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15 U 60/01 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 04.12.2001
Aktenzeichen: 15 U 60/01
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: BGB §§ 823, 852; BinnSchG §§ 77,117
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Ein Segelboot mit ca. 30 m2 Segelfläche ist ein Schiff im Sinne des BinnSchG, wobei es unerheblich ist, dass eine nicht gewerbliche Fahrt vorliegt.

2) Der Schiffsführer verletzt seine Pflichten, wenn er sich mit dem einzigen Mitreisenden in der Flaute bei voller Besegelung längere Zeit unter Deck begibt und nicht hinreichend auf die Entwicklung der Wetterverhältnisse achtet.

3) Der Teilnehmer eines privaten, unentgeltlichen Segeltörns ist nicht „Reisender" i. S. v. § 77 BinnSchG.

4) Anwendung des § 117 BinnSchG auf die Verjährung eines Anspruchs wegen nautischen Verschuldens.

 

OLG Köln

Urteil vom 4.12.2001

15 U 60/01

Zum Tatbestand:

Der verstorbene Ehemann der KI. zu 1, T., war als Oberstudienrat im Dienst des KI. zu 2 beschäftigt. Für den 4./5. 7. 1996 hatte er sich mit dem Bekl. für ein verlängertes Wochenende zu einem Segeltörn auf dem Bodensee verabredet. Hierzu wollten sie die Segelyacht des Bekl. „R." mit dem Kennzeichen F einen 30er Schärenkreuzer mit über 30 m2 Segelfläche, nutzen. Der Bekl., der seit ca. 30 Jahren auf dem Bodensee segelt, ist Inhaber des Schiffspatents für den Bodensee.
Am 4. 7. 1996 liefen die vorgenannten Personen - T und der Bekl. - mit dem Segelschiff in den Hafen von B. ein. Sie legten am nächsten Tag, dem 5. 7. 1996 gegen15.00 Uhr, aus dem Hafen von B. ab, um in Richtung L. auszulaufen. Weder der Bekl noch T trugen zu diesem Zeitpunkt Schwimmwesten.
Gegen 17.15 Uhr - das Schiff befand sich im Ostteil des Bodensees, Seemitte (ca. 1,5 km Luftlinie von W. entfernt) - brach ein Sturm mit Böen von orkanartiger Stärke über das Schiff herein, nachdem zuvor Flaute geherrscht hatte. Der Bekl. blieb am Ruder des Schiffs und ließ Vor- und Großsegel durch T reffen. Das bereits gereffte Großsegel zerriss sodann in einer starken Böe, das Schiff legte sich in eine Schräglage von 50°-60°, und das Heck geriet unter Wasser, nachdem eine Welle es überspült hatte. Dies führte dazu, dass die Kajüte des Schiffs, in welcher sich zu diesem Zeitpunkt die mitgeführten Schwimmwesten befanden, voll Wasser lief. Der Bekl. und T gingen über Bord, das Schiff versank.
Zunächst schwammen der Bekl. und T nebeneinander im Wasser, jedoch konnte sich T nachfolgend nicht aus eigener Kraft über Wasser halten und verschwand. Der Bekl. konnte sich ans Ufer retten; eine sodann eingeleitete Suche führte nicht zum Auffinden des T.
Mit Beschluss vom 5. 2. 1999 wurde T. für tot erklärt, wobei als .Todestag der 5. 7. 1996 festgesetzt wurde. Gegen den Bekl. wurde in der Folgezeit ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, welches später eingestellt wurde.
Das LG hat die Schadensersatzklage abgewiesen. Die Berufung des KI. zu 2 hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

Entgegen der Ansicht des LG stünde dem KI. zu 2 jedoch dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 1 BGB aus übergegangenem Recht (§ 99 LBG NW i. V, m. § 3 Abs. 4 BVO NW) gegenüber dem Bekl. zu. Denn es unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass der Bekl. seine Pflichten als Schiffsführer verletzt hat und dies dazu geführt hat, dass der Ehemann der KI. zu 1 bei dem Bootsunfall auf dem Bodensee tödlich verunglückte. Dabei kann dahinstehen, ob dem Bekl. bereits daraus ein Schuldvorwurf gemacht werden kann, dass er mit dem Boot „R." zusammen mit dem tödlich verunglückten T noch auslief, obwohl dem Bekl. möglicherweise Sturmwarnungen bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Denn ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten ergibt sich zumindest daraus, dass der Bekl. im weiteren Verlauf der Fahrt das Boot nicht über einen längeren Zeitraum unter voller Besegelung hätte belassen dürfen, ohne sich in kürzesten Abständen über die Wetterverhältnisse und etwaige Warnmeldungen zu vergewissern, vielmehr unter Deck mit T. Essen vorzubereiten (wird ausgeführt).
Angesichts der vorstehenden Ausführungen kann dahinstehen, ob dem Bekl. ein weiterer Schuldvorwurf deshalb zu machen ist, weil er nicht dafür sorgte, dass T sofort bereits beim Verlassen der Kajüte eine Schwimmweste überzog. Allerdings spricht nach Ansicht des Senats alles dafür, dass ein solches Vorgehen angezeigt gewesen wäre. Denn immerhin war das Boot nach der Darstellung des Bekl. zu diesem Zeitpunkt schon urplötzlich so heftig vom Wind ergriffen worden, dass die Kaffeekanne umgefallen und das Essen „ins Rutschen" geraten war. Diese Darstellung des Bekl. legt die Annahme nahe, dass er schon mit größter Sorge die Kajüte verlassen hätte - oder ihm eine solche Sorge zumindest hätte kommen müssen. Es hätte daher in besonderer Weise nahe gelegen, unverzüglich Schwimmwesten anzulegen, um für den Notfall gegen die Gefahr des Eitrinkens besser gerüstet zu sein. Den Bekl. entschuldigt dabei auch nicht, dass die Schwimmwesten angeblich bei den auf Deck zu verrichtenden Arbeiten (etwa dem Reffen des Segels) „gestört" haben könnten. Diese Auffassung legt vielmehr nahe, dass der Bekl. die Bedeutung einer angelegten Schwimmweste für den Fall einer eintretenden Seenot unterschätzen dürfte. Denn etwaige Lästigkeiten oder Verzögerungen bei den Arbeiten an Deck wären aus Gründer) der Sicherheit in jedem Fall hinnehmbarer gewesen, als das Risiko einzugehen, ohne angelegte Schwimmwesten kentern zu können.
Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass der Bekl. bei besserer Beobachtung der Vorsichtsmelder oder auch des Wettergeschehens oder auch bei einer geistesgegenwärtigeren Einschätzung der Gefahrenlage durchaus rechtzeitig dafür hätte Sorge tragen können - und müssen -, dass T vor dem Sinken des Bootes- zumindest eine Rettungsweste getragen hätte.
Der Haftung des Bekl. steht dabei nicht entgegen, dass sich der tragische Tod des T möglicherweise auch dann ereignet hätte, wenn dieser eine Schwimmweste getragen hätte. Dieser Einwand des Bekl. nötigt nicht zu einer weiteren Aufklärung (wird ausgeführt).
.Weiter führt auch der vom Bekl. angeführte Umstand einer „Gefahrengemeinschaft" nicht zu einer Haftungsbeschränkung. Das vorliegende Verfahren belegt dabei allerdings, dass einem derartigen „Segeltörn" durchaus Gefahren innewohnen, welche die Teilnehmer einer solchen „Sportveranstaltung" zu einer Gefahrengemeinschaft machen könnten. Gleichwohl führt dies nicht zu einer Haftungsbeschränkung.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass für Unglücksfälle, die sich anlässlich von Bergtouren zugetragen haben, verschiedentlich eine Beschränkung der Haftung erwogen worden ist, falls es aufgrund der Naturgewalten zur Schädigung einer der teilnehmenden Personen gekommen ist (vgl. OLG Karlsruhe vom 1. 12. 1977 - 4 U 146/76 -NJW 1978, 705 =VersR 1978, 676 L; OLG Stuttgart vom 16. 3. 1993 - 10 U 77/91 - VersR 1995, 671; s. auch Hager in Staudinger, BGB 12. Aufl. Vorbem. zu §§ 823 ff. Rdn. 51). Ungeachtet der Tatsache, dass letztlich in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - die Erwägungen zur Haftungsbegrenzung nicht zum Tragen gekommen sind (weil jeweils ein schuldhaftes Verhalten einzelner Teilnehmer der Bergtour nicht festgestellt werden konnte, vgl. jeweils aaO), können die Überlegungen zur Haftungsbegrenzung nach Ansicht des Senats auch nicht auf Fälle der vorliegenden Art übertragen werden. Denn anders als bei kameradschaftlich durchgeführten Bergtouren (ohne Hinzuziehung eines professionellen Führers) liegt die Verantwortung für die Sicherheit eines Schiffs und dessen Besatzung kraft Gesetzes in der besonderen Fürsorge des Schiffsführers. Dies folgt beispielhaft aus §§ 7 f. BinnSchG (auf dessen Geltung und Anwendung noch zurückzukommen ist) oder auch aus § 1.04 der RhSchPVO. Während mithin den Schiffsführer eine originäre Verantwortung für die Mitfahrenden trifft, ist dies für Teilnehmer bei Bergtouren untereinander nicht der Fall.
Wäre der Bekl. nach alledem somit an sich im Wege eines Grundurteils zu vollem Schadensersatz zu verurteilen, so ergibt sich anderes hier aufgrund der eingetretenen Verjährung. Auf den Unfall, der sich unstreitig im Zuständigkeitsbereich des AG X. zugetragen hat, findet das BinnSchG Anwendung. Bei dem., Schiff „R." handelt es sich um ein Schiff im Sinne des BinnSchG. So hat der BGH bereits mit Urteil vom 29. 11. 1971 (11 ZR 8/90 - BGHZ 57, 309 = VersR 1972, 246 = NJW 1972, 538) entschieden, dass so genannte Jollenkreuzer mit einer Länge von etwa 6-8 m und einer Segelfläche von ca. 20 m2 als Schiff im Sinne des BinnSchG einzustufen sind. Es bestehen daher keine Bedenken, den Schärenkreuzer „R." mit einer Segelfläche von etwa 30 m2 ebenfalls als Schiff im Sinne des BinnSchG zu verstehen.
Weiter ist unerheblich, dass das Boot nicht im Rahmen einer gewerblichen Nutzung eingesetzt wurde (vgl. auch zu diesem Aspekt BGHZ 57, 309 = VersR 1972, 246 = NJW 1972, 538 [539] a. E.).
Damit erweist sich § 117 BinnSchG für die Verjährung als einschlägig. Nach Auffassung des Senats liegt kein Fall des § 77 BinnSchG i. V. m. § 664 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 HGB vor. Denn nach § 77 Abs. 1 BinnSchG bezieht sich die Verweisung auf das Seehandelsrecht (und damit auf die Anlage zu § 664 Abs. 1 S. 1 HGB [vgl. dort Art. 13, abgedr. bei Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht 3. Aufl. 1992 als Anl. zu § 664]) nur auf die Beförderung von „Reisenden". Auch wenn in der Literatur dazu die Ansicht vertreten wird, dass die Beförderung nicht notwendig entgeltlich zu sein habe (vgl. Prüßmann/Rabe aaO Vor § 664 II C 2 S. 757 f.), so macht dies die Teilnehmer eines Segeltörns nicht zu „Reisenden" i. S. v. § 77 Abs. 1 BinnSchG. Denn insoweit bleibt der Abschluss eines Reisevertrags - und sei es über eine unentgeltliche Beförderung - erforderlich (vgl. dazu auch Prüßmann/Rabe aaO Vor § 664 C II A S. 756 und Anm. 3 zu Art. 1 der Anl. zu § 664 HGB). Einen solchen Reisevertrag wollten hier aber der Bekl. und der verstorbene T unstreitig nicht schließen. Vielmehr handelte es sich bei dem Segeltörn ausschließlich um eine auf Freundschaft beruhende Freizeitveranstaltung der beiden Teilnehmer.
Ist mithin die Vorschrift des § 117 BinnSchG einschlägig, weil kein Reisevertrag geschlossen wurde, so beträgt die Verjährungsfrist nach § 117 Abs. 1 Nr. 7 BinnSchG ein Jahr. Die erwähnte Ziffer erweist sich hier als einschlägig, weil - wie dargelegt - ein nautisches Verschulden des Bekl., der unstreitig Schiffseigner des untergegangenen Bootes ist, in Rede steht und kein Fall des § 118 BinnschG (Havarie) gegeben ist. Dem steht nicht entgegen, dass in § 117 Abs. 1 Nr. 7 BinnSchG von dem Verschulden „einer Person der Schiffsbesatzung" die Rede ist. Denn dazu hat der BGH bereits in einem Urteil vom 2. 6. 1977 (li ZR 67/75 - BGHZ 69, 62 = VersR 1977, 738 = NJW 1977, 1729 L) festgestellt, dass „auch die Forderungen aus einem nautischen Verschulden des Schiffseigner-Schiffers in die Regelung des § 117 Nr. 7 BinnSchG einzubeziehen (ist)" (vgl. BGHZ 69, 62 [64] = VersR 1977, 738 = NJW 1977, 1729 L).
Nach § 117 Abs. 2 BinnSchG beginnt die Verjährung dabei mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist. Die Fälligkeit einer Forderung bezeichnet dabei den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen kann (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 271 Rdn. 1). Nach Auffassung des Senats setzt dies nicht voraus, dass die Höhe der Forderung bereits abschließend feststeht und der Geschädigte seinen Anspruch (erschöpfend) im Wege einer Leistungsklage geltend machen könnte.
Demgegenüber hat das OLG Hamburg wiederholt entschieden, dass für den Beginn der Verjährung nach § 118 BinnSchG die Verjährung erst dann anlaufen könne, wenn der Gläubi¬ger in der Lage sei, seinen Schadensersatzanspruch auch der Höhe nach zu beziffern (vgl. OLG Hamburg VersR 1970, 516 [517]; 1979, 816; Gleiches müsste nach Auffassung des OLG Hamburg für -die Verjährung nach § 117 BinnSchG gelten).
Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass nach den Vorschriften der §§ 196-198 BGB die Verjährung bereits mit der Entstehung der Forderung beginne, die Vorschrift des § 118 BinnSchG demgegenüber aber auf die Fälligkeit des Anspruchs abstelle. Daraus sei - so das OLG Hamburg - zu folgern, dass dem Gläubiger eine Bezifferung seiner Schadensersatzforderung möglich sein müsse (vgl. OLG Hamburg VersR 1970, 516 [517]; 1979, 816).
Dem ist entgegenzuhalten, dass auch nach dem BGB stets nur fällige Forderungen verjähren können. Schon die Entstehung eines Anspruchs setzt daher regelmäßig voraus, dass er geltend gemacht werden kann (so Johannsen in BGB-RGRK 12. Aufl. § 198 Rdn. 2). Fallen aber ausnahmsweise das Entstehen des Anspruchs und die Fälligkeit auseinander, so ist für die Verjährung nach §§ 196, 197 BGB in § 201 S. 2 BGB festgelegt, dass der Beginn der Verjährung sodann erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in welchem die Forderung fällig geworden ist. Es entspricht daher vollkommen der Systematik des BGB, dass die Verjährung nicht nur die Entstehung, sondern gerade auch die Fälligkeit der Forderung voraussetzt. Entgegen der Auffassung des OLG Hamburg kann daher nach Ansicht des Senats auch nicht davon ausgegangen werden, dass die nach §§ 117 f. BinnSchG zu beurteilende Verjährung abweichend von der Regelung im BGB erst dann zu laufen beginnt, wenn dem Gläubiger der Schaden bekannt geworden und ihm eine Bezifferung seines Schadensersatzanspruchs möglich wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die vom BinnSchG vorausgesetzte Fälligkeit der Forderung grundsätzlich dann eintritt, wenn der Schaden entstanden ist.
Ganz in diesem Sinn ist die Verjährungsvorschrift des § 117 BinnSchG offensichtlich auch vom BGH verstanden worden. Dies kann schon dem Urteil vom 2. 6. 1977 (II ZR 67/75 - BGHZ 69, 62 = VersR 1977, 738) entnommen werden. Denn auch in dem dortigen Fall ging es um Ersatzansprüche, welche der Dienstherr (KI.) von Polizisten, die bei einer Bootsfahrt auf dem Rhein tödlich verunglückt waren, gegenüber dem Eigentümer eines Kajütmotorboots geltend machte. Dem mitgeteilten Sachverhalt zu den Entscheidungsgründen kann entnommen werden, dass der Kl. zu 2 des dortigen Verfahrens neben der Zahlung eines Geldbetrags auch die Feststellung begehrte, „dass der Bekl. dem Kl. alle aus dem Schiffsunglück vom 26. 7. 1970 nach dem 31. 10. 1972 entstehenden Schäden zu ersetzen hat". Dem ist aber zu entnehmen, dass sich der bezifferte Schadensersatzanspruch nur auf die Schadenspositionen bezog, welche bis zum Stichtag des 31. 10. 1972 errechnet werden konnten; weitere Schadenspositionen waren offenbar der Höhe nach noch nicht feststehend. Wenn der BGH bei dieser Sachlage aber gleichwohl davon ausging, dass der Anspruch verjährt war, so lässt sich dies nicht mit der Auffassung des OLG Hamburg in Einklang bringen. Denn auch in dem vom BGH entschiedenen Fall konnte der Dienstherr ersichtlich den Schaden noch nicht vollumfänglich beziffern. Es wäre daher verfehlt anzunehmen, dass erst dann von einer fälligen Forderung i. S. v. § 117 BinnSchG (oder auch § 118 BinnSchG) gesprochen werden kann, wenn der Schaden umfassend mit einer Leistungsklage geltend gemacht werden kann.
Als weiteres Zwischenergebnis ist mithin festzuhalten, dass die Verjährung gem. § 117 BinnSchG hier mit dem Schluss des Jahres, in welchem sich der Unfall ereignete, zu laufen begann. Die Verjährung lief somit Ende 1996 an und trat mit dem 1. 1. 1998 ein. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der KI. zu 2 Ende 1996 möglicherweise noch nicht hat übersehen können, dass ihm aus dem. Unfall Ansprüche gegenüber dem Bekl. erwachsen sein könnten. Denn es ist kein allgemeiner Grundsatz des Verjährungsrechts, dass der Gläubiger von der Existenz der Forderung wissen müsste (vgl. Palandt/Heinrichs aaO Überblick vor § 194 Rdn. 4 m. w. N.). Es ist daher auch unschädlich, dass der KI. zu 2 Ende 1996 möglicherweise noch nicht in der Lage war, eine Leistungs- oder Feststellungsklage gegen den bekl. zu erheben.
Allerdings wird in der Kommentierung zu § 117 BinnSchG auch die Ansicht vertreten, dass die Grundsätze des § 852 BGB auf den Beginn der Verjährung anzuwenden seien (vgl. bei Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsrecht 4. Aufl. 1991 § 117 BinnSchG Rdn. 3).
Ob dem zu folgen ist, kann vorliegend offen bleiben. Denn jedenfalls kann die Verjährung nach § 117 BinnSchG nicht
davon abhängen, dass der Geschädigte - wie bei § 852 BGB - positive Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzverpflichteten haben müsste. Denn dabei würde verkannt, dass der BGH die Anwendung von § 852 BGB für das Binnenschifffahrtsrecht in der bereits erwähnten Entscheidung vom 2. 6. 1977 gerade verworfen hat. Zur Begründung hat der BGH dabei im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass die kurze Verjährungsfrist des § 117 Abs. 1 BinnSchG vor dem Hintergrund zu sehen sei, „dass die tatsächliche Grundlage von Forderungen wegen eines nautischen Verschuldens nach Ablauf eines längeren Zeitraums häufig nicht mehr zuverlässig geprüft werden kann" (vgl. BGHZ 69, [64 f. und 66] = VersR 1977, 738 f.). Erneut hat der BGH in einer Entscheidung vom 17. 3. 1980 (11 ZR 1/79 - NJW 1981, 2576 [2577] a. E.) deutlich gemacht, dass der Sinn der kurzen Verjährung des § 117 Abs. 1 BinnSchG gerade darin liegt, eine rasche Aufklärung der Unfallursachen zu fördern. Der Senat schließt sich dem an. Mit Sinn und Zweck der kurzen Verjährung ließe es sich daher aber nicht in Einklang bringen, wenn die Verjährung erst anlaufen sollte, sobald der Geschädigte positive Kenntnis vom Schaden und dem Ersatzverpflichteten hat.
Sollte man daher davon ausgehen, dass sich die Verjährung nicht allein nach dem Eintritt des Schadens richtet (und am Ende des auf den Schaden folgenden Jahres abläuft), so ist bei § 117 BinnSchG jedenfalls zu verlangen, dass der Geschädigte ihm zumutbare Handlungen unternimmt, um den Sachverhalt aufzuklären (vgl. im Ergebnis ebenso die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt Urteil vom 21. 9. 1987 - 206 Z 6/87 - ZfB 1989, 53 - Sammlung S. 1248; Vortisch/Bemm aaO), soll die Verjährung nicht gesetzesgemäß beginnen. Der Geschädigte darf also in keinem Fall darauf verzichten, nennenswerte eigene Anstrengungen zu entfalten und einfach zu warten, bis ihm gleichsam von selbst die erforderlichen Informationen zufallen.
Selbst wenn man in diesem Sinn (abweichend von dem Wortlaut des § 117 Abs. 2 BinnSchG) nicht nur auf die Fälligkeit der Forderung abstellen wollte, so wäre die Verjährung des Anspruchs eingetreten....

Urteilsbesprechung aus VersR 2002, S. 1534