Bordbuch.
 
Auf  Einspruch des Betroffenen hat ihn das Rheinschiffahrtsgericht von den  Vorwürfen der Verletzung der Dokumentenvorlagepflicht und der  fehlerhaften Führung des Bordbuchs freigesprochen. Wegen des Verstoßes  gegen ein gegen den Betroffenen verfügtes Fahrverbot hat das Gericht ein  Bußgeld von 200,- DM festgesetzt.
 
Mit seiner Berufung verlangt  der Betroffene, das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichtes - soweit er  verurteilt worden sei - aufzuheben. Er sei vollständig freizusprechen.  Die Rechtfertigung seiner Mißachtung des Fahrverbotes sieht der  Betroffene darin, daß dieses Verbot "keinen erkennbaren Zweck" welcher  die Sicherheit oder Leichtigkeit der Schiffahrt in irgendeiner Weise  erfordern würde", gehabt habe. Sein Schiff sei vorschriftsgemäß bemannt  gewesen; er selber sei im Besitz eines gültigen Patentes; er habe alle  Dokumente vorgelegt, die er nach den Bestimmungen der RhSchPV vorlegen  müsse. Die Beamten der Wasserschutzpolizei hätten die Überprüfung der  Besatzungsvorschriften "freiwillig selbst abgebrochen"; sie seien "nicht  bereit gewesen, die übrige Besatzung und deren Papiere in den  Besatzungsräumen zu überprüfen." Bei dieser Situation habe kein Grund  bestanden, ein Fahrverbot auszusprechen.
Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Anweisungen, die von den zuständigen Beamten in pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens erteilt werden, müssen beachtet werden. Es geht nicht an, daß die Betroffenen nur solche Anweisungen befolgen, die ihnen als richtig erscheinen. Entgegen der Ansicht des Betroffenen verfolgte das ausgesprochene Weiterfahrverbot den Zweck, die Sicherheit der Rheinschifffahrt zu gewährleisten. Die Beamten der Wasserschutzpolizei Karlsruhe wurden um eine Nachkontrolle gebeten, weil ein erster Kontrollversuch um vier Uhr morgens ergebnislos verlaufen war: Der Schiffsführer A hatte sich nicht getraut, den "anscheinend cholerischen" Betroffenen zu wecken. (Telefax der Wasserschutzpolizei Mannheim vom 11.8.1993). Bei der Nachkontrolle um 10.40 Uhr ging es ähnlich zu: Im Steuerhaus befand sich zwar nun der Betroffene. Dieser weigerte sich aber, die übrigen Besatzungsmitglieder zu wecken, bzw. in ihrer Ruhe zu stören, so daß eine Kontrolle der Personen der Besatzung und ihrer Papiere nicht möglich war. Wenn in der Berufung ausgeführt wird, die Beamten hätten die Nachkontrolle "freiwillig selbst abgebrochen" und seien "nicht bereit" gewesen, "die übrige Besatzung und deren Papiere in den Besatzungsräumen zu überprüfen", klingt dies reichlich lebensfremd. Der Beamte E hat in seinem "Schlußvermerk" festgehalten, vom Betroffenen aufgefordert worden zu sein, möglichst bald wieder "zu verschwinden"; der Betroffene habe später auf Fragen der Beamten überhaupt nicht mehr geantwortet; jede Kommunikation sei ausgeschlossen gewesen. "Da der Schiffsführer einen äußerst gereizten Eindruck machte, wurde, um eine Eskalation der Situation zu vermeiden, die Kontrolle anschließend abgebrochen."
Es war für die Beamten in der geschilderten Situation nicht zumutbar, gegen den Willen des "äußerst gereizten" Betroffenen die Mannschaft zu wecken und aus ihren Privaträumen zu holen. Es ist verständlich, daß sie die Kontrolle abgebrochen haben, weil sie sie als praktisch unmöglich ansahen. Dies war andererseits Anlaß genug, um den begründeten Verdacht zu haben, das Schiff sei nicht genügend bemannt. Wenn von den Beamten in dieser Situation ein Weiterfahrverbot ausgesprochen worden ist, haben sie den Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens nicht überschritten.
Die bewußte Mißachtung der Anweisung ist daher zu Recht mit einem Bußgeld geahndet worden. Der Betroffene muß sich ein weiteres Mal (vgl. den Entscheid der Berufungskammer vom 21.6.1995 in der Sache 338 B) sagen lasen, daß die polizeilichen Kontrollen für die Sicherheit der Rheinschiffahrt von großer Bedeutung sind und daß zu Recht mit einer Bestrafung rechnen muß, wer den Beamten die Erfüllung ihrer Kontrollpflichten ungebührlich erschwert....“


